V/A – Pubrock – Time! Gentlemen! (CD)
Wahrscheinlich gehört der Begriff Pubrock zu den meist falsch verstandenen Begriffen wenn es um die Plakatierung eines Genres geht. So wie z.B. Krautrock und in neuerer Zeit so ziemlich alles was mit Post-irgendwas bezeichnet wird. Naja, die Industrie zählt auf ihre willigen Helfer die je nach Bedarf eine „neue“ Musikrichtung erfinden. Wobei bemerkt werden muss, eigentlich sind diese Tags hilflose Anhängsel und haben keinerlei Anspruch an ein Genre. Nur um im fast gleichen Atemzug zu bemerken, Pubrock (und auch Krautrock) stellen, trotz der musikalischen Breite des Gebotenen, doch den Fokus ziemlich eng und das ist richtig so. Vieles was im Krautrock unter diesem Tag geführt wird, ist halt eben nicht Krautrock und das gleiche gilt im Bereich Pubrock. Das ist alles mehr ein Lebensgefühl und dem ist nicht beizukommen mit irgendwelchen aus der Nase gezogenen „Erklärungen“. D.h. die beiden Begriffe haben sehr wohl ihre Berechtigung, aber halt nicht im Sinne des Erfinders. Wogegen die Schubladen des Post-irgendwas wohl eher eine fehlgeleitete Lachnummer sind und in meinen Augen (und Gehör) auch die Musik abwertet zu einem offensichtlichen Marketinginstrument.
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Die Erklärungen der „Experten“ zum Thema Pubrock mal aussen vor gelassen, kam die ganze Chose irgendwann in den frühen 70er-Jahren ins Rollen und stellte keinen Anspruch an irgend etwas. Pubrock waren Bands die in Pubs ihr Equipment aufstellten und zum Konzertabend baten. Ob Beat, Country, Rock’n’Roll, Reggae, Folk etc., spielte keine Rolle, obwohl es da schon auch Ausnahmen gab, Jazz konnte man im versifftesten Pub spielen ohne Chance je der Pubrock „Bewegung“ zugerechnet zu werden. Aussen vor blieben auch die grossen Namen im Geschäft, auch wenn diese je nach Bedarf eine Imagekorrektur an einem Mittwochabend im Golden Lion für angebracht hielten. Auf dieser Kompilation sehr schön zu sehen am Beispiel Rory Gallagher. Wenn einer, meiner Meinung nach, nicht Pubrock war, dann dieser Mann. Der gehört/e ohne Abstriche in die Ecke Bluesrock. Aber diese Tonträgerzusammenstellungen kranken ohnehin an einem und zwar heisst das Lizenzen und Angebot. Viele dieser Veröffentlichungen in dem Bereich sind tatsächlich 3-CD-Boxsets und die müssen auch erst mal gefüllt werden. Und da diese nicht unbedingt ein kommerzieller Renner werden, muss gespart werden wos eben geht, sei es an den Tracks (man hat gute Chancen die unterste Schublade zu erwischen) oder eben das Bundesjugendorchester Jazz mit einer Version von „Riot In Block #9“ präsentiert zu bekommen.
Aber was soll man auch machen, der Newbie in dieser Richtung wird wohl nicht ganz von vorne anfangen wollen, dazu müsste man damals schon dabei gewesen sein (auch wenn nur als musikinteressierte/r Zuhörer/in). Die vielen Kompilationen, die seither veröffentlicht wurden (vor allem in den letzten 10 oder 15 Jahren) stellen aber nicht das qualitativ beste Material zur Verfügung. Jede mir bekannte Veröfffentlichung in dieser Richtung krankt irgendwie an der Zusammenstellung, die einen mehr, die anderen weniger. „Time! Gentlemen!“ macht da keine Ausnahme. Aber zumindest halten die Fehlgriffe sich irgendwie in Grenzen. Dazu kommt aber auch noch das seit Jahrzehnten nachlassende Interesse an diesem Grabungsfeld. Ein paar ewiggestrige Nostalgiker (yours truly included) halten den früh- bis midsiebziger Akteuren die Treue und bekommen heute noch feuchte Augen wenn die x-te Verwurstung dieser „legendären“ Tracks ansteht. Erwischt! Aber es ist ja auch nicht matchentscheidend, es genügt wenn man Bands entdeckt, die man damals verpasst hat oder man gute alte Bekannte wiederhört wie z.B. Dr. Feelgood, Kursaal Flyers, Nine Below Zero, Pirates, Mickey Jupp, Wilko Johnson, Inmates und so weiter und so fort. Das sich ein paar Interpreten reingeschlichen haben, die schon damals unter falscher Flagge segelten und einem quer reingekommen sind, naja, ist schwer zu verkraften, aber geht noch an einem guten Tag ohne einen Anfall zu bekommen. In diesem Fall die selbst ernannten „Punks“ Stranglers und Damned (beide hatten schon in den 70ern eine Ausstrahlung, da kam einem der eigene Grossvater geradezu hip vor).
