The Quiet World von Lea und John Heather

Seltene-Rock-Musik-Perle: Startrampe für Steve Hackett – Vermächtnis

Man könnte meinen, hier treffen sich zwei Familien, holen die Instrumente raus und musizieren mal ganz locker zusammen. Ähnlich wie bei den Liverpooler Alternative-Rockern von Anathema mit den beiden Clans Cavanagh und Douglas (auch ein sehr interessantes Thema für den Rockzirkus), waren es bei den Psych-Rockern die Clan-Mitglieder als Brüder-Trio Lea, John und Neil Heather, die in London geboren wurden, in Rhodesien (heute Zimbabwe) aufwuchsen, dort als The Chequers einige Singles aufnahmen und im südlichen Afrika sogar tourten. Weiterhin die Brüder John & Steve Hackett (1969 kurz vorher Gast bei der Band Canterbury Glass, beim Titel Prologue auf dem Album Sacred Scenes And Characters). Die zuletzt genannten zwei Multi-Instrumentalisten musizieren in verschiedenen Projekten zusammen bis heute. Über die Karriere von Steve muss man hier nicht so viel berichten, das Thema Genesis begleitet seinen Weg von 1971 bis heute. In seiner Zeit als renommierter Solo-Künstler ab 1977 fast immer künstlerisch an seiner Seite sein Bruder John. Über die anderen Mitglieder gibt es leider nicht so viel zu berichten, denn die haben sich nur für diese frühe vergessene Perle, sprich The Road (1970: Dawn Records), zusammengefunden und sich dann wieder ohne weitere nennenswerte musikalische Spuren zu hinterlassen vielen anderen Dingen zugewandt. Aber erst mal zurück zu den Heather-Brothers.

Cover-Bild Album The Road

Cover-Bild Erste Single

In dem 20-seitigen sehr informativen Booklet der Esoteric-Ausgabe von 2016 erfährt man vieles aus erster Hand direkt von John & Lea Heather, Steve Hackett und Malcolm Dome. Die Geschichten über sechs Seiten lesen sich spannender als manche Musikbücher und sind voll gespickt mit großen Namen. Aus Südafrika zurück in London, schleichen sie sich beim EMI House rein und leiern dem Produzenten Tony Palmer die Aufnahmen zu einer Single It Can´t Hurt Me No More als Bruderschaft Split Image in den Abbey Road Studios (parallel arbeiten dort die The Beatles) aus den Rippen. Die blieb leider recht unbeachtet. Weiter unter dem neuen Namen The Three People (mit Helen Wyn Jones) machten sie dann Folk-Musik bei Delysé Records (Inhaberin: Isabella Wallich). Mit Namenswechsel zu The Quiet World (Of Lea And John Heather), unter dem nur die erste Single bei Dawn Records veröffentlicht wird, beginnt die Zeit mit den Hackett-Brüdern, mit Kontakt zu Produzent John Schroeder (PYE Records), mit Sir George Martin, mit Multi-Talent Phil Henderson (er ist ein ebensolcher Visionär wie Robert John Godfrey von The Enid) und mit dem Musik-Kumpel Ian McDonald, der mit King Crimson gerade das Legacy-Album In The Court Of The Crimson King eingespielt hatte und viele hilfreiche Tipps und Anregungen einbrachte. Stück für Stück findet sich das Personal um die Brüder Heather zusammen, Stück für Stück entsteht ein Stück Musikgeschichte. Steve Hackett erzählt, dass er von Musik und Texten des Albums, aber besonders auch von den besprochenen Kassetten des noch in Südafrika lebenden Papa Heather, sehr inspiriert wurde und das später enorm in sein Gitarrenspiel bei Firth Of Fifth einfloss, immerhin ein Meisterstück der anspruchsvollen Rock-Musik. Eine größere Verbeugung von der Leistung von Kollegen gibt es kaum. Steve ist ein Gentleman bis heute, der in seiner famosen Karriere vielen Kollegen mit zu ungeahnter Größe und Strahlkraft verhoffen hat. Für mich (und vielen anderen auch, selbst auch für den Veranstalter Winfried Völklein) ist das Konzert seiner Band (mir rieselt es schon wieder den Rücken runter) als Genesis Revisited das Highlight in der fünfzehnjährigen Geschichte des Night Of The Prog Festival an der Loreley. Unglaublich die Qualität der damals dargebotenen Musik, die Leidenschaft der Akteure, das Publikum mit den Musikern verschmolzen zu einer Einheit, 15 Minuten Standing Ovations nach dem Hauptprogramm, eine Sternstunde der Live-Musik. Hier spielte Steve eine der besten mir bekannten Versionen von Firth Of Fifth überhaupt, nie war Genesis besser !! Hier schließt sich der Kreis von 1969 bis 2015. Chapeau, besonders an Steve, der die Zeit während der Aufnahmen von The Road in durchweg sehr positiven Worten kommentiert. Ihn hat die Zeit die er 1970 zum ersten Mal in einem professionellen Studio und in so einer erstklassigen Arbeitsatmosphäre verbrachte, inspiriert und sehr deutlich weitergebracht.

