Sounds - Platten 66-77 - 1827 Kritiken – Zweitausendeins

Sounds – Platten 66-77 – 1827 Kritiken – Zweitausendeins

Zweitausendeins war beim Erscheinen dieses Büchleins noch richtig aktiv mit guten Ideen. Eine dieser Ideen war es, alle Kritiken von Alben aus den Jahren 1966 bis 1977 in einem handlichen Buch zusammenzufassen. Das Buch hat eine Abmessung von 15 x 10 cm und ist dafür aber auch 5 cm dick. Aufgrund der Abmessung wurde eine Schriftgröße gewählt, die nichts für ältere Leute wie mich ist. Das Buch entstand dadurch, dass es die Redakteure von Sounds, eine der besten Musikzeitschriften der 1960 und 1970er Jahre, leid waren ständig Fotokopien von alten Ausgaben an fragende Kunden weiterzugeben. Dieser Service war zu teuer und daher die Idee mit dem Buch. Es wurde absichtlich keine der Kritiken überarbeitet und dem Zeitgeist angepasst. Was 1966 einem Redakteur nicht gefiel und er die Platte verriss, blieb genauso geschrieben.

Den Anfang macht „At The Golden Circle Stockholm“ vom Ornette Coleman Trio. Die ersten Kritiken galten dem Jazz. Hier tauchen Namen wie Charles Lloyd, Dollar Brand, Sonny Rollins oder das Milford Graves Percussion Ensemble auf. Erst die letzte Rezension befasste sich mit Rockmusik, „Freak Out“ von Frank Zappa & The Mothers Of Invention. Der Kritiker spricht noch den Leser als Jazzliebhaber an und bemerkt, es habe sich von den Jazzern unbemerkt in den vergangenen zwei Jahren eine musikalische Revolution ereignet, die Rockmusik! Mit dieser Kritik enden das erste Kapitel und das Jahr 1967.

Im zweiten Kapitel geht es ohne Jazz weiter. Tyrannosaurus Rex, Quicksilver Messengers (bezeichnet als Micky-Maus Gruppe) und die Incredible String Band machen den Anfang. Wie damals über die „Rockmusik“ gedacht wurde, zeigt der Verriss des Elektra Music Samplers „Off“. Sich abfällig geäußert wird sich einmal über den Sampler der 13 Mark und 7 Pfennige kostet und dann auch über diese obskuren Bands die man darauf findet und ihr Unwesen treiben. Das galt unter anderen den Doors oder Tim Buckley.

Mit der Zeit werden die Kritiken über Bands der „neuen“ Rockmusik wertfreier und kompetenter. Sounds merkt langsam, mit Jazz kann nicht mehr viel Geld verdient werden. Die Kritiken beziehen sich auf alle Stilrichtungen von Westcoast bis Punk und Folk ist alles vertreten.

Das Ende macht die Kritik über Cliff Richard und seinen 40 Golden Greatest. Irgendwie war auch die Luft raus. 1977 gab es eine neue Generation die sich nicht mehr für den Sound von Quicksilver Messenger, Frank Zappa oder Eric Burdon interessierte. Der Punk und die Diskomusik waren angesagt. Sound sprang 1978 auf den Punkzug und begleitete ihn ein paar Jahre bis dann Schluss war.

Das Buch ist ein historisches Dokument und für die an die Ursprünge der Rockmusik Interessierte ein unverzichtbares Nachschlagwerk. Ab und zu tauchen noch Exemplare bei Ebay oder in Amazonien auf. Mein Rat, wenn der Preis einigermaßen stimmt: KAUFEN!

 

(Visited 1.155 times, 1 visits today)

7 Kommentare

  1. Ich habe heute wieder mal kurz in die Sounds-Bibel reingeschaut und stoße schon in den ersten beiden Kapiteln auf Namen wie Mani Neumeier, Gunter Hampel, Wolfgang Dauner, Winfried Trenkler (alias WT), Rolf-Ulrich Kaiser. Wahnsinn wer da schon Mitte/Ende der 60iger die Beiträge geschrieben hat. Rhythmische Grüsse, Der SchoTTe

  2. Oh my god!
    Ich war gerade eben bei ebay und habe die Preise gesehen die für Musikexpress-Ausgaben aus dieser Zeit verlangt werden, uff, mir ist halb schlecht geworden. Ich besass so ca. 20 Hefte, dafür würde ich jetzt…

    mellow

    PS.
    Moment mal, wer hat mir damals beim Umzug geholfen?

