Daevid Allen – Gong Gang 1

Die Kindertage des Gong-Universums, Urknall 1962 in Region Canterbury

Gong, der hat seinen Ursprung in Südost-Asien, ist ein unmittelbar geschlagener, selbsttönender Metall-Klang-Körper, dient oft als Musik- oder Signal-Instrument, Tonerzeugung maßgeblich durch mechanische Schwingungen.

Canterbury Familien-Baum (Bild: Collapso)

Wurzeln – Der charakteristische Canterbury-Sound entstand bereits Anfang der 60iger durch eine überschaubare Anzahl Einzel-Künstler (Genre-Kern) aus/in der Region Canterbury (Süd-England), die wechselnden Besetzungen, Formationen und Projekte in Duo bis Orchestergröße bildeten. Später wurde der Genre-Begriff auch auf andere Bands mit ähnlicher Sound-Struktur außerhalb dieser kleinen Region ausgeweitet, die aber stilistisch in derselben und/oder näheren Richtung anzusiedeln sind. Vor allem bei den Aspekten Vielfalt und Breite im Klangspektrum sowie Experimentier-Freudigkeit besteht eine sehr nahe stilistische Verwandtschaft zum progressiven Rock mit allen Ausprägungen. Der größte Unterschied dazu liegt wohl in der stärkeren Orientierung und Verknüpfung zum Jazz, aber auch Folk und ethnischen Elementen. Weniger Bombast, Pathos und Frickel-Kram dafür teilweise lebens- und humorvollere, manchmal sogar skurrile Spielweisen sind Komponenten dieser Canterbury-Musik. Als weiteres charakteristisches Merkmal der klassischen Canterbury-Szene lässt sich anführen, dass eine enge innere Verflechtung zwischen den beteiligten Musikern, Gruppen und Projekten bis heute besteht. Viele Mitglieder der Stil prägenden Bands fanden sich oft in neuen interessanten Konstellationen zusammen und waren dann Teilstücke später formierten Gruppierungen. Die Einflüsse auf artverwandte Genres wie Ambient, Avantgarde, Fusion-Jazz, Minimal-Music, Progressiv-Rock, Welt-Musik waren enorm, teils auch beschleunigend und richtungsweisend.

Canterbury Familien-Baum 2 (Ausschnitt)

Kindertage – Die ersten wichtigen Startrampen dieser Musik waren das Daevid Allen Trio (Daevid Allen, Hugh Hopper, Robert Wyatt), Keith Tippett Group sowie Ian Carr Trio. Diese Gruppierungen waren noch stärker im Jazz-Rock und Fusion verwurzelt. Kurz danach formieren sich dann die wichtigsten Canterbury-Bands, sicherlich zuerst mal 1. die recht unbekannten The Wilde Flowers, 2. die legendären Soft Machine der Anfangsphase bis zum Album »Softs« (1976), 3. Die Gentleman-Clique Caravan der ersten Jahre, vor allem um das Album »In The Land Of Grey And Pink« (1971), 4. das Orchester Centipede und die vielen Projekte um Keith Tippett sowie zuletzt 5. die skurrilen Rock-Hippies von Gong zentral um den australischen Paradiesvogel Daevid Allen, besonders in der Phase mit dem Gitarren-Meister Steve Hillage. Zu den bereits vorher genannten Musikern haben praktisch alle Mitglieder dieser fünf Bands zum Aufbau, Ausbau und Erhalt dieser interessanten Musik-Strömung zum Teil bis heute beigetragen. Einige prägende Protagonisten werden noch in späteren Beiträgen ausführlicher vorgestellt. Der olympische Staffel-Stab wurde aber danach auch von den nächsten Generationen immer wieder aufgegriffen und die Fackel brennt hell und stabil bis heute, immerhin schon im 60igsten, im Jubiläum 2022.

Dreierlei – Zwei große Band-Familien ragen mit Soft Machine (Matching Mole, Soft Heap, Soft Head, Soft Where, Soft Works, Soft Machine Legacy und unzählige mehr) und Gong (Mother Gong, Planet Gong, Pierre Moerlen´s Gong, New York Gong, Para Gong, Gongmaison, Gongzilla und unzählige mehr) dabei noch hoch heraus. Als dritte große Künstler-Gemeinschaft sind noch die Bands um den Keyboarder Dave L. Stewart zu nennen, die in der prägenden Anfangsphase Uriel, EGG, Arzachel, Khan und später zusammen mit den beiden Sinclairs (Richard und David) die Band Hatfield & The North umfasste. Große und würdige Plattformen haben alljährlich viele der Canterbury-Künstler über viele Jahre auch bei den vielen deutschen Festivals an Ostsee (Zappanale) Loreley (Night Of The Prog) und Herzberg (Burg Herzberg Festival) gefunden und einige genannte Bands und viele andere haben zusammen mit den Fans dort großartige Musik-Feste gefeiert. Viele der klassischen Besetzungen habe ich mehrmals Live erlebt, auch Daevid Allen zusammen mit den Weggefährten Gilli Smyth, Steve Hillage, Mike Howlett, bei seiner letzten großen Tour am Herzberg 2009.

