Jimmy Campbell

Als ich vor ein paar Jahren auf das Clown-Cover von Half Baked stiess, da wusste ich sofort, dass ich die LP damals in den späten Seventies ein paar Mal in den Händen gehalten hatte, mich damals jedoch nicht zu einem Kauf entschliessen konnte. Der Longplayer stand neben zig tausend anderen Juwelen im Plattenladen an der Weinbergstrasse in Zürich. An den Namen des Vinyl-Händlers kann ich mich wirklich nicht mehr erinnern, aber da gab es Sachen bei denen man ins Schwärmen geraten konnte: Ausser Mode geratener Folk, Hippierock, Beat, Jazz… ein Paradies… ich schaute dort immer mal wieder rein, ich war damit beschäftigt meine ISB-Sammlung (für Nichteingeweihte: The Incredible String Band) zu vervollständigen. Informationen zu vielen dieser obskuren Künstler waren in Zeiten vor dem (fast) allwissenden www allerdings Mangelware, man war auf Musik-Zeitschriften und die frühen, nicht immer präzisen Rocklexika angewiesen. Eine grosse Quelle des Wissens waren die enthusiastischen Record-Dealer, die wurden immer wieder wie Zitronen ausgequetscht, wurden genötigt alle ihre Infos herauszurücken, wurden so aber auch zu bewunderten Mogulen der Tonträger-Szene… 

Der Sänger, Gitarrist und Songwriter Jimmy Campbell stammte aus Liverpool, war Mitglied bei der Merseybeatband The Panthers die zusammen mit den Beatles den Cavern rockten, The Kirbys und der Psychedelikern The 23rd Turnoff („Michael Angelo“). 1969 machte er sich selbständig und veröffentlichte mit Son Of Anastasia ein erstes, ziemlich ruhiges Soloalbum. Im darauffolgenden Jahr erschien bei Vertigo Half Baked und mit der Band Rockin’ Horse anno ’71 das ausgezeichnete, unterschätzte beatleske Powerpop-Album Yes It Is.
1972 folgte der letzte Alleingang, Jimmy Campbell’s Album.


Half Baked: Das Gefühl, dass sich hinter den beiden Clowns im malerischen Wald eine hervorragende Songsammlung versteckt, hat mich nicht getäuscht. Das ist grossartiges, von Dylan und vor allem von Lennon/McCartney beeinflusstes Songgeschmeide, ein Longplayer der rocken kann, der aber auch mit betörend melancholisch wirkenden orchestral kammermusikalischen und progressiven Düften aufwarten kann. Anfangs mag man Half Baked vielleicht als ein wenig sperrig empfinden, aber mit jedem weiteren Durchlauf wird das Album klarer, überrascht immer wieder mit neuen Blickwinkeln. Für mich ein rundum gelungener Rundling also, eine Bereicherung der Sammlung, die Ecke der von den Beatles beeinflussten Künstler hat definitiv eine Erweiterung erfahren.

Jimmy Campbell zog sich nach seinem dritten Solo-Album offenbar aus dem Musikbiz zurück, er starb 2007 im Alter von 63 Jahren. Sein musikalisches Erbe hätte meiner Meinung nach allerdings einen höheren Stellenwert in den umfangreichen Archiven des Rock-Olymp verdient. Aber wer weiss, vielleicht bewirkt meine Schreibe ja, dass der ein und andere das Oeuvre dieses faszinierenden Poeten ebenfalls wieder entdeckt…

LONG LIVE FOLK, BEAT AND POWERPOP!
mellow

 

Jimmy Campbell – Half Baked (LP 1970, Vertigo / CD-Reissue 2009, Esoteric Recordings)
1. Green Eyed American Actress
2. Loving You Is All I Do
3. So lonely Without You
4. In My Room
5. That’s Right, That’s Me
6. I Will Not Mind
7. Dulcie (It’s December)
8. Forever Grateful
9. Half Baked
11. Closing Down The Shop
12. Don’t Leave Me Now
13. Lonely Norman (Bonustrack CD)

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