  3. Klar, da hast du natürlich recht, es ist immer eine Frage des Blickwinkels, aber die letzte Sounds die ich mir gekauft hatte (irgendwann Ende Siebziger, da waren sie noch nicht von Musikexpress geschluckt worden) nervte mich derart, dass ich sie wegschmiss, ich glaube das war eine Ausgabe die den “Krieg” mit Eloy betraf. Eloy waren zwar nicht unbedingt mein Ding, aber so wie sie mit denen (Frank Bornemann) umgingen regte mich das echt auf.

    Der Musikexpress war übrigens toll, allerdings nur bis ca. 1974 als der holländische Einfluss noch spürbar war (Musikexpress basierte auf Muziek Expres), da hatten sie auch noch ein grösseres Format als all die anderen deutschen Zeitschriften, ausser Sounds, die war kleiner. Ich hatte mal einen ganzen Stapel mit deutschen Musikexpress-Ausgaben von ca. 1972 – 1974 eingelagert, leider kamen mir die in den 80ern während eines Umzuges abhanden.

    mellow

  4. @mellow

    QUOTE
    mellow
    … Zum Schluss wurde Sounds so gut wie ungeniessbar, der Grabenkampf der gegen altgediente Bands wie Eloy und Jane geführt wurde war nur noch peinlich. Zudem konnten die schreibenden “Althippies” von Sounds beim Thema Punk und New nicht lange mithalten.
    UNQUOTE

    Einspruch: Ich habe Sounds bis zum bitteren Ende gelesen und der Zusammenschluss mit einem Teeniemagazin (Musikexpress) wars dann. Die Grabenkämpfe, das siehst du etwas zu verbissen. Im Sounds waren Grabenkämpfe Programm (in alle Richtungen) und die Meinungen in der Redaktion und unter den Lesern waren schon sehr polarisierend. Dabei ist teilweise zwar die Diskussionskultur untergegangen aber ich habe das jedenfalls bevorzugt zum Fanboygetue des ME. Sounds war eine Weile echt auf Krawall gebürstet (und mit ihnen die Leser). Selber hat sich Sounds ja als Speerspitze gesehen und daher war es auch klar, dass die, wenn möglich, nicht immer den Altvorderen eine Träne nachweinen können. Gut, ein Robert Zimmermann, der war gesetzt (und ähnliche “Grössen”). Sounds hat z.B. für Reggae die Fahne hochgehalten, als noch niemand davon etwas wissen wollte.

    Zum Thema Punk und New Wave, auch da ein leichter Widerspruch. Sounds war tatsächlich das deutsche Printmedium welches sich eingehend mit den beiden Genres beschäftigte, aber wie es so ist mit der Avantgarde, die gibt es nicht, denn in dem Moment wo du Avantgarde produzierst oder für dich in Anspruch nimmst, bist du Old School (die Definition stammt übrigens nicht von mir, unterschreibe ich aber jedes Wort davon – auch und gerade wegen meinem Interesse an musikalischer Avantgarde).

    Vielleicht war meine Betrachtungsweise aber auch eine andere. Damals lebte ich für die Musik im hier und heute. Nichts da Nostalgiker à la “ja, die 60er waren schon das Beste in Bezug auf Populärmusik”, obwohl ich dort ja quasi musikalisch sozialisiert wurde, und, ich gebe das zu, Rock’n’Roll (50er) hatte mich damals überhaupt nicht interessiert (Grosselternmusik!). Ich glaube wirklich, wenn die Sounds damals ihren Fokus auf die Beatszene im Deutschland der 60er, den Bebop oder Blues aus dem Delta gelegt hätte, wäre ich nicht so lange dabeigeblieben. Sounds sprach für und mit deren Zielgruppe und letztere war irgendwo zwischen 15 bis 25 Jahre alt.

