Ladi Geisler

Ladi Geisler hat wahrscheinlich jeder schon mal gehört der sich mit Musik beschäftigt, allerdings unbewusst, denn Ladi war ein Musiker der zumeist im Hintergrund wirkte. Kürzlich stiess ich auf ihn auf einer Single von Bert Kaempfert And His Orchestra die ich aus einer Grabbelkiste gezogen hatte.

„The Moon Is Making Eyes“, die tolle Loungecore-B-Seite der 65er-Kurzrille „Moon Over Naples“ (die textlose Grundversion des späteren „Spanish Eyes“ von Al Martino der 1966 einen Riesenhit damit landete) hatte es mir auf der Stelle angetan, der Tandem-Sound der perfekt mit dem Bass harmonierende Gitarre ging mir nicht mehr aus dem Ohr und ich begann mich augenblicklich näher mit dem dafür verantwortlichen Musiker zu beschäftigen.

Der 1927 in Prag geborene Miloslav Ladislav „Ladi“ Geisler (der Vater eigentlich Österreicher, die Mutter Tschechin, die deutsche Staatsbürgerschaft erhielt die Familie wegen eines Eintrages aufgrund einer Volkszählung von 1930, obwohl er kein Wort Deutsch sprach musste Ladi nach der Annexion durch Deutschland im Jahr 1939 eine Deutsche Schule besuchen) sammelte schon als Kind musikalische Erfahrungen, den Anfang machte er mit Geige und Trompete. Gegen Ende des Zweiten Weltkrieges wurde er von der deutschen Luftwaffe eingezogen, nach kurzer Ausbildungszeit hätte er einen Jagdjet des Typs Heinkel He 162 steuern sollen; gemäss Ladi Geisler war das Flugzeug ein primitiv zusammengenageltes Ding, „die meisten von uns verunglückten damit“ sagte er mit eigenen Worten. Dazu kam es aber im Fall von Ladi nicht mehr, glücklicherweise zogen britische Truppen den jungen Mann aus dem Verkehr bevor er Unheil anrichten konnte (respektive als Kanonenfutter endete), er erlebte dann das Kriegsende in einem dänischen Kriegsgefangenenlager. Dort beschaffte sich der technisch begabte Beinahe-Kampfpilot zwecks Bekämpfung der Langeweile eine Gitarre und studierte der Legende nach die Gitarrentechnik von Oscar Moore, dem Gitarristen des Orchesters von Nat King Cole. Zusammen mit dem Akkordeonisten Horst Wende den er im Lager kennenlernte, gründete er noch in Gefangenschaft eine Band.

Nach der Entlassung aus der Gefangenschaft (Ladi hatte die Wahl Deutscher zu bleiben oder wieder Tscheche zu werden, er blieb aufgrund von Versprechungen wie „nie wieder Waffen auf deutschem Boden“ Deutscher Staatsbürger, in der Tschechoslowakei wäre der 18jährige wieder beim Militärdienst gelandet und darauf hatte er absolut keine Lust) setzten die beiden Musiker ihre musikalische Partnerschaft fort und unterhielten in der Tarantella-Bar in St. Pauli das Publikum mit gerade angesagten amerikanischen Hits und selbstverständlich mit Swing und Jazz. 1955 kriegte Ladi Geisler eine Anstellung als Gitarrist beim NWDR-Tanzorchester, daneben war er nach wie vor Teil der Horst-Wende-Band. Er machte Bekanntschaft mit einem noch unbekannten Sänger den er schon bald im Studio begleiten sollte, der künftige Schlagerstar war kein Geringerer als Freddy Quinn. Wer es gerne überprüfen möchte: Saitentechnisch setzte sich Ladi beispielsweise beim Freddy-Titel „Heimweh (Dort wo die Blumen blühn)“ (1956, ein Cover von Dean Martins „Memories Are Made Of This“) ausgezeichnet in Szene. Es sprach sich herum, dass Ladi ein äusserst talentierter Musiker war, das Berufsleben verlagerte sich jetzt immer mehr ins Studio (an Aufnahmen war er bereits 1946 beteiligt, bei Evelyn Künneke mit kleinem Orchester), Ladi wurde von den grossen deutschen Plattenfirmen, allen voran Telefunken, Polydor, Ariola und Philips gechartert. Ein Orchesterkollege beim NDR, ein gewisser Hansi „James“ Last, verkaufte ihm eine gebrauchte Bassgitarre und schon bald sollte er auch auf diesem Instrument eine Koryphäe werden.

