The Equals

„Baby Come Back“ ist ein Evergreen, einer dieser Gassenhauer der Jahrzehnte überdauert, dermassen einfach gestaltet, dass man den Song auch in sturzbetrunkenem Zustand noch mitgröhlen kann, das ist es was einen wahren Hit ausmacht. Mal ehrlich, 99,99% der heutigen Chartbreaker  hat man bereits nach zwei Wochen oder noch früher wieder aus dem Gedächtnis gelöscht, das Zeug hat keinen Wiedererkennungswert und in etwa denselben Nährwert wie zusätzlich mit Wasser gestreckte Dosensuppe.

Früher, ja früher war das allerdings noch ganz anders, da ging die Post ab, so wie bei den Equals.
Die 1965 in London gegründete Truppe die sich aus schwarzen und weissen Musikern zusammensetzte brauchte zwar etwas Anlauf, 1968 aber landete sie mit oben genanntem „Baby Come Back“ nicht nur im Vereinigten Königreich (No. 1), sondern in ganz Europa einen veritablen Sommerhit und wurde damit zum Zugpferd ihrer Plattenfirma President Records.

Allerdings schafften sie es (aus kommerzieller Sicht) nicht diesen Erfolg zu toppen, ihre Ware, sprich all die Songs die auf unzähligen Singles und LP’s unter die Leute brachten, fanden schlussendlich nicht die Verbreitung die sich die Band erhofft hatte. Trotzdem, da hatte es geniales Zeug darunter, rudimentäre Hardrockriffs in Kombination mit harten Beats und stampfenden Soulgrooves, zum Ende hin dann immer mehr Material aus der Sparte Funk, man führe sich nur mal den elektrisierenden Afro-Funk-Rocker „Black Skin Blue Eyed Boys“ zu Gemüte. Eines der Hauptmerkmale des Equals-Sounds waren die Refrains – durchgehend Ohrwurm-Zeug und meist von den Bandmitgliedern verfasst – typisch für Goodtime-Rock und Powerpop, sie tauchten oft schon nach wenigen Sekunden auf und waren so eingängig, dass sie oft den Hauptharst eines Songs ausmachten.

Derv Gordon’s Powerstimme und seine Präsenz muss man natürlich auch erwähnen, er war das eigentliche Aushängeschild, die anderen Equals, sein Zwillingsbruder Lincoln Gordon (Bass, Gitarre), Gitarrist Eddy Grant (manchmal mit blonder Perücke ausstaffiert, manchmal mit eigener blond gefärbter Haarpracht), die weisse Fraktion mit Patrick Lloyd (Gitarre) und John Hall (Drums) hielten sich gleichberechtigt im Hintergrund auf. Live waren die Equals erst recht wie ein ungehobeltes Brett, steinhart und zudem steinlaut. Und wenn Leadgitarrist Eddy den „Hendrix“ machte, dann passte das passte dann ausgezeichnet zu den Marshall-Türmen die hinter der Band in die Höhe ragten. Filmdokumente von Equals-Liveauftritten belegen übrigens, dass Lincoln Gordon bei Konzerten ebenfalls eine 6saitige Gitarre bearbeitete – siehe „Equality“, ein explosiver Live-Auftritt und ein unglaubliches Heavyrock-Gewitter das sie 1968 in der französischen TV-Show Surprise Partie abdrückten – The Equals waren also eine waschechte Gitarren-Band.

Ein Autounfall Ende 1969 während einer Deutschland-Tour setzte dem aus Guayana stammenden Gitarristen Eddy Grant dermassen zu, dass er sich entschied den lukrativen Job bei den Equals nach und nach an den Nagel zu hängen und es solo zu versuchen. Er verschwand aber nicht gänzlich aus dem Equals-Umfeld, er schrieb nach wie vor Songs für seine Kumpels und war Triebfeder und Produzent beim Equals-Comeback Born Ya! (1976). Die Funk-Soul-Reggae-Platte hatte allerdings fast nichts mehr mit den alten Equals zu tun, war ein erstes Comeback von vielen, später dann oft nur für einzelne TV-Auftritte oder Oldie-Shows und zumeist ohne Eddy.

Noch bis 1975 veröffentlichte President Records immer wieder neue Archiv-Funde (z.B. die 73er-LP mit Rock’n’Roll-Standards, das waren vermutlich „Aufwärmer/Anheizer“ aus vergangenen Studio-Sessions) oder koppelte vergangene Erfolge für Singles und Best-Of-Zusammenstellungen. Eddy Grant’s  grosse Zeit sollte in den 80ern mit den Hits „I don’t Wanna Dance“ und „Gimme Hope Jo’anna“ erst noch kommen, zuerst einmal baute er auf Barbados sein Tonstudio Blue Wave in welchem er unter anderem Aufnahmen von Mick Jagger, Sting und Elvis Costello produzierte.

Beweisen lässt es sich nicht, aber ich glaube die von den Equals definierte brachiale Form von Tanz-, respektive Unterhaltungsmusik hatte weit grösseren Einfluss als man vermuten könnte: Glamrock funktionierte mit ähnlich reduzierter Rhythmik, Disco ebenfalls, Protagonisten aus Punk und New Wave waren meistens erfolgreich wenn sie mit ebenso wenigen Noten auskamen wie die Equals.

Die derzeitige Verfügbarkeit von Equals-Tonträgern ist schlicht beschämend (Stand Februar 2019), das gilt vor allem für CD’s, es kommen keine neuen Retrospektiven auf den Markt, ältere Reissues sind vergriffen und für die meist billig aufgemachten Zusammenstellungen aus den 90ern werden momentan unverschämte Preise verlangt. Offenbar hat sich da jemand die Rechte gesichert und verhindert nun, dass der Backkatalog anständig ausgewertet werden kann. Falls es doch noch mal zu einer umfassenden Aufarbeitung des Equals-Kataloges kommen sollte, dann wäre das ganz klar ein Fall für RPM.

Gut bin ich wieder auf den Vinyl-Zug gesprungen, denn wenn ich beim Trödler oder an Börsen auf Singles der Equals stosse, dann gehen die immer mit.

LONG LIVE ROCK!
mellow

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