Alex Conti – Deutsche Legende 1

Alexander von Oswald oder doch Alex Kuterla – Atlantis, Lake und Hamburg Blues Band

Schon die Verbeugung vor dem Elektrolurch Mani Neumeier kürzlich im RZ, sowie damit auch vor Harald Grosskopf und Eberhard Kranemann, zeigt deutlich das wir in Deutschland auch Musiker haben die international hohes Ansehen genießen und die auch schon zu Zeiten der British Invasion munter musizierten. Über einige deutsche Künstler wird regelmäßig und viel berichtet, das sind aber nicht meine Themen. Diesmal möchte ich die sehr schöne und würdige Werkschau Retrospective 1974-2010 (MIG Music, 2011), die Box eines Berliner Blues & Rock Gitarristen vorstellen. Fast alle künstlerischen Stationen der Karriere von Alex Conti zusammengefasst auf drei Silberscheiben mit 42 Titeln. Die wertige Digi-Pack-Ausgabe beinhaltet ein 28seitigen Booklet mit ausführlichen Biographien von den Szene-Kennern Uli Twelker (Good Times) und Alan Tepper (Eclipsed), inklusive auch vielen unveröffentlichten Fotos. Hier wird noch einmal der Werdegang nachgezeichnet und das bevorzugte Equipment vorgestellt. April 1952 wird Alex in Berlin geboren, die Eltern waren beide Opern-Sänger, schickten ihn in die Canisius-Elite-Schule. Bereits 1967 musiziert er mit dem Schlagzeuger Klaus Schulze zunächst in der Formation Psy Free. Im Alter von nur 17 Lenzen hat er dann 1969 die Entscheidung getroffen, auch ausgelöst von den Aufnahmen der frühen Soul- und Beat-Stars. Zukünftig wird Profi-Musik gemacht, er steigt in der Schule aus, sofort mit Kurz-Gastspiel bei den Blues-Rockern Curly Curve ein. Am einzigen selbstbetitelten Studio-Album, heute eine gesuchte Rarität, ist er nicht beteiligt. Danach geht er für fast zwei Jahre nach England und spielt dort unter anderem in der Londoner Formation Fever (ehemals Sam Apple Pie). 1974 kommt dann überraschend das Angebot aus der Heimat in Gestalt von Atlantis dort einzusteigen. Hier beginnt nun mit »Ooh, Baby« (1974) und »Atlantis Live« (1975) die chronologische Geschichte über 220 Minuten aufgeteilt auf der Triple-CD. Alex Conti ist kein Gitarrist der sich in den Vordergrund drängt, eher ein Mitspieler der seine Werkzeuge nutzt um die Produkte zu veredeln, ganz im Stil von den Saiten-Gentleman Albert Lee oder Axel Heilhecker. Er kann genau wie der Brite & Rheinländer alle Stile und Klangfarben am Griffbrett seiner Gitarren virtuos erzeugen. Im Text sind die Stationen die in der Box Retrospective 1974-2010 mit Titeln berücksichtigt sind orange-rot markiert.

Alex Conti: Promo_2

Alex Conti: Promo_1

Atlantis spielte bei der US-Tour auch im Vorprogramm von Aerosmith. Die feiern gerade ihren großen Durchbruch mit ihrem Welthit »Walk This Way«. Auf Grund der hohen Akzeptanz bei Musikern, Presse und Fans wird die US-Präsenz um eine weitere Tournee verlängert. Atlantis diesmal zusammen mit Lynyrd Skynyrd, die haben gerade ihren Mega-Seller »Sweet Home Alabama« im Repertoire, für weitere 30 gefeierte Konzerte. Alex Conti und Lake spielten im Frühjahr 2010 die dritte Tour mit eben Lynyrd Skynyrd hier in Germanien. Gelebte Schulter-An-Schulter Freundschaft !! Großartig Männer aus der ganzen Welt !!