    Cheers

    Roland

  5. Da ärgere ich mich heute noch, dass ich damals nicht zugeschlagen habe als ich das Teil in der Auslage beim Buchhändler meines Vertrauens entdeckt hatte. Ich vermute die Kohle war zu knapp und es ging mit einem Stapel anderer Bücher zur Kasse. Beim nächsten Besuch war der Schunken weg und auf meine Nachfrage hin hiess es: Derzeit nicht lieferbar.

    Die Rezensionen in Sounds waren manchmal echt verstörend und ich fragte mich oft, ob die Schreiberlinge sich die Scheiben überhaupt angehört hatten (ich denke es gab da eine Menge ideologische Verrisse), trotzdem hangelte ich mich regelmässig durch die teils vernichtenden Urteile. Sounds hielt lange die Fahne des Undergrounds hoch und verweigerte sich kommerziellem Gedankengut, schlussendlich war das aber ein zweischneidiges Schwert da ein Grossteil der Einnahmen ja nicht durch den Verkaufspreis des Heftes generiert wurde, sondern von den Plattenfirmen herrührte die ihre aktuellen Produkte mittels Inserate-Kampagnen (und dazugehörigen redaktionellen Stories) bewerben wollten.

    Zum Schluss wurde Sounds so gut wie ungeniessbar, der Grabenkampf der gegen altgediente Bands wie Eloy und Jane geführt wurde war nur noch peinlich. Zudem konnten die schreibenden “Althippies” von Sounds beim Thema Punk und New Wave nicht lange mithalten. Mein musikbegeisterter Kumpel und ich verlegten uns deshalb um 1978 herum auf die englische Musik-Presse (die britische Sounds, Melody Maker, NME, zwar nicht immer, aber manchmal gab es die am Kiosk im Hauptbahnhof Zürich), ja selbst die französische Zeitschrift Rock & Folk wurde (trotz der Sprache die wir damals nicht mochten) konsumiert, immerhin kam man da an Infos zu Téléphone und was sonst noch so abging in der Grande Nation.

    mellow

  6. Mann-O-Mann, ja haben wir im Rockzirkus denn fast alle den gleichen Geschmack, fast die gleiche Meinung, fast das gleiche Besteck in den Schubladen !! Ich habe mir diesen Wälzer damals bei 2001 (ich glaube in der Dom-Stadt am Rhein) gekauft. Hat etwa so viel gekostet wie zwei Sounds-Heftchen (habe noch eine Kiste davon retten können). Schon damals zu einem unschlagbarer SchoTTen-Preis im Verhältnis zu dem was geliefert wurde. Dann auch noch ordentlich gebundene Ausgabe. Ich blättere und lese öfters in dem Musik-Comic, denn Roland sagte es ja bereits, es stehen auch sehr witzige Sachen da drin (aus heutiger Sicht). Spaß beiseite, Ernst komm raus: Was gab es denn sonst noch an deutschsprachiger Musik-Literatur mit einigermaßen Niveau. Pause…. Bravo, nein, bitte nicht. Genau, eben nicht so viel. Da war man froh als durchgeknallter Hippie-Rocker mal was über seine Lieblinge zu erfahren. Klingende Grüße, Der SchoTTe

  7. Vor etwa drei Jahren ist es mir gelungen ein sehr gut erhaltenes Exemplar zu ergattern und der Preis war o.k. für mich, wenn auch nicht im Sonderangebot. Es ist eine Zeitkapsel und die “Besprechungen” sind viele Male gar keine. Da wird mit keinem Wort auf die Musik eingegangen und es werden “intellektuelle” Gemeinplätze abgesondert, die dem damaligen “Sounds”-Zeitgeist entsprachen. Das Blatt war ja schon etwas ins Abstrakte gekippt.

    War meine Lieblingsmusiklektüre und ich hab mir das monatlich am Kiosk gekauft. Für mich steht Sounds einzigartig in der Landschaft als deutsche Musikpublikation, da gabs keine Konkurrenz die auch nur auf Sichtweise herankam. Das Buch mit den Besprechungen eignet sich für Nostalgiker die einem, in Nachsicht, etwas eigenwilligen Humor die Stange halten können. Exzellent!

    Cheers

    Roland

    P.S.: Sounds hat übrigens bereits zu einer Zeit über Dr. Feelgood berichtet, als in Kontinentaleuropa noch keiner den Bandnamen buchstabieren konnte.

Kommentar hinterlassen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert