Ulli Engelbrecht – Klaus Nomi war ja eigentlich Konditor (Buch)
Nicht das der Blog hier in Zukunft zum „Literarischen Quartett“ umbenannt werden muss. Aber so lange der Bezug zur Musik gegeben ist … Da ist ja bereits ein Beitrag im Rockzirkus Blog von remo4 unter Ulli Engelbrecht: Klaus Nomi war ja eigentlich Konditor – Rockzirkus-Blog zu finden. Seit den ungefähr 90ern kommen diese Art Bücher gefühlt alle 14 Tage auf den Markt und ich habe eine Menge von denen auch gelesen. Natürlich spricht es den Musikinteressierten in uns an und wir lesen tatsächlich auch ein bisschen etwas über uns selbst. Die ersten Bücher zu dem Thema, die ich vor mehr als 30 Jahren gelesen hatte, waren natürlich in der Thematik neu, meistens gut geschrieben, unterhaltsam ohne ins Lächerliche abzugleiten und könnten zu weiten Strecken tatsächlich von mir gehandelt haben.
Es gab natürlich auch veritable Rohrkrepierer, so das Buch über den Teufel in der deutschen Provinz, dass ich nur mühsamst abarbeiten konnte, hat der Auto doch sehr viel an Substanz vermissen lassen und daraus folgerte ein etwas sehr mühsames Buch. Den Titel habe ich, zum Glück, vergessen. Ah, irgendwas mit Motörhead! Allerdings sind seit den Anfangstagen des Genres doch so einige Tage und Veröffentlichungen ins Land gegangen, und obwohl ich die Art Bücher noch immer kaufe (sonst würde ich diesen Beitrag ja nicht schreiben können), hat sich etwas Müdigkeit eingeschlichen und manchmal denke ich „ne, nicht schon wieder“! Besser wirds auf jeden Fall nicht mehr, auch die Retromusiker, die die 60er und 70er wieder aufleben lassen wollen, verbessern nichts wirklich. Aber zugegeben, viele davon treffen es wirklich auf den Punkt.
Wenn man viele Bücher zu einem Thema gelesen hat, kann es auch zum Nachteil sein, hat man doch zu viele Ansatzpunke und Landmarkierungen. Man kommt gar nicht drum herum, ewig die selben müden Vergleiche zu ziehen. Aber das ist mit Musik, Filmen oder Schauspiel auch nicht anders. Mir hat jedenfalls „Klaus Nomi war ja eigentlich Konditor“ mit Abstrichen gefallen. Im Grossen und Ganzen würde ich die 170+ Seiten schon im oberen Segment einordnen, aber einiges davon reicht eben nicht zum ganz grossen Wurf.
Viele dieser Bücher kranken u.a. an Löchern im Narrativ. Auch wenn das nie durchgehende Stories sind, man merkt, dass der Autor (ich kenne keine Autorinnen zu diesem Thema) im Verlaufe des Textes immer wieder mal an eine Wand läuft und sich mühsam aus der Bredouille schreiben muss. Das wird offensichtlich, wenn aus einer lockeren Schreibweise ohne jede Not ein Gemurkse wird. Und das habe ich wirklich in jedem Buch so gesehen, auch die besten Erzählungen sind davon nicht befreit. Auch das Buch von Ulli Engelbrecht nicht.
Ulli Engelbrecht ist am besten, wenn er die Sache einfach laufen lässt und man bekommt die Idee, machmal hat er einfach was hingeklatscht und das passt dann wie die Faust aufs Auge. Andererseits sucht er manchmal Uebergänge oder versucht die Story etwas fleischiger zu machen und das geht in die Hosen. Und noch etwas ist mir etwas sehr quer reingekommen, ich lasse mich in einem Buch mit diesem Thema nicht mit Sie ansprechen! Da verliert jeder Autor einen grossen Teil seiner Glaubwürdigkeit. Ganz ehrlich, mich nervt so etwas enorm.
Ich habe mir während des Lesens keine Notizen gemacht, auch nicht zu den Passagen an denen ich ungewollt schmunzeln musste, oder denen wo ich 100 % Zustimmung vergeben habe oder auch nicht zu denen wo ich nicht ganz sicher war, was der Ulli Engelbrecht da geraucht hatte. Allerdings sind es die kleinen Dinge, die den Text wirklich lesenswert machen, so z.B. die Barclay James Harvest Episode. Die Story über Alice Cooper’s „Welcome To My Nightmare“, und das sag ich jetzt nicht weil ich ein hardcore Fan bin, hat mir hingegen klar gemacht, dass ein Zeilenfüller halt hin und wieder eingeschoben werden muss und kann. Manchmal zeigen halt Texte auch auf, dass die Substanz fehlt und noch ein paar Seiten zusätzlich das Gebot der Stunde waren.
Andererseits gibt es „Süffiger Blues im grauen Schutzschuber“ und andere Einlagen, die das Buch über den Durchschnitt heben und einem zuwinken. Was mir ebenfalls ziemlich gut gefallen hat, sind die Art Gedichte in dem Buch (und das sagt einer, der mit der Form sonst gar nichts anfangen kann), obwohl es auch dazu mindestens einen Totalausfall gibt. Andererseits habe ich gestaunt, dass jemand, der ungefähr in meinem Alter sein muss, mit Begriffen wie Shoegaze hantiert. Wenn ich den Ausdruck je gehört hatte, dann habe ich nie nachgefragt und bin erst vor ein paar Jahren darauf gekommen, wobei das wohl eine der überflüssigsten Bezeichnungen eines/einer Genres/Bandeigenschaft ist, die man sich vorstellen kann. Und wie ist das jetzt mit Klaus Nomi und seinem Job als Konditor? Das Gespräch betitelt wie das Buch, aber Klaus Nomi kommt da nur an der Peripherie vor. Grossartig! Nicht ganz so gut wie Roddy Doyle’s „Two Pints“ Geschichten, aber wer schreibt schon besser? Ich würde aber fast eine Wette machen, Ulli Engelbrecht hat seinen Roddy Doyle genau studiert. Wenn schon, denn schon!
Wem die Thematik zusagt, dem/der kann ich das Buch sehr empfehlen. Unterhaltsam geschrieben und auch du, Willy, kommst darin vor und natürlich du, Susi, entschuldigen Sie bitte, Sie Herr Meier und Sie Frau Müller ebenfalls. Und besser angelegt habt ihr (äh, haben Sie) 13 Euro auch noch nicht so viele Male. ISBN 978-3-7693-1605-6 Books on Demand GmbH (bestellt euch Ihr Buchhändler – ich hab mein Exemplar über den Comix Shop AG in Basel bezogen – geht also auch).