The Lambrettas, benannt nach dem italienischen Kult-Roller, sind hierzulande so gut wie unbekannt, in England hingegen eine feste Grösse des Mod-Revivals von Ende 70er / Anfang 80er, der NME bezeichnete später ihren Debut-Longplayer Beat Boys In The Jet Age als „one of the best pop albums ever made“.
Eine typisch englische Übertreibung?
Nun, beim UK-Musik-Gazettenwald ist immer Vorsicht geboten, schliesslich hatten diese Blätter ein paar Jahre vor den Lambrettas auch die „Rollermania” aus dem Hut gezaubert und das war wohl einer der absoluten Tiefpunkte der englischen Musikgeschichte, bei der aus Lewes/East Sussex stammenden Band lagen sie aber nicht daneben:
Beat Boys In The Jet Age (1980)
ist ein wirklich brillantes Album.
1979 erschienen die ersten Lambrettas-Singles, 1980 folgte oben erwähnte erste LP. Der vorgängig ausgekoppelte alte Leiber/Stoller-Gassenhauer „Poison Ivy“ im eleganten aufgefrischten Ska-Gewand erreichte – unter anderem dank der Auftritte bei Top Of The Pops – Platz 7 in den Charts. „Da-a-a-ance“ die Nachfolge-45er – geschrieben von Jez Bird – schaffte es immerhin noch auf Rang 12. Das Herzstück der Lambrettas-Aufnahmen ist sicherlich das atemberaubende erste Album Beat Boys In The Jet Age von 1980, da präsentierten sie sich wirklich szenegerecht als „Modernisten“. Die 12 Powerpop-Songs sind bis ins kleinste Detail durchdacht, sind eine faszinierende Aneinanderreihung von Gitarre- und Bassläufen, glänzen mit überdrehten Breaks und werden gekrönt von Jez‘ Gesang. Die R&B-, Soul- und Rock-Anleihen sind im Gegensatz zu den meisten anderen Mod-Revival-Bands nur mehr schwer auszumachen, oder dann sehr gut getarnt. Der Album/Songtitel Beat Boys In The Jet Age ist eine hervorragende Umschreibung dieser Platte, ein Fingerzeig wie sich das Genre Mod weiterentwickelt hatte, oder wohin die Reise gehen könnte. Textlich begaben sie sich The Lambrettas nicht auf’s Eis, mehrheitlich hielten sie sich an bewährte Mod-Thematik, sprich das Leben eines Mods war normalerweise mehrheitlich auf die bekannten Weekend-Aktivitäten ausgerichtet. Der Ausreisser war „Another Day, Another Girl“ der sich um die berüchtigten Seite-3-Damen der Boulevard-Presse drehte, auf Befehl ihrer Record Company Rocket (oder wegen des Drucks durch die SUN-Postille) durfte der Songtitel nur gekürzt als „Page Three“ auf die Plattenhülle von Beat Boys In The Jet Age gedruckt werden. Weshalb auch immer, eigentlich wusste auf der Insel ja ohnehin jeder was für unverhüllte Tatsachen ihn täglich auf Seite 3 des besagten Blattes erwarteten.
Ambience (1981)
Nicht schlecht, aa-a-a-ber…
Nach diversen Gigs und einer Europatour zusammen mit Madness wurde der Nachfolger für Beat Boys In The Jet Age in Angriff genommen, diese zweite LP geriet jedoch zum Debakel, Drummer Paul Wincer suchte bereits nach der Aufnahme eines ersten Titels das Weite, er wurde durch Steve Bray ersetzt. Ambience geht die Leichtigkeit und Spritzigkeit des Vorgängers ab, wirkt über weite Strecken ideenlos und der dumpfe Sound den Produzent Steve James den Lambrettas verpasst hatte, steht im krassen Gegensatz zum glänzenden Resultat das sein Berufskollege Peter Collins mit Beat Boys In The Jet Age abgeliefert hatte. Schlecht ist Ambience natürlich nicht, hat mit George Harrison’s „I Want To Tell You“ auch eine nette Coverversion mit an Bord, ist aber im ganzen Lambrettas-Rahmen betrachtet gewöhnungsbedürftig. Man hört das wirklich gut auf dem DoCD-Reissue von Salvo, dort wurden auf Silberling No. 2 hinter Ambience frühere und spätere Singles wie „Rock Steady“ oder die Coverversion „Somebody To Love“ (Jefferson Airplane) angehängt, da überstrahlt fast jeder Titel die Exponate von Ambience. Beat Boys In The Jet Age blieb bei Salvo übrigens unangetastet, die damalige LP wurde um den Gesamteindruck nicht zu verfälschen „solo“ und ohne Bonusmaterial auf CD gepresst.
Die Quittung nach dem zweiten Album war für die Lambrettas ernüchternd: Der Longplayer verkaufte sich miserabel, sah die Charts nur von aussen, The Lambrettas schlitterten in die Krise und lösten sich 1982 auf.
In den 1990ern schlossen sich die heute in Brighton sesshaften Lambrettas wieder zusammen um sporadisch Konzerte zu spielen. Als Jez Bird im Jahr 2008 an Krebs starb schien das definitive Aus gekommen zu sein, aber Doug Sanders und Paul Wincer machten dann auf Bitten ihrer Fans bis heute weiter. 2017 veröffentlichten sie mit der EP Go 4 It auf dem eigenen Label Jet Age Records endlich wieder einmal einen neuen Tonträger, da drauf findet man auch eine schmissige, mit Bläsern veredelte Coverversion von Kinks’ „All Day And All Of The Night”.
LONG LIVE ROCK
AND DA-A-A-A-NCE!
mellow
The Lambrettas (1980):
Jez Bird – Vocals, Guitar
Doug Sanders – Guitar, Vocals
Mark Ellis – Bass
Paul Wincer – Drums