Pete Townshend meinte einmal, von den ihm bekannten Coverversionen von Who-Songs gefalle ihm „Pinball Wizard / See Me, Feel Me“ von The New Seekers am besten. Ich denke da hat der Denker und Linker hinter einer der erfolgreichsten britischen Rockbands nicht Unrecht, das Medley welches die Nachfolgeunternehmung der australischen Seekers 1973 vom Zaun brach ist wirklich ein grandioses Statement, ausserdem waren The New Seekers Label-Kollegen bei Polydor, so betrachtet war die Aussage vermutlich nicht ganz uneigennützig, schliesslich bescherten sie Mr. Townshend zusätzliche Songwriter-Tantiemen.
The New Seekers waren im Gegensatz zu The Who aber keine dieser neuen und meistens ziemlich hart agierenden Rockbands, aus dem Folkrock kommend hatte das Gesangsensemble bereits 1971 auf sich aufmerksam gemacht und zwar mit dem Commercial „I’d Like To Buy The World A Coke / It’s A Real Thing“ (Werbesong für einen bekannten amerikanischen Softdrinkkonzern ), eine modifizierte Version – „I’d Like To Teach The World To Sing (In Perfect Harmony)“ – tauchte danach ebenfalls in den Charts auf und zwar weltweit, der Song wurde auf Anhieb mit dem beschwingten jugendlichen Cola-Lifestyle assoziiert und wurde der erste grosse Chartbreaker der australisch/britischen New Seekers. Danach etablierten sie sich mit eingängigen Popsongs wie „Never Ending Song Of Love“ oder „Beg, Steal Or Borrow“, spätestens um 1972 herum gab es kein Vorbeikommen mehr an den New Seekers, ab 1974 ging ihr Stern dann allerdings in einen langsamen aber stetigen Sinkflug über. Das eigentliche Trademark des Seekers-Sounds setzte sich normalerweise aus akustischen Gitarren und dem immer harmonischen Gesang zusammen, sie gehörten mit einer solchen Soundgestaltung deshalb eher in die leichtverdauliche Easy-Listening-Ecke der Pop-Szene.
Die Idee hinter der Titelfusion von „Pinball Wizard“ und „See Me, Feel Me“ bestand vermutlich darin, mit den 5th Dimension gleich zu ziehen, die amerikanische Truppe aus dem Bereich Soul / Sunshine Pop hatte 1969 mit den Songs „Aquarius / Let The Sunshine In“ aus dem Musical Hair mit diesem Konzept einen gigantischen Erfolg eingefahren. „Pinball Wizard“ und „See Me, Feel Me“ (eigentlich ein Auszug aus dem Tommy-Rockoper-Finale „We’re Not Gonna Take It“) passten ebenfalls ausserordentlich gut zusammen, die 1973 auf der LP Now (in Übersee hiess der Longplayer Pinball Wizards) und gleichzeitig als Single veröffentlichte Aufnahme wurde allerdings nicht zum erhofften Grosserfolg, einzig im Vereinigten Königreich schaute Platz 16 in den Single-Charts heraus. Das mindert die Qualität des Doppelsongs aber in keiner Weise, „Pinball Wizard / See Me, Feel Me“ ist in allen Belangen bestechend gute Popmusik, von der ersten bis zur letzten Note.
Paul Layton, Marty Kristian, Eve Graham, Lyn Paul, Peter Doyle
„Pinball Wizard / See Me, Feel Me“ beinhaltet meiner Meinung nach den magischsten Moment in der Karriere der New Seekers, nur schon die „Pinball / See Me“-Promofilm-Umsetzung mit den Flipperkasten-Einsprengseln und der choreografischen Inszenierung der klasse ausgelichteten Protagonisten (die Machart erinnert mich irgendwie an „Bohemian Rhapsody“ von Queen) ist genial, der Streifen ist genauso elektrifizierend und dynamisch wie das von Produzent Michael Lloyd in London inszenierte schmissige vierminütige Singspiel mit Orchesterunterstützung. Gitarrist und Sänger Marty Kristian (in Leipzig geboren, in den 50ern mit der Familie nach Australien emigriert), Peter Doyle (Gesang, Gitarre), Paul Layton (Gesang, Bass) sowie die beiden Sängerinnen Lyn Paul und Eve Graham schufen hier wirklich ein Glanzstück das hervorragend in die Poplandschaft von 1973 passte. Einzig die B-Seite der Single konnte da nicht ganz mithalten, der schlagerhafte Doyle/Kristian-Titel „Time Limit“ war keine Konkurrenz für den essentiellen Song auf Seite A und erinnert mehr an die späteren Softrocker von Smokie. Ich hoffe immer, dass eventuelle „Gastdrücker“ die an meiner Jukebox stehen nicht dem Argument anhängen, Single-B-Seiten würden verborgene Wunderschätze beinhalten, nein, leider trifft das nicht immer zu und gehört eher ins Reich der Legenden.
Die zeitgleich veröffentlichte LP Now (sozusagen das Mutterschiff von „Pinball Wizard / See Me, Feel Me“) blieb ebenfalls hinter den Erwartungen zurück, das Album wurde erstmals 2019 als CD veröffentlicht, als Teil der bei Caroline International erschienenen 5-CD-Clamshell-Box The New Seekers – The Albums 1970-73.
LONG LIVE ROCK!
mellow