Little Richard – King Of Rock And Roll (1971)

Bei der Nennung des Namens dieses ausgeflippten Künstlers und des dazugehörigen Albumtitels in der Überschrift kann ich eigentlich davon ausgehen, dass sich niemand hierhin verklickt. Genau so gut könnte ich über die Zubereitung eines feinen Gratins schreiben. Oder über das Verhalten der Zugvögel. Oder über das Liebesleben der einheimischen Eichhörnchen…oder…

Mach’ ich trotzdem nicht!

Stattdessen richte ich das Spotlicht auf diese grossartige LP des selbsternannten Königs des „Rock And Roll“, alias Richard Wayne Penniman, alias Little Richard. Nun, Rock And Roll wird man hier eher weniger finden, stattdessen erwartet einen eine gewaltige und ungefilterte Ladung Powersoul, Funk und Gospel mit starkem weiblichem Backgroundgesang, ebenso reinigendem Frühsiebzigergbläse und stampfender Rhythmusgruppe in allerbester Stax-Manier. Mittendrin im Scheinwerferlicht natürlich Little Richard der sich mehr als einmal selbst beweihräuchert und andauernd erörtert, dass er der Grösste sei. Und irgendwie nehm’ ich ihm das auch ab hier: Herrlich wie Richard’s Stimme röhrt und gurgelt, beinahe beängstigend wie dieses beeindruckende Organ in „Brown Sugar“ und im alten Gassenhauer „Dancing In The Street“ herumbrüllt. Und ich wette der hatte keinen Waffenschein für seine Stimmbänder, und ich wette da haben während der Aufnahmen dutzende Mikrophone ihren Geist aufgegeben, ihr Innenleben ausgespuckt, sich verängstigt und verschreckt in eine dunkle Ecke des Recording Studios verzogen. Und überhaupt – „Green Power“ sollte man sich nun wirklich mal anhören, da spürt man förmlich wie das Blut durch die Adern der beteiligten Protagonisten zirkuliert – das ist Musik die auch nach fast vierzig Jahren kein kleines bisschen tot ist, das ist beeindruckender Sound der lebt, als sei sie erst vor ein paar Stunden auf Tonspule gehämmert worden..

Hey – diese Scheibe kannte ich bislang nicht – aber diese Platte hat auf Anhieb einen Ehrenplatz in meiner Soulsammlung erobert, das ist wahrhaft gute und ehrliche „Blackmusic“, zündet genauso wie James Brown, Otis Clay & Co.!

Und überhaupt… was quasselt er in der Einleitung zu „Born On The Bayou“?

„I left my throne to walk hand in hand with my people…“ – herrlich verrückt, abgehoben, durchgeknallt und abgedreht. Aber auch gleichermassen witzig, mutig, ironisch, temparamentvoll und heissblütig.

Dear Mr. Penniman, klasse gemacht alter Rock’n’Roller und danke für diesen faszinierenden, 43minütigen Seelentrip!

Little Richard – King Of Rock And Roll (1971, Warner Brothers)

  1. King Of Rock And Roll
  2. Joy To The World
  3. Brown Sugar
  4. In the Name
  5. Dancing In The Street
  6. Midnight Special
  7. Way You Do The Things You Do
  8. Green Power
  9. I’m So Lonesome I Could Cry
  10. Settin’ The Woods On Fire
  11. Born On The Bayou

(CD-Reissue 2009, Collectors Choice, Warner)

LONG LIVE ROCK AND ROLL!
mellow

 

Da Capo:

King Of Rock And Roll war die zweite Scheibe einer Trilogie für Reprise/Warner Brothers. Kommerziell gesehen floppten alle drei LP’s, Mr. Penniman versuchte sich denn auch schon bald mal wieder als Prediger und Bibelverkäufer.

