The Hammersmith Gorillas

Jesse Hector wurde 1947 in Kilburn Nordwest London geboren.
Er liess sich schon bald einmal von dieser neuartigen wilden neuen Musik aus Übersee mitreissen, Skiffle, Rock’n’Roll und R&B bedeuteten dem jungen Sänger und Gitarristen alles, kein Wunder hatte er zu Beginn der 60er früh seine eigenen Bands, The Cravats und The Rock And Roll Trio, spätere, meist kurzlebige Gruppen nannten sich The Way Of Life und The Mod Section. Gemäss eigener Aussage liess sich Jesse nie auf das grosse Business ein, er kam von der Strasse, aus der Arbeiterklassen, von dort wo sich Rocker und Mods in den Sixties Strand- und Strassenschlachten lieferten, das Ziel sei nie gewesen sich in einem fetten Rolls Royce herum chauffieren zu lassen.

So weit so gut, eine unscheinbare Showbusiness-Karriere also die tausend andere Enthusiasten auch durchlebten, bei Jesse Hector verschob sich 1969 die musikalische Basis dann allerdings massiv, sie geriet sozusagen in Schräglage: Crushed Butler mit Drummer Darryl Read und dem Bassisten Alan Butler kann man im Nachhinein durchaus zu den Vorläufern des (britischen) Punkrocks zählen. Die 1969 in den Regent Sound Studios angefertigten und erstmals 1998 veröffentlichten Aufnahmen sind ein krachendes Statement, sozusagen ein akustisches Bindeglied zwischen Blue Cheer, MC5 und den Sex Pistols. Kopfvoran durchs geschlossene Garagentor, Crushed Butler klangen ganz schön kompromisslos. Irgendwer aus dem Umfeld von Crushed Butler empfahl die Band dem Manager Peter Grant, aber der lehnte ab, er hatte seit kurzem Led Zeppelin am Angelhaken.

Crushed Butler verwandelten sich nach einer Zwischenphase als Helter Skelter (Recording Session 1971, Regent Studios) in The Hammersmith Gorillas, auch hier agierte wieder die bewährte Hector/Butler-Achse, der neue Drummer hiess Gary Anderson. Die Musikszene war gemäss Jesse langweilig geworden, die Hippies mit ihren langen Haaren standen stundenlang regungslos auf der Bühne und spielten endlose Improvisationen, das ödete ihn mächtig an, Crushed Butler und The Hammersmith Gorillas waren eine Reaktion auf diese Entwicklung. Optisch veränderte sich Jesse ebenfalls, er stutzte die Haupthaare, liess sich dafür gigantische Backenbärte spriessen und kleidete sich in bunte Klamotten, oft in Kombination mit Schnürstiefeln. Die Band wurde, nachdem sich Slade des ungeliebten Skinhead-Images entledigt hatte und Rod Stewart sich allmählich in der Oberliga etablierte, zu einer Ikone der Skinheads und Fussballhooligans, zumindest im Grossraum London. Die Musik der Hammersmith Gorillas blieb scharf und manchmal unberechenbar, wenngleich sie sich jetzt manchmal auch etwas dem angesagten Glamrock annäherte, Rhythmik und oft kurze Songs hatten sie eh gemeinsam.

Der erste offizielle Tonträger der Hammersmith Gorillas erschien 1974 (UK: Penny Farthing / D: Bellaphon), die von Larry Page (Kinks/Troggs) produzierte Single mit dem Kinks-Cover „You Really Got Me“ wurde pünktlich zum zehnten Geburtstag des Songs veröffentlicht. Jesse war diese Reminiszenz an seine Idole und ihre perfektionierten 3-Griff-Songs immens wichtig, er gab sich in Anlehnung an Ray Davis manchmal auch als Ray Hector aus. 1976, im offiziellen Geburtsjahr des Punks, veröffentlichten The Gorillas (wie sie sich jetzt verkürzt nannten) beim Label Chiswick mit „Gatecrasher“ und „She’s My Gal“ zwei weitere Kurzrillen. In diesem Jahr hatten sie auch in Frankreich, südlich von Bordeaux zusammen mit The Damned und Eddie And The Hot Rods einen Auftritt beim Mont-de-Marsan Punk Festival.