Die Trackliste
CD1
1 The Stranglers – Go Buddy Go
2 Dr. Feelgood – Down At The (other) Doctors
3 Frankie Miller – Be Good To Yourself
4 Steve Gibbons Band – Tulane
5 Roogalator – Cincanetti Fatback
6 No Dice – Why Sugar
7 Red Beans And Rice – That Driving Beat
8 Bogey Boys – Friday Night
9 Chromatics – I’m A Rep
10 Motors – Dancing The Night Away
11 Live Wire – Lone Car Cruising
12 Clancy – Steal Awawy
13 Graham Parker And The Rumour – Soul Shoes
14 Rory Gallagher – Juke Box Annie
15 Elvis Costello – Mystery Dance
16 Split Rivitt – Soul Limbo
17 Straight Eight – Will You Love Me
18 Starry Eyed And Laughing – Oh What?
19 Deke Leonard – Get Off The Line
20 Deaf School – Knock Knock Knocking
21 Kursaal Flyers – Pocket Money
22 Nine Below Zero – Pack, Fair & Square
23 Mick Farren – I Want A Drink
CD 2
1 Pirates – Drinkin‘ Wine Spa-Dee-O-Dee
2 Blues Band – Death Letter
3 Mickey Jupp – Switchboard Susan
4 Roll-Ups – Blackmail
5 Leyton Buzzards – I’m Hanging Around
6 Beggar – All Night
7 Jackie Lynton – Learning How To Rock ‚N‘ Roll
8 Remus Down Boulevard – Only For You
9 Nasty Pop – Stage And Plays
10 Chilli Willi And The Red Hot Peppers – Jungle Song
11 Meal Ticket – Day Job
12 Fabulous Poodles – See You Later Alligator
13 Dave Edmunds – Crawling From The Wreckage
14 Johnny G – All Aboard
15 The Merton Parkas – In The Midnight Hour
16 Wilko Johnson – All Right
17 The Bishops – Too Much Too Soon
18 Blast Furnace & The Heatwaves – Can’t Stop The Boy
19 Eddie And The Hot Rods – Living Dangerously
20 Dogwatch – Ice Cream Man
21 The Inmates – Three Time Loser
22 Q Tips – Please Don’t Stay At Home
23 Whirlwind – Midnight Blue
24 Damned – New Rose
25 Splodgenessabounds – Two Pints Of Lager & A Packet Of Crisps Please
CD 3
1 Nick Lowe – So It Goes
2 East Side Band – Blowing Away
3 Squeeze – Take Me, I’m Yours
4 Sore Throat – 7th Heaven
5 Philip Rambow – Don’t Call Me Tonto
6 Tyla Gang – Suicide Jockey
7 Clover – Take Another Look
8 Kokomo – Lonely Town, Lonely Street
9 Sniff ’n‘ the Tears – The Thrill Of It All
10 Ian Gomm – Hold On
11 Brinsley Schwarz – Cruel To Be Kind
12 Electric Bluebirds – Rockin‘ & Rollin‘ With Gran’maw
13 Brett Marvin & The Thunderbolts – Hurry Up Train
14 John Potter – When The Boogie Breaks
15 Little Roosters – Ain’t Proud
16 999 – Crazy
17 Motor Boys Motor – Drive Friendly
18 Records – Insomnia
19 Warm Jets – Big City Boys
20 Steve Hooker Band – How Did You Know
21 Geraint Watkins & The Dominators – Casting My Spell
22 The Wilko Johnson And Lew Lewis Band – Caravan Man
23 Joe Jackson – Sunday Papers
24 Rory McLeod – Farewell Welfare
Ich überlege noch, wer das ist auf dem Cover der CD 1. Elvis Costello? Das 28-seitige Booklet ist akzeptabel. Die entsprechenden Covers der Tonträger sind abgebildet und die Kurzkommentare dienen dem Zweck und zwar kurz und schmerzlos. Und das ganze Set ist dann erst noch *Dedicated To The Rock’n’Roll Gentlemen“, ob das jetzt spezifisch auf Dr. Feelgood gemünzt ist oder in einem weiteren Umfeld gesehen werden muss, kann ich nicht beurteilen. Für mich bestimmt ein Highlight, die Tatsache, dass Steve Hooker hier mit einem Track vertreten ist. Und natürlich Splodgenessabounds, die nicht so obskur sind wie der Name vermuten lässt.
Erschienen ist „Time! Gentlemen!“ bei Strawberry – CR3JAMBX37 – 3 x CD, Compilation – UK – Released: März 2025, aber es muss nicht unbedingt diese Zusammenstellung sein. Ich würde nicht sagen wollen es wäre Jacke wie Hose, aber die Kompilationen haben alle ihre Stärken und Schwächen. Wenn jemand Zeit und Musse hat (und eine gut gefüllte Geldbörse) würde ich ohnehin auf Einzelalben plädieren. Aber wir haben das Jahr 2025 und tatsächlich sehe ich nicht, dass sich jemand so reinknien würde. Gut, es bleibt bei einer Kompilation. Gute Wahl!