John Martyn – Brit-Barden 1

Genialer Komponist und Musiker, aber auch ein Kämpfer gegen seine Dämonen

Oma, Hamish, Nick & John – Er hatte doch insgesamt noch etwas mehr Glück, sonst hätte er auch wie sein zeitweiliger Mitbewohner Nick Drake, Paul Kossoff oder einige andere Brit-Barden seinen Platz bei den früh verstorbenen Tragischen Rockern. Trotzdem bringt auch die Lebensgeschichte von Order Of British Empire John Martyn, am 11. September 1948 als Iain David McGeachy in einem fernen südlichen Stadtteil Londons geboren, als Einzelkind zweier geschiedener Opernsänger aufgewachsen, eine Menge skurriles und spannendes auf den Tisch. Er wird im schottischen Glasgow bei der Oma groß, lernt dort auch das Gitarrenspiel und die Folk-Musik lieben. Folk-Barde Hamish Imlach ist sein Lehrer und Mentor, er spielt zuerst in dessen Band, später geht er für seine Solo-Karriere zurück in die Heimat nach London. John war ebenso wie Nick Drake (Zitat: Diese ganze Verehrung ist zu spät, wenn man tot ist !!), Robert Wyatt oder Richard Thompson ein Grenzgänger zwischen Blues, Folk, Jazz, Rock und obendrein ein Suchender auch nach neuen Klängen und Ausdrucksformen, vereinigte das alles zu einem neuen eigenen Stil. Leider kommerziell nicht so erfolgreich und aber sehr beachtet bei Kollegen.

John Martyn: Promo_3

Beverley Martyn: Promo_2

Beverly & John – 1967 bekam Martyn einen Vertrag beim renommierten Label Island Records, bei dem waren unter anderem auch Nick Drake und Richard Thompson unter Vertrag, nahm im selben Jahr das Debüt »London Conversation« mit 11 Eigenkompositionen und dem Dylan-Cover »Don’t Think Twice, It’s Alright« auf. 20 Jahre bestand die Zusammenarbeit, führte zu weiteren 12 Alben, endete 1987 mit Nummer 14 »Foundations«. Er begann früh seine Elektro-Experimente auf der Gitarre, mit Fuzzbox, Phase-Shifter & Echoplex, einer variablen analogen Laufzeit-Verzögerung. Aufgrund seines Talents und Offenheit für viele andersartige einheimische und fremder Musikstile war er beliebt, geschätzt und bekannt bei vielen seiner Kollegen. Schon »The Tumbler« (12-1968) wurde von Al Stewart produziert. 1969 lernte er Folk-Singer-Song-Writer Beverly Kutner kennen, sie heirateten schnell, der zweijährige Wesley wird adoptiert und 1971 ihre Tochter Mhairi geboren, traten zusammen auf und nahmen als Duo sofort »Stormbringer« (02-1970) gemeinsam auf. Schon bei der Veröffentlichung ihres zweiten Albums »The Road To Ruin« (11-1970) wurde klar, dass ihre musikalischen Ziele nicht übereinstimmten. John war mit konventioneller Duo-Musik unzufrieden, suchte weiter nach seinem eigenen Stil und Markenzeichen. Beverley schreibt in ihrer Autobiographie »Sweet Honesty – The Beverley Martyn Story« (2011) in neun Kapiteln von ihrem Leben 1947 bis 2010 und natürlich auch wie sie sagt über die schwierigen 10 Jahre mit dem Mann der seine Karriere auf ihren Knochen aufgebaut hat. Über Martyn’s etwas andere Sicht und auch über die wechselhafte Karriere des Kämpfers gegen Dämonen, gibt es auch verschiedene nach seinem verfrühten Tod 2009 (mit 60 Lebensjahren) veröffentlichte Druckwerke, zuletzt »Small Hours: The Long Night Of John Martyn« (2020). Beverly hat gnädiger Weise bis nach dem Tod von John mit ihrer ehrlichen Biografie gewartet.