Seine Vielseitigkeit beweist der Berliner Gitarrist damit, dass er im Sommer 1975 mit Uli Salm und Erich Doll die deutsche Rock’n’Roll-Legende Rudolf Rock & Die Schocker gründet, in diesem Bereich ist auch das Projekt Jon Petersen & Skyliner angesiedelt (Gast-Gitarrist), um dann später im Jahr die Gründung der deutschen Top-Formation Lake mitzuerleben. Mit dem selbstbetitelten Debüt erregten Lake international große Aufmerksamkeit und gingen sofort mit Wishbone Ash auf Europa-Tournee. Später tourte man auch wieder in Nordamerika, wieder mit Lynyrd Skynyrd. Lake veröffentliche regelmäßig weitere sehr gute Alben, tourte vor allem in ihrer inzwischen zweiten Heimat, Conti trifft dort sehr viele große Stars der damaligen Rock-Szene persönlich. Eine Zeit bei der sich lebenslange vertrauensvolle Bekanntschaften aufbauen, er aber auch durch Fügung das Flugzeug verpasst mit dem Lynyrd Skynyrd abstürzte und Ronnie Van Zant (bietet ihm auch Band-Job an) und mehrere andere ihr Leben verloren oder schwer verletzt wurden. Bis heute ein sehr tragischer Moment in der Musikgeschichte. Tragisch ist auch das Alex, wie viele andere Musiker dieser Zeit, inzwischen dem Alkohol und Drogen verfallen war. Das führte 1980 zwangsläufig nach »Lake 4« (Ouch!) erst einmal zu einer kreativen Pause für ihn (Lake macht ohne ihn erst noch bis 1988 weiter). Er selbst bezeichnet seine schwere Zeit als diverse Gift-Abstürze in Deutschland. Der Doppel-Decker »Paradise Way: The Very Best Of Lake« zeichnet diesen erfolgreichsten Teil der Karriere von Conti mit Lake vor allem mit den ersten vier Alben für Columbia Records sehr gut nach. Lake wird durch Alex Conti mit einigen seiner späteren Weggefährten 2003 neuformiert, 2004 die erste Tournee, 2005 Veröffentlichung des Lake-Comeback-Album »The Blast Of Silence« und weitere regelmäßige Konzert-Reisen bis heute. Lake sind mit Atlantis und The Hamburg Blues Band die Sahnestücke in seiner inzwischen fast 55-jährige Karriere.

Alex Conti: CONTInued (1984)

A Conti: Electric Ballroom (1998)

Alex Conti: Berlin Blues (2008)

Nach Ausstieg bei Lake und einer sehr schweren Zeit, Zitat Alex: „Abgestürzt, wieder aufgestanden, und zu guter Letzt, doch gewonnen (Booklet Electric Ballroom)”, spielt er mit treuen Weggefährten seine starken Solo-Werke »Conti« (1982) und »Continued« (1984) ein und tourte auch weiter. CONTInued, was ein schönes Wortspiel und auch Doppeldeutigkeit. Auch die Namens-Wahl der Lieder zeigt mit was sich der Künstler in dieser Krise beschäftigte. Exakt im gleichen Zeitfenster arbeitete er als Alexander von Oswald in der Pop-Rock-Band Elephant mit, ebenso parallel und später unter diesem Pseudonym auch noch bei Maxim Rad (Hamburger André Rademacher, auch ein interessanter Künstler).

Aber dann wurde noch einmal mehr Fahrt aufgenommen. Mit Herwig Mitteregger (Lok Kreuzberg, Nina Hagen Band, Spliff) arbeitet er an dessen Solo-Werken »Immer Mehr« (1985), »Jedesmal« (1987) und »Aus Der Stille« (1997) sowie als Tour-Begleiter 1993 und 1997. Auch mit der Heavy-Rock-Band Rosebud, mit dessen Mitspielern Holger Trull und Mickie Stickdorn arbeitet er in verschiedenen Projekten zusammen und mit ihnen reformiert er 2003 dann auch Lake, ist der zentrale Punkt auch wieder einmal Hamburg. Es wurden die Alben »Rosebud« (1989), »San Simeon« (1993) und »Keep Smiling« (1994) veröffentlicht. Auch Rockship, ein Hard-Rock-Projekt mit Inga Rumpf, speist sich aus Künstlern der Hamburger Szene. Das einzige Album »Rough Enough« (1997) blieb wie viele andere gute Alben leider recht unbeachtet. Ich habe Inga und Alex mit dieser Formation selbst erlebt, ein echter Rock-Kracher !! Auch das einzige selbstbetitelte Werk als Solo-Projekt mit alten Weggefährten Alex Conti’s Electric Ballroom blieb recht unbekannt. Damit hat er aber 1998 unabhängig von Zwängen und Diktat der allmächtigen Musik-Konzerne seine Art von Rückblick auf die Karriere realisiert. Mit einigen klassischen Cover-Songs, aber auch mit alten und neuen eigenen Kompositionen. Er sagte damals: „Wer den Rock’n’Roll mit 46 überlebt hat, der muss noch viele Töne auf dem Griffbrett treffen!“ Genau, weitermachen !!

Lake: Paradise Way (2004)

HBB: Real Stuff (1996)

Rosebud: San Simeon (1993)

1992 Einstieg bei der The Hamburg Blues Band. remo4 schreibt: „Die Hamburg Blues Band, kurz HBB, ist wohl eine der professionellsten deutschen Bands. Geleitet wird sie von Gert Lange, der auch für das Management zuständig ist.“ So ist es, ich bestätige das hiermit, denn ich habe die HBB über 20 Jahre mit mehreren Dutzend bekannten Rockern auf der Bühne erlebt, da war immer was los, Rock-Mucke vom Allerfeinsten. 2018 sollte auch Jon Hiseman wieder mal im Zuge seines Trios JCM (mit Mark Clarke und Clem Clempson) zum Jubiläumsjahr des Herzberg Festival dort auf der Bühne stehen. Leider war Jon ein paar Tage vorher unerwartet verstorben und Curt Cress vertrat ihn gleichwertig. Conti veröffentlicht mit HBB vier Alben (1996: »Real Stuff«, 1999: »Rollin’«, 2001: »Touch«, 2005: »Live On The Edge Of A Knife«), spielt über 1.000 Konzerte und bleibt der Band fast 15 Jahre lang treu. Erst mit den vermehrten Verpflichtungen im Zusammenhang mit der von ihm reformierten Band Lake werden seine Arbeiten mit HBB seltener. Sporadische Zusammenarbeiten Alex-HBB bestehen bis heute.