Zusammen mit dem Komponisten, Arrangeur und Orchesterleiter Bert Kaempfert entwickelte er den Knackbass-Sound, dabei wurden am Verstärker die Bässe zurückgenommen und dafür die Mitten und Höhen aufgedreht, es entstand der prägnante, griffige und elegante Sound der den Bass auch zum melodieführenden Instrument machte. „The Bass Walks“ (1963) von Bert Kaempfert ist diesbezüglich eine längst vergessene aber noch immer begeisternde und eindrückliche Demonstration dieses neuen Bassklanges, Loungetrash der Extraklasse!

Seit Mitte 50er entstanden unzählige Solo-Aufnahmen im damals angesagten Instrumentalsound, Ariola veröffentlichte die LP Happy Guitar (1963), Polydor im selben Jahr die Langrille Mister Guitar. 1965 erschien eine Kuriosität, die LP trug den seltsamen Titel Alte Kameraden Beaten zum Tanz, eine obskure Zusammenarbeit von Ladi Geisler und der Beatband Die Kettels. Wer weiss, vielleicht war das die Geburtsstunde des Krautrocks, ich bemühe mich derzeit darum die mir noch unbekannten Aufnahmen aufzutreiben.


Neben seinem Dauerengagement bei Bert Kaempfert und hunderten von Studiosessions für andere Künstler (z.B. Alexandra, Hildegard Knef, Christian Bruhn, James Last etc.), erschienen bei verschiedenen Labels weitere Geisler-Tonträger, vom Gitarrenlehrgang Ladi’Geisler’s Gitarren-Methode (1965) bis zu den feinen themenspezifischen Instro-Scheiben wie der mehrteiligen Reihe Guitar À La Carte bei Polydor. Diese Schätze wurden leider bislang noch nicht komplett gehoben, sie liegen teilweise noch immer im Schlick der Musikgeschichte begraben, einzig einige wenige Fundstücke fanden sich bisher in den Fischernetzen. Auch Bear Family Records hat in diesem Bereich die Tauchglocke schon einmal eingesetzt und neben dem Geisler-Werk der frühen 60er auch eine Compilation mit Titeln aus Guitar À La Carte gebaut (Those Were The Days), was jetzt noch fehlt in der Aufarbeitung sind die LP’s der 70er-Jahre. Die von von mir begutachtete LP Gipsy Songs (1970) ist ein furioser Gitarren-Spagat zwischen den Eckpunkten Jazz, Easy Listening und Instrumentalrock im Stile meiner von mir vergötterten Ventures, schlicht grossartiges Crossover-Kino. Ladi Geisler versuchte dabei sämtliche Klang-Spektren seiner Saiteninstrumente zu ergründen und zwar auf der ganzen Bandbreite, gezupft und geschlagen, akustisch klassisch, elektrisch klar, elektrisch verzerrt, bei Ladi gab es nie begrenzende Genre-Mauern, es gefiel was in den Gesamtkontext eines Liedes passte. Im Laufe der Jahrzehnte erschienen vermutlich um die 30 Langspielplatten unter dem Namen Ladi Geisler, Discogs listet offenbar nur einen Bruchteil davon auf.

Ladi Geisler blieb Bert Kaempfert und seinem Orchester stets treu, er stand für unzählige Aufnahmen im Dienste des Easy-Listening-Königs den er jeweils auch auf Tourneen begleitete. Die Musik von Bert Kaempfert mag (auch wenn die Melodien von „Strangers In The Night“, „Wunderland bei Nacht“, „Spanish Eyes“ oder „Danke Schoen“ Evergreens geworden sind) vielleicht nicht nach jedermanns Geschmack sein, aber eine so formidable Songkolletion wie A Swingin‘ Safari (1962) mit hochkarätigen Klassikern wie „Afrikaan Beat“, dem Titelsong, “Happy Trumpeter” oder “Tootie Flutie” sollte man sich wirklich einmal anhören, das ist von A bis Z ein grossartiger Smooth-Jazz, sozusagen ein Sgt. Pepper in der Sparte Easy Listening. Durchaus empfehlenswert ist auch der “Nachschlag” dazu, die LP Safari Swings Again von 1977.

Auch nach dem Tod des Weggefährten Bert Kaempfert im Jahr 1980 blieb Ladi Geisler dem Jazz treu, er war in der GEMA tätig, in den 90ern baute er sein eigenes Tonstudio auf und bis zu seinem Lebensende war der unermüdliche Jazz-Rentner für den es  zwischen Jazz und Unterhaltungsmusik keine Gräben gab, mit seinem Ladi Geisler Trio und weiteren Formationen unterwegs.

Ladi Geisler verstarb 2011 in Hamburg wenige Tage vor seinem 84. Geburtstag.


Links: Ladi Geisler / Rechts: Bert Kaempfert

LONG LIVE LOUNGECORE, KNACK-BASS & JAZZ-GUITAR!
mellow

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