B Martyn: Where the Good T A

B & J Martyn: Stormbringer (70)

B & J Martyn: Road To Ruin (70)
Simon Nicol & Dave Pegg (Herzberg Fest 2015)

Danny & John – Er arbeitet nun wieder ohne Einmischungen Solo und diese Phase zwischen 1973 bis Ende der 70iger, mit dem nun sehr typischen Spiel und Gesang sowie Martyn’s besonderen Finger- und Zupf-Techniken auf akustischen Gitarren (teils mit Stahlsaiten und Effektgeräten), ist das zentrale Filetstück des britischen, rockigen Liedermachers. »Bless The Weather« (11-1971) mit Gast Beverley und in nur 3 Tagen im Studio aufgenommen, »Solid Air« (02-1973), »Inside Out« (11-1973), »Live At Leeds« (1975) mit Gast Paul Kossoff, »One World« (11-1977), »Grace & Danger« (10-1980), allesamt Meisterwerke, aber die Masse der Musikfans nicht erreichte. Kontra-Bassist Danny Thompson ist in dieser Phase fast immer an seiner Seite, aber temporär auch Richard Thompson, Chris Wood, Steve Winwood, Rabbit Bundrick, Lee Scratch Perry, Dave Pegg, Phil Collins und viele Brit-Stars mehr, später sogar auch David Gilmour. Typisch für seine Stimmung in dieser Zeit ist das düstere Album »Solid Air«, mit dem gleichnamigen Titelstück das seinem in der Zeit tragisch verstorbenen Freund Nick Drake gewidmet ist. Jeder Musikfan der sich für außergewöhnliche Gitarren-Musik interessiert, dem lege ich die vorher genannten Werke dieser Phase warm ans Herz. John’s starrsinniges Durchhaltevermögen und seine dämonischen Visionen haben sich gelohnt und uns vokal gestützte Gitarren-Perlen für die Ewigkeit hinterlassen.

John Martyn: Solid Air (1973)

Martyn: Grace & Danger (1980)

John Martyn: One World (1977)

Phil & John – In einer dreijährigen Studiopause zwischen 1973 bis 1977 tourte John mit wechselnden Gästen ausgiebig. Versuchte auch ein selbstproduziertes Live-Album zu vermarkten, aber auch um in einer Auszeit seine zunehmenden Alkohol- und Drogenprobleme zu kurieren. Das minimalistisch, jazzige Comeback »One World«, bei dem Steve Winwood maßgeblich mitwirkte, ist ein solider Neustart, brachte Martyn auch den Titel Father Of Trip Hop ein. Nach einer weiteren langen Pause ist zwar »Grace & Danger« anders, aber ein ebenbürtiger Nachfolger. Das Album und besonders der Song »Sweet Little Mystery« war der Versuch der Verarbeitung der schmerzlichen Trennung von Beverly Kutner. Mit dem Produzenten und Mitmusiker Phil Collins hatte er hier einen echten Leidensgenossen, denn Frau Collins hatte auch mit Phil fertig. Für diese prägende Zeit kann ich den Rockpalast-Mitschnitt »The Man Upstairs: In Concert In Germany 1978« (2007) vom 17. März 1978 im Audimax der Universität Hamburg empfehlen. Mehr Details siehe im Rockpalast-Archiv !!

