Beat Fräuleins (Teil 5)

O mein Gott, man reiche mir bitte auf der Stelle die Rolle mit dem roten Teppich, ich möchte ihn ausbreiten für eine ganz wunderbare Künstlerin, meine seeeehr vereeeehrten Damen und Herren, ich präsentiere Ihnen, die unvergleichliche und einzigartige Sängerin, Musikerin, Komponistin und Produzentin SUZANNE DOUCET

Gütiger Kerl da oben jenseits der Wolken, das worüber ich hier gestolpert bin das ist ganz einfach unbezahlbar, eine Stimme der Extraklasse und das schon in jungen Jahren, Lieder vom Feinsten mit in späteren Jahren wunderschön tief gelegter Laidback-Gefühlswelt, so intensiv, dass es einfach nur eine Freude ist!

Suzannes Talent scheint ein Wiegengut zu sein, die dänische Grossmutter Helen von Münchhausen hatte einen Auftritt in Fritz Langs Filmepos Metropolis, ihre gleichnamige Mutter war ebenfalls Schauspielerin und Synchronsprecherin. Die 1944 in Tübingen zur Welt gekommene Suzanne (ihr Papa war übrigens der Psychologe Friedrich-Wilhelm Doucet, ein Schüler von C. G. Jung), wuchs international auf, besuchte Schulen im Deutschland und Frankreich und landete anfangs der 60er im schweizerischen Ascona wo sie als technische Zeichnerin und Malerin arbeitete. Irgendwie führte der Lebensweg die talentierte Künstlerin dann 1963 auch ein erstes Mal in ein Tonstudio. Bis zur ersten LP anno 1966 entstanden mehrere Singles die man locker dem Genre Deutsch gesungener Beat zuordnen könnte, man stösst hier eigentlich auf keine Ausfälle, sowas wie das speedige „Okay, ich geh“ oder der Easy-Listening-Trompeten-Beat  bei „Geh nicht am Glück vorbei“ haben ganz einfach Charme.

Ganz grosses Kino auch  die B-Seite der Single „So So Long“, das von Michael Holm (ja, DER Tränen-Michael) getextete “Oho Aha“, furioser Powerpop mit kreischendem Farfisa-Orgel-Solo oder aber auch das cool rockende mit leicht schräger Stimme vorgetragene „Du musst dich entscheiden“ von Heider/Loose.


Mit der ersten LP streifte Suzanne das Beat-Fräulein-Image ab, das Album Rot wie Rubin von 1966 zeigte die Künstlerin bereits als gereifte Liedermacherin und Protestlerin mit akustischer Klampfe. Den folgenden Seiltanz zwischen Schlager, Chanson, Pop und Folk meisterte die Sängerin mit Bravour, als Beweis möchte ich hier auch das betörende Duett „Das Geld“ erwähnen das Suzanne mit dem schauspielernden und singenden Kollegen Thomas Fritsch 1967 sang, ein Titel der scheinbar nie auf Vinyl verewigt wurde. Nebenbei wurde Suzanne auch noch Schauspielerin und Moderatorin, u.a. bei der Schweizer TV-Show Hits A Go Go an der Seite von Hardy Hepp. Ja, DER Hardy, Gründer der ersten Zürcher WG und späteres Krokodil, zusammen präsentierten sie beispielsweise einen Auftritt von The Nice. Witzig wie „volksnah“ ein späterer Superstar wie Keith Emerson da noch war, der Organist mit dem Messertick liess sich nach dem Auftritt brav von der Jungmoderatorin interviewen.

Suzanne Doucet trat auch immer häufiger auf der anderen Seite der Aufnahmeräume in Erscheinung, sie gilt als erste weibliche Musikproduzentin in Deutschland. Texte schrieb sie nicht nur für sich selbst, sie fanden auch Anklang bei Udo Jürgens, Katja Ebstein und anderen.

Weshalb die bei Metronome und Liberty erschienen Alben (darunter auch die LP International von 1969) und Singles bislang noch nie neu aufgelegt wurden ist mir ein Rätsel, auf ein paar wenige Titel aus den Sixties stösst man einzig auf der Best-Of-CD Wo sind all die schönen Jahre (2010, Sireena).

Ab Mitte 70er, nach der LP In Essig und Öl, packte sie das Reisefieber, ihre passenden Lieder dazu erschienen 1980 im Eigenverlag auf einer gleichnamigen LP. 1983 liess sie sich zusammen mit ihrer Tochter in Kalifornien nieder, heiratete ein zweites Mal und veröffentlichte ab da in erster Linie esoterische Instrumentalmusik, sprich New Age Music.

 

Die Crazy Girls.

Crazy, ziemlich crazy was der Sänger, Pianist und Bandleader Paul Kuhn da realisiert hatte.
Er verpasste 1963 den drei Sängerinnen Rosi Rohr, Gretel Kästel und Ans Plevier die sich beim Botho-Lucas-Chor kennengelernt hatten den Namen Die Crazy Girls und schickte sie zusammen mit der holländischen, aus Java stammenden Band The Javalins ins Studio. Das Resultat der Session war die krachende Debut-Single „Hey hey, ha ha“ mit Scat-Vocals auf der A-Seite und „Joe, der Gitarrenmann“ (ein Cover von Duane Eddys „Dance With The Guitar Man“) mit gesungenem Text auf der B-Seite. Es folgte eine zweite Kurzrille in derselben Kombination, „Lass sie reden“ von 1964 war nicht schlecht, die B-Seite „Hully Gully Hop (The Martian Hop)“ dagegen eher ein Ausfall.

1965 gingen Die Crazy Girls ohne Hilfe der Javalins in die Offensive und sprengten gleich drei tolle Singles aus dem Granit. Den Anfang machte „Lass dir Zeit“ ein abgefahrenes Vocal-Cover von „Walk Don’t Run“, auf der Rückseite der wunderbare Kuhn-Track „No Words Slop“. Und wie es der Titel schon andeutet, auch hier kamen die Crazy Girls wieder ohne Worte aus. Für mich ist „No Words Slop“ die Kernmaterie in der überschaubaren Diskografie der Crazy Girls, das ist, wie es auch die klasse Plattenhülle transportiert, ein berauschendes Konglomerat aus Schweiss und pulsierender und mitreissender Beatmusik!

Auf die Single „Der Feuerstuhl“, ein Cover von „Leader Of The Pack“ mit der Flipside „Das geht niemand etwas an“ folgte schon bald der Schwanengesang „Uns’re Welt ist die grosse Stadt“, ein faszinierend aufgebauter groovy Easy-Listening-Killer von dem ich bislang erst ein Teilfragment kenne.

Danach wurde den Crazy Girls leider der Strom abgedreht.
Schade eigentlich, mit solch starken Songs im Rücken, einem geschickten Management und durchdachtem Marketing hätten die verrückten drei Mädchen eigentlich wie Raketen in den Nachthimmel abgehen müssen. Aber eben, irgendwas war da brutal schief gelaufen.

Was aus Gretel Kästel wurde liess sich nicht in Erfahrung bringen.
Rosi Rohr begegnet man wieder bei den Rosy Singers.
Ann Plevier starb 2011.
Paul Kuhn starb 2013.

mellow

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