Die erste und einzige Langspielplatte der Gorillas erblickte 1978 das Licht der Welt, zu einem Zeitpunkt als Punk schon fast wieder Geschichte war. Message To The World, veröffentlicht beim Independent-Label  RAW Records, ist ein äusserst unterhaltsamer Ausflug in die rudimentären und geerdeten Gebiete der Rockmusik.

Eröffnet wird der Reigen von einer rohen Version von Hendrix‘ „Foxy Lady“ (auch das eine Huldigung, Jesse hatte den Meister 1969 im Studio kennengelernt), nachfolgende Songs wie „I’m A Liar“, „I Need Her“ oder „New York Groover“ tangieren dann eher die rüdere Seite, irgendwo zwischen Rock’n‘Roll, Punk und Powerpop, im Prinzip immer nach dem Motto „wer mehr als drei Griffe braucht hat versagt“. Den Ausreisser bildet dann das schon beinahe epische viereinhalbminütige „Message To The World“, ein irrer Querschläger der zwischen zwischen Ballade, Glam- und Spacerock pendelt, Jesse hantiert hier mit seinem extrem gefährlichen (aber tollen) Vibrato in der Stimme herum. Die LP ist im Nachhinein angehört ausgezeichnet, wirkt ungeschliffen und naturbelassen. Vor allem „live“ war die Band eine Wucht sagen zeitgenössische Stimmen aus, Jesse Hector muss ein unglaubliches Energiebündel gewesen sein, er selber war ganz einfach de Meinung, dass man sich bei Rock’n’Roll bewegen müsse.

1981 kehrten die Gorillas für die 45er „Move It“ zurück zu Chiswick.
Kurz darauf kam Alan Butler bei einem Reitunfall ums Leben, es war das Ende der Gorillas,
ohne seinen langjährigen Freund und Sideman mochte Jesse Hector die Band nicht weiter betreiben.

Jesse Hector & The Sound und The Gatecrashers hiessen dann die weiteren Stationen bis 1993. Danach war bis auf wenige Auftritte Schluss für Jesse Hector, seine Aussage „weshalb sollen sich alte Männer vor 16jährigen produzieren“ ist ein ganz schön starkes Statement.

Jesse Hector wurde zu einer legendären Figur des englischen Punkrocks, er gilt als der Kerl der nie seine Seele verkauft hat. Und nicht ohne Stolz erwähnt Jesse gerne auch, dass er dreissig Jahre lang als Reinigungskraft bei der Royal Geographic Society gearbeitet hat, ein durch und durch sympathischer Geselle.

2008 produzierte die Schauspielerin Caroline Catz (man kennt sie vielleicht in ihrer Rolle als DI Helen Morton bei Inspector Banks) unter dem Titel Message To The World einen Dokumentarfilm über das Leben von Jesse Hector.

Die Übersicht über Musik die Jesse Hector im Laufe der Jahrzehnte aufgenommen hat zu behalten ist nicht ganz einfach, es sind wie geschrieben unzählige Bandprojekte die oftmals nichts oder nur gerade eine Single als Spur hinterlassen haben. Manchmal tauchen auch abenteuerliche Bootleg-Aufnahmen auf, es gehört eben zum Kult um die Person Jesse Hector, dass man auch seine frühesten Rock’n’Roll-Versuche zu ergründen versucht.

Jesse Hectors vielsagender Gruss in den Linernotes zu Message To The World:

God Bless Everybody!
How will I ever forget, Elvis Presley, Eddie Cochran,
Buddy Holly, Brian Jones, Marc Bolan and Jimi Hendrix.

LONG LIVE PUNK’N’ROLL!
mellow

 


Gorillas – Message To The World
(LP, 1978, RAW Records / CD, 2013, Damaged Goods Records)
1. Foxy Lady
2. I’m A Liar
3. I Need Her
4. Going Fishing
5. New York Groover
6. Outa My Brain
7. Wainting For You
8. No Way In
10. Message To The World
11. It’s My Life
12. My Son’s Alive
13. I’m Seventeen

Weitere Tonträger:


Gorilla Got Me
(1999, Big Beat)


Jesse Hector – Gorilla Garage (2005, RPM)


Crushed Butler – Uncrushed
(2005, RPM)


Jesse Hector – Running Wild (CD, DVD, 2014, RPM)


Helter Skelter – I Need You (7″, 2018, JAW)

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