Momentan alles klar, hat Paul Francis auch bis zuletzt gedacht, leider falsch
Wieder so ein aufstrebender virtuoser britischer Gitarrist, wieder so eine tragische Geschichte, diesmal heißt der Kandidat Paul Francis Kossoff aus London. Er ist der Sohn des britischen Charakterdarstellers David Kossoff. Bei einem so jungen Musiker, der früh bei so vielen musikalisch schwergewichtigen Stationen erfolgreich in die Stahlsaiten gegriffen hat und bereits nach knapp 25 Lebensjahren stirbt, kann man sicher wieder einmal von Tragödie sprechen. Wenn man dann auch noch einige andere Namen erwähnt und im Zusammenhang bringt, ist man im ersten Moment etwas irritiert: Nick Drake, Gary Thain, John Martyn, Paul Kossoff, alles Musiker die Anfang der 70iger direkt untereinander Kontakte hatten, man könnte sogar sagen weitestgehend gut befreundet waren. Kossoffs Spielweise war eng verwandt mit dem frühen bluesigen Eric Clapton. Im Gegensatz zu vielen vergleichbaren Gitarristen im Feld des englischen Blues-Rock der späten 60iger, verzichtete Paul Kossoff meist auf überlange sowie auf reine Demonstration seiner Virtuosität angelegte Solo-Einlagen. Seine melodische, atmosphärische, lyrische Gitarrenarbeit zeichnet sich zumindest in der Zeit von Black Cat Bones und Free durch eine songdienliche Spielweise aus, die oft mit wenigen Noten die Grundstimmung eines Themas klangtechnisch umreißt. Eine besondere Spezialität war das sehr gefühlvolle Vibrato, das seinen Solistischen Gitarrenlinien eine nahezu gesangliche Ausdrucksstärke verlieh.
Paul Kossoff (Front-Gitarre) und Schlagzeuger Simon Kirke gründeten Mitte der 60iger zusammen mit Tieftöner Stuart Brooks und seinem Bruder Derek Brooks (Rhythmus-Gitarre) im Kern die Blues-Rock-Band Black Cat Bones, benannt nach einem Zitat aus dem Muddy-Waters-Blues Hoochie Coochie Man. Zusammen mit dem Sänger Paul Tiller übten die jungen Musiker 1967 im Haus vom Schlagzeuger Frank Perry und nehmen einige Lieder mit einfachen Amateurgeräten auf. Auch Paul Rodgers ist auf dem Titel »I’m Ready« bereits zu hören. Die 15 Stücke sind auf dem Doppeldecker »Paul’s Blues« (2008, Sunbeam Records) VÖ worden, sind somit die ersten Ton-Konserven des jungen Kossoff. Im Frühjahr 1968 stießen Paul, Simon und Stuart zur Tournee-Band des Blues-Interpreten Champion Jack Dupree. An dessen Album »When You Feel The Feeling You Was Feeling« (April 1968) waren sie dann als Begleit-Musiker beteiligt. Hierdurch lernte Kossoff den englischen Bluesmusiker Alexis Korner kennen, der ihn wiederum mit dem Bassisten Andy Fraser und wieder mit dem Sänger Paul Rodgers zusammenführte. Beim offiziellen BCB-Debüt »Barbed Wire Sandwich« (1970) arbeitete schon eine ganz andere Truppe an den Instrumenten, nur noch die Brooks-Brothers waren mit dabei. Einzig der neue Frontmann Rod Price konnte sich später noch das Highlight als Mitgründer von Foghat in die Musik-Geschichtsbücher schreiben.
Zufällig war Gitarrist Paul Kossoff auch mal bei einem Auftritt der Londoner Band Brown Sugar vom Gründer und Frontmann Paul Rodgers (Gesang, Gitarre, Tasten) im Publikum und sofort war die Idee geboren mit Simon Kirke, Rodgers und eben Andy Fraser (Bass) irgendwann eine neue Blues-Rock-Band zu gründen. Dem Grand Seigneur und Ziehvater des britischen Blues Alexis Korner kam das zu Ohren, gab den Segen und den Namensvorschlag Free in Anlehnung an seine Trio-Formation mit Pianist Steve Miller und Robert Plant namens Free At Last, später wurde daraus New Church. Alexis traf sogar so genau ins Schwarze, das das vierte Album der dann neu formierten englischen bluesigen Rock-Combo Free, die hatten mit »All Right Now« 1970 ihren größten Single-Hit, dann später sogar als Verbeugung vor dem weißen Blues-Meister auch »Free At Last« (1972) hieß. Paul Kossoff gehörte der Band bis 1972 als festes Mitglied an und auf deren Abschiedsalbum »Heartbreaker« wirkte er zumindest noch als Gast-Musiker mit. Wie in dieser Zeit noch üblich, wurde Erfolg hauptsächlich an Hits und Chart-Platzierungen gemessen, die sie mit ihrem größten Hit »All Right Now« vom Album »Fire And Water« (1970) zwar hatten, aber dennoch nicht ausreichte das Feuer nahe dem Wasser am lodern zu halten. Der Verdienst dieser großartigen, äußerst unterbewerteten Blues-Rock-Band sind die kompositorischen und spieltechnischen Fähigkeiten. Deren gesamtes Material der Band gehört ähnlich wie bei Led Zeppelin zum zeitlosen Vermächtnis des klassischen, britischen Rock. Schon früh 1973 löste sich leider die Band Free wieder auf.