Einladung als Gastarbeiter – Es gibt auch noch einige im Text noch nicht erwähnte Arbeiten. Für Blues-Fans interessant das Album »Rorymania« (2007) von Richie Arndt & The Bluenatics an dem Alex und der Wuppertaler Blues-Rocker Henrik Freischlader als Gäste mitgearbeitet haben. Der Albumtitel sagt schon alles, Rory Gallagher pur. Im Gegenzug arbeitete Richie Arndt als Gast bei den Conti-Alben »The Vineyard Sessions Volume II« (2010) und »Crossing Borders« (2011) mit. Einen ganz anderen Alex Conti erlebt man auf dem Album »Kaleidoscopia« (2008) der Schweizer Neo-Krautrock-Truppe Beatnik, die wie beispielsweise Sunya Beat (Grosskopf, Heilhecker, Baltes) einen starken Einschlag zu Electro, Programming und Synthesizer haben. Hier schließ sich nun der Kreis zum 15-jährigen Youngster bei Psy Free von 1967. Nachfolgend die restlichen Jahre (und Projekte) chronologisch bis 2020.

Alex Conti: Shetar (2010)

Rockship: Rough Enough (97)

Beatnik: Kaleidoscopia (2008)

1996: Erste Studio Zusammenarbeit mit HBB bei »Real Stuff«.

1997: Mitarbeit am Solo-Album Herwig Mitteregger, »Aus Der Stille« und Tour.

1998: VÖ Alex Conti’s Electric Ballroom Solo-Album.

1999: Arbeiten mit Bärlin Blues Band ‎an »Berlin Blues«, siehe auch 2000 und 2008.

2000: Mallorca-Sessions: Frank Diez, Colin Hodginson, WN. Dalheimer, Tony Hicks.

2001: Arbeiten mit HBB & Mike Harrison (Spooky Tooth) am gemeinsamen Album.

2002: Album »Hamburg Blues Band Meets Mike Harrison« wird veröffentlicht.

2003: Neugründung Lake mit Holger Trull, Mickie Stickdorn, Adrian Askew.

2004: Erste Tournee der Reformierten Lake Band. VÖ Retrospektive »Paradise Way«.

2005: Veröffentlichung des Lake-Comeback Albums »The Blast Of Silence«.

2006: Tour und Arbeit Lake-Live-DVD. Mit Henrik Freischlader Arbeit an »Rorymania« CD.

2007: VÖ »Rorymania« CD und große Tour. Zusätzlich auch Lake-Tour. VÖ Live-DVD.

2008: Veröffentlichung von »Berlin Blues«. Wegen großer Nachfrage: Zweite Tour Rorymania.

2009: Aufnahmen zu seinem lang gehegten Traum eines Instrumental-Albums zu arbeiten.

2010: Deutschland-Tour: Lake & Lynyrd Skynyrd. Solo-VÖ: »Shetar« und »Vineyard Sessions«.

2011: Arbeiten Lake Album »Freedom« Jens Skwirblies, Lloyd Anderson, VÖ »Crossing Borders«

2012: VÖ Freedom sowie »Retrospective 1974-2010«, Promo-Tour, Verkauf Freedom gestoppt.

2013: Arbeiten am Lake Album »Wings Of Freedom« mit Jens Skwirblies, Ian Cussick.

2014: VÖ Wings Of Freedom und ausgedehnte Promo-Tour. Start VÖ der BGO-Alben-Serie.

2015: VÖ DCD »Live ! Wings Of Freedom Tour – Spring 2014«.

2016: Weitere Touren mit Lake.

2018: Weitere Touren mit Lake.

2019: VÖ von »Lake« und »Lake II« als Doppel-Vinyl (Columbia Legacy).

2020: COVID19-Corona-Pause.

2021: COVID19-Corona-Pause.

HBB: Herzberg 2018_1 (Der_SchoTTe)

HBB: Herzberg 2018_2 (Der_SchoTTe)

Weiterlesen: Inga RumpfAtlantisHamburg Blues Band

Bildrechte: Kachelbild (Cover MIG), Bilder (Promo/SchoTTe), CD-Cover (Discogs/SchoTTe)

(Visited 1.017 times, 1 visits today)

Kommentar hinterlassen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert