Faces – Coast To Coast (1973)

Der Schwanengesang der Faces.

Aus die Maus, die jahrelange Party neigte sich dem Ende zu, Rod Stewart sah seine Solo-Karriere zunehmend in Schwung kommen und da brauchte er die Faces (als kostengünstiges Vehikel um seine Songs aufzuführen) nicht mehr länger. Ron Wood landete kurz darauf auf der Lohnempfängerliste der Rolling Stones, Ian McLagan und Kenney Jones sollten sich später mit Steve Marriott, dem seine Humble Pie abhanden gekommen waren, in eine Reunion der Small Faces flüchten. Ronnie Lane hat sich schon vorher verabschiedet, der Bassist wurde im letzten Akt durch den Japaner Tetsu Yamauchi ersetzt.

Dieser letzte Akt wurde im Oktober 1973 an der Westküste live in Anaheim und im Hollywood Palladium aufgezeichnet und unter dem etwas verwirrenden Titel Rod Stewart / Faces Live – Coast To Coast – Overture And Beginners veröffentlicht. Diese Abschiedsplatte geriet schnell zu einem Kritikerlieblingsalbum auf das man nach Herzenslust so richtig heftig einprügeln durfte, an Coast To Coast wurde meist kein gutes Haar gelassen. Ich selber stiess auf das CTC-Album (ich wiederhole jetzt nicht dauernd den ganzen LP-Titel um Zeilen zu schinden) bei einem Freund der es aus einer Grabbelbox gefischt hatte und nach einmaligem Anhören entschieden hatte, dass er es nicht mochte. Ich kriegte CTC also geschenkt und steckte die Scheibe nach einmaliger Anhörung ins Regal. Trennen von ihr wollte ich mich nicht, obwohl ich die Platte nach der einmaligen Anhörung nicht speziell mochte. Ich muss zu meiner Entschuldigung aber sagen, dass damals Punk angesagt war und meine musikalischen Interessen zu der Zeit anders gelagert waren. Ich glaube CTC ist danach nie mehr auf dem Plattenteller gelandet, aber sie lagert noch immer in meinem Vinyl-Archiv.

Vor ein paar Jahren begegnete ich einer CTC-CD in einem Secondhand-Shop.
Selber ist man ja gereift, die Aufnahmen vielleicht auch, und von den Faces wurde schliesslich schon alles andere angeschafft, CTC ging bei mir in die nächste Runde und siehe da:
CTC entpuppte sich als ausgezeichnetes Rondell…

Die Aufnahmen sind grob und unbearbeitet, ohne Magiertricks, sind gespickt mit kleinen Fehlern und Unsauberkeiten, wirken aber genau deshalb „Live“. Das macht CTC irgendwie sympathisch, die griffen damals nicht in die akustischen Schminktöpfchen, man muss die Faces so nehmen wie sie sind, mit allem Gehakel und Gekrakel. Neben Rod Stewart’s Krächzer-Stimme sticht vor allem Ron Wood heraus. Der hatte hier immens mehr zu tun als auf den folgenden zehn Stones-Alben zusammengerechnet, doppelte Rod’s Leadgesang, spielte Rhythmus, wechselte zwischen Lead und Slide, man höre sich nur mal den 10minüter „Borstal Time/Amazing Grace“ an, der ist eventuell ein Grund, dass „Zwillingsbruder“ Keith Richards dann Roy Wood in die Stones integrierte. Das Repertoire ein Mix aus Stewart’s Soloarbeit bei der er sich ja oft von der Band begleiten liess, Faces-Material und Coverversionen. „I Wish It Would Rain“ hatten sie meines Wissens nie im Studio eingespielt, hier aber ist es genau DAS Futter mit dem sie beim kalifornischen Publikum punkten konnten, die mochten diese verrückten Honky-Tonk-Briten, die hatten bei ihnen einen Stein im Brett.

Rod Stewart / Faces Live – Coast To Coast – Overture And Beginners
(Mercury, LP, 1973)
1. It’s All Over Now
2. Cut Across Shorty
3. Too Bad / Every Picture Tells A Story
4. Angel
5. Stay With Me
6. I Wish It Would Rain
7. I’d Rather Go Blind
8. Borstal Boys/Amazing Grace
9. Jealous Guy

Meiner Meinung nach die Most-Underrated-Faces-Platte, auch wenn ich das erst sehr spät realisiert habe…

LONG LIVE ROCK!
mellow

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