2015: Steve Hackett mit Genesis Revisited

2015: Steve & Nad Sylvan mit Genesis Revisited

The Road gehört zu den vergessenen Perlen der späten 60iger und frühen 70iger, leider ist nach diesem Album und drei Singles Schluss. Das für das zweite Album bereits in Teilen komponierte Material, erblickt nie das Licht der Welt. Der Vertrag mit Quiet World wird wie so oft wegen vermeintlich mangelnden Erfolg nicht verlängert. Die Karriere kommt somit verfrüht zum Ende, also wieder mal Schluss wegen dem Mammon !! Die Brüder Heather arbeiten danach erfolgreich im Musik-Theater, sind bis heute der Musik der späten 60iger verbunden. Vieles hier geschriebene und noch sehr viel mehr gibt es im Booklet der Limited Edition von Esoteric Recordings zu entdecken. Es gibt einige spezialisierte Labels die als Vermächtnisverwalter (Rockzirkus als Blog übrigens auch), versuchen die Meisterwerke der Frühphase zu erhalten und das Material zusammen zu fassen und auf dem zurzeit Technisch höchsten Level zu restaurieren. Dazu gehört hauptsächlich die Musik, aber auch Texte, Daten, Bilder, Anekdoten, etc.. Namen die in diesem Zusammenhang immer wieder auftauchen sind beispielsweise Angel Air, Akarma, Bear Family, Cherry Red, Esoteric, Mystic, Repertoire, Sanctuary, um nur einige zu nennen. Mit The Road ist ein Meisterstück berechtigt und sehr würdig wieder und deutlicher in den Fokus der Musik-Liebhaber gerückt worden. Denn heute 2020 gibt es andere Möglichkeiten zum Trommeln und informieren, was ich hiermit gerne tue.

The Road ist das einzige Werk von Quiet World, basiert als Konzept-Album (fast Hörspiel) auf dem Buch The Aquarian Gospel Of Jesus The Christ (1908, Autor: Levi H. Dowling) und hat es nicht nur aus der heutigen Sicht durchaus verdient so würdig präsentiert zu werden. In der Ausgabe von Esoteric Recordings (ECLEC 2564), veröffentlicht am 28. Oktober 2016, ist ein gutes Beispiel für eine Legacy Aufbereitung. Die Grundlage ist das auf Vinyl bei Dawn Records im August 1970 erschienen Album (DNLS 3007) mit insgesamt 17 Titeln. Erweitert wurde diese Ausgabe mit drei Singles: Miss Whittington [18] – There Is A Mountain [19] (Dawn DNS 1001, 09-1969, als einzige Aufnahme als The Quiet World Of Lea & John). Rest Comfortably [20] – Gemima [21] (PYE Records, 7N.45005, 1970). The Visitor [22] – Sam [23] (PYE Records, 7N.45074, 1971). Insgesamt somit 23 Titel mit 58 Minuten und 22 Sekunden Laufzeit. Bei Dawn Records sind noch weitere Perlen zu entdecken, beispielsweise Alben von Trader Horne & Jackie McAuley, von Comus, Heron, Trifle, Gravy Train, alles strahlende Perlen.

Formation Quiet World 1970

Quiet World 1970

The Road wurde insgesamt als neuaufgelegtes Projekt von John & Lea Heather, Steve Hackett und Malcolm Dome betreut und mit vielen Original Zitaten der Protagonisten verfeinert und aufgewertet. Alle Aufnahmen sind 24-Bit-Remastered. Hier die hauptsächlich an diesem Werk beteiligten Menschen (viele andere wurden auch schon im Text erwähnt):

Lea Heather – Gesang, Perkussion, Komponist

John Heather – Gesang, Akustische Gitarre, Komponist

Neil Heather – Komponist, Texter

Sean O’Mally – Schlagzeug, Perkussion

Eddy Hines – Flöten, Saxofon

Steve Hackett – Akustische & Elektrische Gitarren, Harmonika

Dick Driver – Akustischer & Elektrischer Bass

Phil Henderson – Piano, Orgel, Trompete, Recorder, Arrangement, Gesang, Aufnahmeleiter

John Hackett – Flöten, Akustische Gitarre

Gill Gilbert – Zusätzlicher Gesang

Robert Mandell – Arrangement (Miss Whittington, There Is A Mountain)

John Schroeder – Produzent

Alan Florence – Technik (PYE Studios, Marble Arch, London)

Mark Powell – Koordinator Neuauflage bei Cherry Red/Esoteric

The Road, eine sehr originelle Mischung, Streicher und Bläser, bombastisch arrangierter Pop-Rock-Folk, mit ein wenig Prog, Jazz, Psychedelic garniert. Die durchweg melodischen und qualitativ hochwertigen Kompositionen sind besonders für die Fans der frühen Moody Blues & Gentle Giant, Illusion & Renaissance und auch Barclay James Harvest & Beggars Opera sowie allen Fans des psychedelischen Rock & Pop der späten Sechziger sehr zu empfehlen! Fast jeder Song bleibt einem gleich nach dem ersten Hören im Ohr hängen. Das ein oder andere Mal schwingt noch ein wenig poppiger Psych mit (zum Beispiel beim Titel Let Everybody Sing), ohne deshalb gleich ins kitschige abzurutschen. Nur selten driften die instrumentalen Passagen kurz in progressivere Gefilde ab. Auch das erinnert manchmal an die progressivere Seite der Moody Blues. Weiter Anspieltipps sind Body To The Mind, Love Is Walking oder der Barockartige Pop-Song Miss Whittington. Auffällig ist auch, dass bei diesem Album die Vokallastigen Titel dann etwas Pop-Orientierter klingen. Wer The Road noch nicht kennen gelernt hat, dem entgeht wirklich etwas Besonderes. Schön dass wir mithelfen können dem einen oder anderen dieses Stück musikalische Zeitgeschichte etwas näher und diese Formation wieder etwas mehr in den Fokus zu bringen.

2015: Steve Hackett mit Night Of The Prog Fans

2013: Steve mit Akustischer beim Herzberg Fest

Zum Schluss die letzten Zeilen der ebenso schönen Lyrics von Neil Heather: And I can tell that life is real, I can smell, I can touch, I can see, I can feel, LOVE. Dem ist nichts mehr hinzuzufügen. Klingende Grüsse, Der SchoTTe

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