J M: The Church With One Bell

J M: I’d Rather Be the Devil (09)

John Martyn: The Essential (13)

Annie & John – Die 80er Jahre gingen weiter mit zwei recht erfolgreichen aber musikalisch durchschnittlichen Warner-Alben »Glorious Fool« (1981) und »Well Kept Secret« (1982) mit einer deutlichen, typischen Phili-Pop Handschrift. Martyn heiratet 1983 ein zweites Mal, Annie Furlong, die verstirbt bereits 1994. Die 90er Jahre bei Permanent Records plätschern dahin und die Arbeiten für Alben kommen und gehen, hinterlassen kaum bleibende Spuren in der Musik-Landschaft. Allen VÖ durchgängig gemein ist aber weiterhin der besondere Stil in der Instrumentierung und dem Gesang. Das heißt John hat endlich nach 30 Jahren seine Markenzeichen gefunden, aber kommt aus dieser eingefahrenen Spur nicht mehr raus. Aus dieser Phase gibt es mit Gast David Gilmour einen interessanten Mitschnitt aus dem Shaw Theatre, London vom 31. März 1990 als »Live« (1995). Später wurde das Doppel-Album noch mehrfach auf anderen Labeln VÖ, zuletzt als »Classics Live« (2004).

Teresa & John – Auch die Zeit nach dem Tod seiner zweiten Frau Annie hat viele interessante Aspekte. Martyn konnte eine neben seiner Wohnung gelegene alte Kirche kaufen, in der er seitdem mit seiner neuen Partnerin Teresa Walsh lebte. In dieser Zeit entsteht in einem Glasgower Studio das gute, ebenfalls unbeachtete, aber für ihn ungewöhnliche Album »The Church With One Bell« (Independiente, 1998). Zehn ungewöhnliche Cover-Songs jedoch durch seine unverwechselbare Handschrift geprägt. Die Spannbreite geht von den frühen US-Blues-Cracks, über Randy Newman, Rick Danko, Ben Harper, bis Dead Can Dance und Portishead. Kumpane Phil Collins regte in der Folge an, auch wegen der Erfolglosigkeit, die Vorgehensweise beim Komponieren zu ändern, neue Stücke mit Tastengeräten anstatt seiner Gitarre zu komponieren. 2000 veröffentlichte er auch bei Independiente das auf dieser Basis erarbeitete Album »Glasgow Walker«, mit einigen melancholischen, sanften, nicht so sperrigen Stücken und das Werk wird von den Kritikern gut aufgenommen, mehr nicht.

John Martyn: Promo_4

Elisabeth & John – Martyn gründete Ende der 90iger auch sein eigenes Label One World Records (Mutterlabel: Voiceprint). Dort veröffentlichte der bereits sehr vom Leben gezeichnete und mit gesundheitlichen Problemen kämpfende John in den nächsten 2000er Jahren eine ganze Reihe von Konzert-Mitschnitten und Kompilationen. Hier sind das Doppel-Alben »Classics« (2000) und die Box »I’d Rather Be The Devil« ‎(2009, 6CD+2xDVD, beinhaltet auch Classics und Classics Live) zu erwähnen. 2003 musste ihm 55-jährig wegen einer Zyste der rechte Unterschenkel amputiert werden, so dass er nun nur noch im Rollstuhl sitzend auftreten konnte. Mit »On The Cobbles« kommt 2004 dennoch ein akustisches Album mit neuem Material, John Martyn’s letztes Album zu Lebzeiten. Vor seinem Tod hatte er mit den Arbeiten an einem weiteren Album mit neuem Material begonnen, »Heaven And Earth« (2011) wurde dann posthum von den beteiligten Musikern fertiggestellt. Iain David McGeachy aka John Martyn war nicht der sehr gesund lebende Mensch und Musiker, unabhängig von seiner skurrilen Lebensgeschichte und dem ruinösen Leben. Rauchen, Alkohol, Drogen, Tabletten, Lebenswandel hinterlassen mehr oder weniger Spuren bei jedem Menschen. Er hatte es dann am 29. Januar 2009 hinter sich, stirbt im Alter von nur 60 durch eine doppelseitige Lungenentzündung im irischen Krankenhaus in Thomastown. Zu Neujahr 2009 wurde Martyn durch Königin Elisabeth II. zum Officer Of The Order Of The British Empire ernannt. Leider konnte er den Orden, selbst im Rollstuhl, nicht mehr abholen, und auch der Weltruhm blieb aus.

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