Die Reise der Deutschen Blueser durch die Geschichte geht weiter
Ich hatte kürzlich zum ersten Mal die physikalische Single »The Blues Standard Series Volume 3« in meinen Händen und bei mir stellte sich sofort dieses besondere Zeitreise-Gefühl ein. Das bekomme ich immer, wenn ich so ein edles Vinyl aus einem bedruckten Papp-Cover ziehe und dann rotierend mittels Tonabnehmer abspiele. Meine ersten Berührungspunkte mit Rock-Musik, inzwischen gab es zu der Zeit für den Massenkonsum ausschließlich bruchsicheres, schwarzes Vinyl in verschiedenen Durchmessern und kilometerlanges, braunes Magnetband auf Spulen, waren Ende der 60er wilder rockiger Blues der Bluesbreakers, Cream, Pretty Things, Stones, Taste, Yardbirds. Am 10. Januar hat mit Geoffrey Arnold Beck, ich trage zufällig den gleichen zweiten Vornamen wie er, wieder einer der alten, prominenten Recken aus der damaligen Zeit unerwartet zum letzten Mal seinen Gitarrenkoffer gepackt. Aber es gibt weiterhin einige unermüdliche Blueser, auch eine Handvoll hier im deutschsprachigen Raum, die das traditionelle, historische Erbe weiter am Leben erhalten und sogar in jeder Hinsicht weiterentwickeln. Viele Kollegen haben die Zusammenarbeit mit Jeff Beck als etwas Besonderes beschrieben. Rod Stewart sagte: kein Gitarrist hätte so auf Augenhöhe mit ihm agiert wie Jeff. Und an dieser Stelle bin ich nun beim Gitarrist Norbert Egger, der auch ein charismatischer Frontmann ist, der sich ebenso auch als Teil eines Kollektiv sieht und genauso souverän agiert. Wenn er mit seiner Stimme oder Instrument etwas Virtuoses kreiert, dann hat er auch immer seine Mitstreiter im Blick, das kann ein Duo-Partner sein, aber auch die Bühne voll mit verschiedenen Akteuren. Ihm sind massenhaft Kraft, Kreativität und Erfahrung gegeben, seine Kollegen Richtung Hochleistung zu führen und zusammen erschaffen sie noch Großartigeres als nur als Solisten. Für sich selbst, aber auch für die Zuhörer. Das ist die Stärke dieser Musik, das ist die Kraft des Blues. Mich reißt Norbert und seine Mitspieler, wie gerade jetzt, immer wieder mit. Ich habe das Privileg eine sehr gute Verbindung zu Norbert Egger zu haben. Und dieser Einblick zeigt mir, dass wir noch einiges aus dem Hause AAA Culture erwarten können. Gut so, denn in einer Zeit von täglich weltumspannend neu gemeldeten Krisen, Katastrophen und Kriegen, werden die kritischen Botschaften und klingenden Ansprachen des Anti-Don-Quixote und fleißigen Blues-Bewahrer aus Region Königssee noch wichtiger und wertvoller. Glaubt mir bitte.
Auf der mir nun vorliegenden »The Blues Standard Series Volume 4«, diesmal eine üppige 33-minütige EP mit zehn Titeln, sind die drei vorherigen Vinyl-Singles sowie vier weitere neue Titel auf einer kompakten Silberscheibe zusammen veröffentlicht. Gute Idee, denn somit werden die sechs schönen Kompositionen in noch breiterer Form präsentiert. Die vier zusätzlichen Titel wären auf einer Vinyl-Single sicher auch passend gewesen. Insgesamt spannt Blues-Pionier Norbert Egger in Sachen Ausdrucksformen hier über die Glamourös-Big-Band City Blues Connection, Solo-bis-Quintett Natural Blues und seine Club-Band The Berchtesgaden Blues Band einen riesengroßen Bogen. Und das alles in der vorher beschriebenen kollegialen Zusammenarbeit vieler Blues-Musiker.
Wer mehr Details zu »The Blues Standard Series Volume 1, 2, 3« erfahren möchte, kann in meinen Beiträgen Natural Blues nachlesen. Alle sechs Titel der drei vorherigen Vinyl-Singles sind hier auf der sehr schönen EP im 4-seitigen Digipak versammelt. Weiterhin gibt es zwei Versionen des »Fishing Blues«, mit echt fühlbaren, signifikanten Ragtime-Elementen, zusammen mit den Trio-Format The Berchtesgaden Blues Band. Hier wird auch durch passgenauen, gefühlvollen Klarinetten-Einsatz von Franz Neumeier die Melodien des frühen New Orleans Blues wieder heraufbeschworen. Aber besonders das Tiefton-Fundament und das Solo von Hubert Graßl ist eine echte Blues-Besonderheit. Hier kommt das heutzutage seltene Sousaphon zum Einsatz, benannt nach John Philip Sousa und schon Ende des 18. Jahrhundert US-Ostküste gebaut. Und authentischer geht es im Blues fast nicht mehr. Der Blues-Man Norbert ist ein echter Bewahrer des weltweiten Blues, der nach immer neuen Ausdrucksformen sucht und immer wieder Schätze zutage fördert. Das habe ich ihm schon mehrmals geschrieben. Es gibt auch noch mit »Queen Bee« einen neuen Titel aus der Feder von Norbert Egger. Auch wieder so ein gefühlvoller 40/50er Chicago Blues der während der Natural Blues Sessions entstanden ist.
Was mir wieder bei beiden physikalischen Ausgaben »The Blues Standard Series Volume« besonders gefällt; unabhängig vom puren, erdigen Blues; ist das detailverliebte Artwork. Jedes Jahr habe ich viele armselige Vinyl-Silberscheiben-Ausgaben mit lieblosen Artwork/Büchlein (wenn überhaupt) in den Händen, manchmal kann ich nur mit dem Kopf schütteln. Bei AAA Culture, ich wiederhole mich leider, spürt man bei jedem Buch, CD/DVD, Vinyl die Wertschätzung für alle daran Beteiligten. Und ich meine tatsächlich alle, vom Musiker über Techniker bis zum Hersteller. Wer schreibt: „Wir danken allen Musikerinnen, Tontechniker, Fotografen und allen anderen Menschen, welche diese Produktion möglich machten,“ der gibt damit eine klare, deutliche Botschaft ab. Die sind wir aus den deutschen Alpen gewohnt und das ist gut so. Wieder einmal ein informatives, gut lesbares Büchlein, alle beteiligten Künstler werden vorgestellt, man erfährt wichtige, teils wenig bekannte Informationen. Auch hier wiederhole ich mich nimmermüde: Weiter so Anne & Norbert und danke für euren Einsatz !!
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