The Rill Thing von 1970 eröffnete den Reigen und zeigte von Anfang an, dass der King nicht in den Fifties stehen geblieben war, dass er sich musikalisch trotz seiner Rock’n’Roll-Vergangenheit angepasst hatte, The Rill Thing offeriert Soul, Bluesrock, Funk und massenhaft Freiraum für die Band (wer immer auch dahinter steckte). Beim 10minütigen Titeltrack hatte offenbar mal wieder ein Mikro das Zeitliche gesegnet, Little Richard beschränkt sich hier jedenfalls aufs Elektropiano, lässt dafür die versammelte Studiomannschaft einzeln zum Solo antreten – eine herrliche Jamsession, alleine die Arbeit des namenlosen Bassisten lässt einen verwundert mit den Ohren wackeln! Zum Schluss lässt sich der König sogar zu einem kleinen Knickser vor Lennon/McCartney hinreissen: „I Saw Her Standing There“…

The Second Coming (1972) war die letzte Chance, das geplante vierte Album erschien dann doch nicht, das Label hatte scheinbar den Glauben verloren. Musikalisch gesehen hatten der King und Produzent Bumps Blackwell aber auch hier wieder alles richtig gemacht, in den Plattenläden verwandelte sich die Scheibe jedoch zu Blei. Trotz solcher Schätze wie „It Ain’t What You Do, It’s The Way How You Do It“ und „Thomasine“ oder der Bearbeitung des Traditionals „The Saints“ dem eine zünftige Portion Speed eingeimpft wurde. Track No. 10, „Sanctified, Satisfied Toe-Tapper“: Hey Mr. Penniman, wieder das Mikro kaputt gesungen? Dafür rockt, stampft und groovt die Chose wie bei den CRUSADERS! Great… da wäre ich gerne die Studiomaus im legendären Record Plant gewesen. Flying Burrito Brothers Pedalsteeler Sneaky Pete Kleinow war bei dieser Platte mit von der Partie, genauso wie Bassist Chuck Rainey, Earl Palmer  trommelte als sei der Teufel hinter ihm her, Jim Horn, Lee Allen und Bill Hemmons bildeten die Bläsersection und die Gitarrenfront teilten sich gleich vier Nasen untereinander auf: Mike Deasey, Adolph Jacobs, David T. Walker, George Davis.

(CD-Einzel-Reissues 2009, Collectors Choice, Warner /alle drei besprochenen Alben als DoCD-Reissue 2016: BGO, King Of Rock And Roll leider verteilt auf 2 CD’s)

Falls mal jemand Lust auf pure Lebensfreude verspürt, dann sollte er sich vielleicht einmal eine dieser drei Platten anhören. Und wer weiss, vielleicht wird er geläutert werden und zu guter Musik, zu Funk’n’Soul oder Rock’n’Roll konvertieren…

mellow

 

 

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3 Kommentare

  1. Hallenstadion Zürich 1998. Package Tour. Little Richard, Jerry Lee Lewis, Chuck Berry. Und ich war dabei. Gut, der Little Richard-Teil war etwas arg kurz. Der Jerry Lee Lewis-Teil bestand aus einem ellenlangen Intro und Outro (sans Jerry) und seine eigentliche 20-Minuten Performance hat dafür entschädigt. Aber die Ueberraschung war Mr. Chuck Berry. Der stand etwas mehr als 2 Stunden auf der Bühne und ich dachte schon, der hört nie mehr auf.

    Aber, wenn ich mich richtig erinnere, habe ich dazu schon mal im Rockzirkus Forum geschrieben und ich denke heute noch, der Chuck wurde vom Veranstalter extra bezahlt, da die Little Richard Nummer etwas arg kurz ausfiel und Jerry Lee Lewis auch nicht eben glänzte (ca. 1 Stunde, davon 20 Minuten mit Herrn Lewis).

    Wobei mit Jerry Lee Lewis jetzt wirklich “The Last Man Standing” noch da ist. Jedenfalls fällt mir keiner seiner Kollegen von damals mehr ein, die noch am Leben sind.

    Cheers

    Roland

  2. Heute wurden die hier besprochenen Alben des Königs des Rock’n’Roll wieder einmal angehört und zwar in einer Affenlautstärke, ich denke das wird ihnen gerecht: Laut, lauter, Penniman! ‘Tschuldigung liebe Nachbarn, aber das musste sein…

    LONG LIVE ROCK’N’ROLL!
    mellow

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