Paul Rodgers gründete Peace, Paul Kossoff brachte direkt erst einmal sein erstes Solo-Album »Back Street Crawler« (1973) heraus. Dieses schnelle Album war in sich stilistisch und personell etwas uneinheitlich aufgebaut. Aufgrund seiner Erfahrungen in einem Band-Gerüst arbeitete er hier erst mal lose mit verschiedenen Session-Musikern zusammen. Etwa dem gelegentlichen Free-Helfer John „Rabbit“ Bundrick (Keyboards), dem Yes-Schlagzeuger Alan White sowie dem von Brian Auger, Jeff Beck, Hummingbird bekannten Basser Clive Chaman. Die überwiegend instrumental gehaltenen Stücke bestehen zumeist aus einfachen Riffs und Hooklines, über die Kossoff diesmal ausschweifende Improvisationen aufbaut. In der Deluxe-Ausgabe gibt es sechs weitere Versionen vom Titel »Tuesday Morning« auf CD1 und weiteren neun Titel auf CD2, inklusive den 40-minütige Monster-Jam-Blues »Time Away«. Bei diesem Jumbo-Track und zwei weiteren kürzeren (»May You Never«, »Leslie Jam«) ist sein Gitarren-Partner kein geringerer als eben Jugendfreund John Martyn. Paul hat dann im Gegenzug auch bei mehreren Projekten von John Martyn mitgewirkt, beispielsweise bei »Live At Leeds« (1975). Aber auch »I’m Ready« aus Zeiten von Black Cat Bones ist wieder mit drei Versionen dabei. Zu diesem ebenfalls immer an der Kante lebenden Künstler John Martyn gibt es demnächst einen weiteren interessanten Beitrag. Kossoff und Simon Kirke formieren dann auch noch das kurzzeitige Quartett Kossoff, Kirke, Tetsu & Rabbit, das 1972 nur ein selbstbetiteltes, aber gutes Album herausbrachte. Kossoff unterstützt auch bei Amazing Blondel und Jim Capaldi, er war halt zu dieser Zeit sehr gefragt.
Paul Rodgers und Simon Kirke gründeten bald danach das stilähnliche und ebenfalls erfolgreiche Blues-Rock-Quartett Bad Company. Sie werden ebenso erfolgreich und berechtigt immer im gleichen Atemzug mit Free genannt. Aber das ist eine ganz andere Geschichte. Andy Fraser (Bass), der die Band bereits 1972 verlassen hatte, schloss sich zuerst The Sharks an, veröffentlichte in den folgenden Jahren mit ihnen drei unbeachtete Solo-Alben, arbeitete unter anderem auch als Komponist für den Blues-Rocker Frankie Miller und war bis zu seinem Tod im März 2015 weiter als Musiker sehr aktiv. Mitte der 70iger gründete der nun gereifte Paul Kossoff mit einigen unbekannteren Musikern die gleichnamige Band Back Street Crawler, mit der er zwei gute Alben (1975: »The Band Plays On«, 1976: »2nd Street«) veröffentlichte und mit denen auch fleißig tourte. Posthum erschien 1977 »Koss« (1982 auf CD), rare Studioaufnahmen mit Free und 4 Live-Titel. Die aktuell erschienene 4CD-Box »Atlantic Years 1975-1976« beinhaltet die beiden klanglich aufbereiteten Studio-Alben die damals für Atlantic Records aufgenommen worden sind sowie zwei Konzertmitschnitten aus Croydon (1983: Live At Croydon Fairfield Halls 15/6/75) und Los Angeles. Nach dem Tod Kossoff’s geht es weiter, Namensänderung zu Crawler.
Kossoff’s angegriffene Gesundheit war in den letzten Jahren seines kurzen Lebens stark von seiner massiven Drogenabhängigkeit (Mandrax) gezeichnet. Er starb früh am 19. März 1976 im Alter von 25 Jahren auf einem Flug von Los Angeles nach New York aufgrund von Herzproblemen, vermutlich als Folge von massig Drogen-Konsum. Seinem Sohn zu Ehren gründete sein Vater David Kossoff die Paul-Kossoff-Foundation, mit der er die Drogenproblematik aktiv bekämpfte. Ein Tribut an den verstorbenen Kossoff gab es am 24. März 1976 in Santa Monica. The Sweet befanden sich auf einer US-Tournee, bei der Back Street Crawler ursprünglich als Support auftreten sollten. Sie spielten gemeinsam mit Ritchie Blackmore, der sich im Publikum befunden hatte, zu Ehren von Kossoff den Free-Song »All Right Now« (das Lied war auch im Repertoire von Queen & Paul Rodgers).
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