Daevid Allen Trio: Live 1963 (93)

The Wilde Flowers (1994/2015)

Canterburied Sounds 4CD-Box

Daevid Allen – Der australische Gandalf des Hippie-Rock wurde am 13. Januar 1938 in Melbourne, Australien geboren. Er gilt als einer der bedeutendsten Vertreter der Canterbury-Musik und erlangte außer durch seine Solo-Werke insbesondere auch als prägendes Mitglied der Formationen Soft Machine und Gong große Bedeutung. Allen trat bereits 1963 im Daevid Allen Trio mit Robert Wyatt, Hugh Hopper und Mike Ratledge auf, später alles Mitstreiter bei der Band Soft Machine die er 1966 sogar mitgründete. Er verließ diese Truppe jedoch gezwungenermaßen bereits wieder vor Aufnahme des Debüt-Albums »The Soft Machine« (1968). Nach Auftritten mit Soft Machine in Frankreich wurde ihm als gebürtiger Australier wegen ungültiger Papiere (Visum und Aufenthaltsgenehmigung waren erloschen) die Wiedereinreise nach Großbritannien verweigert. Diese Situation haben wir nun ja auch wieder seit 2020 bei den Brexit-Briten. So blieb er in Frankreich, lernte dort Gilli Smyth (1933) kennen und gründete mit dieser Vokalistin und dem 1968 auf Mallorca (Nordküste, Deia) dazu gestoßenen Saxophonisten Didier Malherbe die Band Gong, die ihren ersten Plattenvertrag bei dem Label BYG Acutel bekam. Der Vertrag beinhaltete auch die Produktion von Allens erstem Solo-Album »Banana Moon« (1970), auf dem abermals Robert Wyatt von Soft Machine mitwirkt. Bestimmend blieb jedoch zunächst die Arbeit mit Gong. Die Band lebte als eine Art Land-Kommune in Frankreich. Allen und Smyth waren privat ein Paar und zogen sich 1973 aufgrund der Geburt des ersten Kindes zeitweilig wieder nach Deia auf Mallorca zurück, derweil sich Gong neuformierte. Nach der Geburt des zweiten Kindes machte dann Gilli Smyth sogar eine längere Band-Pause. Allen stieg wenig später ebenfalls aus, veröffentlichte 1976 sein zweites und 1977 sein drittes Solo-Album. Er organisierte eine einmalige Gong-Reunion 1977 und trat außerdem gemeinsam mit der englischen Festival-Band Here & Now als Planet Gong auf. In den späten 70igern trennte er sich von Gilli Smyth. Um 1980 spielte er mit Bill Laswell und den Musikern von dessen Band Material als New York Gong ein Album ein. Während alle seine bisherigen Alben mit Gruppen oder als Solist im weitesten Sinne Rock-orientiert waren, orientierte er sich mit dem nachfolgenden Remix-Album »Divided Alien Playbax 80« (1980) erstmals an elektronischer Musik. 1984 verkündete er mit dem Album »Death Of Rock And Other Entrances« großmündig wie immer gar das Ende der Rock-Ära. Den Mittelteil der 80iger verbrachte Daevid Allen eher zurückgezogen in seiner Heimat Australien, wo nur wenige und einfache Aufnahmen entstanden, die er auf einer 1990 erschienenen Zusammenstellung veröffentlichte. In den späten 80iger Jahren formierte er gemeinsam mit Kumpel Didier Malherbe die Invisible Opera Company Of Tibet. 1991 trat er abermals mit Here & Now als Planet Gong auf. 1992 wurde aus dem Projekt mit Malherbe Gongmaison und schließlich resultierte daraus nach einem Konzert zum 25-jährigen Gong-Jubiläum 1994 die Reunion der klassischen Gong-Besetzung mit zwei neuen Studio-Alben (1999: »Zero To Infinity«, 2001: »OK Friends«) und zahlreichen Tourneen 1996 bis 2001. Danach stellte die Band ihre Tour-Aktivitäten offiziell ein und tritt seitdem nur noch sporadisch in Erscheinung. Trotz der Gong-Reunion veröffentlichte Allen nach 1990 mehrere Solo-Alben, darunter 1999 das Album »Eat Me Baby I´m Jellybean« mit Interpretationen von Jazz-Standards. Ebenfalls 1999 gründete er die Jazz-Rock-Formation University Of Errors, die inzwischen mehrere Alben vorgelegt hat, darunter eines mit Neueinspielungen von Titeln der Soft Machine. Seit 2003 tritt Allen außerdem mit Kawabata Makoto von Acid Mothers Temple, zeitweise auch mit seinem Sohn Orlando Allen als Acid Mothers Gong in Erscheinung und auch die klassische Band Gong treten immer wieder in verschiedenen Line-Up´s Live auf (Beispiel Herzberg 2009: Daevid Allen, Gilli Smyth, Steve Hillage, Miquette Giraudy, Mike Howlett, Theo Travis und Chris Taylor, siehe auch Klingende Orte). Christopher David Allen hat 77-jährig trotz warten in Victoria, Australien am 13. März 2015 leider das Treffen mit den Besuchern von Planet Gong verpasst. Schade !!

Gong mit Daevid Allen beim Herzberg Festival 2009 (Bild: Promo Herzberg)

Autogramme L_R: Hugh Hopper, John Etheridge, Theo Travis, John Marshall (SchoTTe)

Ich habe fast alle bisher erwähnten Bands schon Leibhaftig erlebt. Am Herzberg 2009 hatte ich nur eine kleine Kompakt-Kamera dabei. Leider nicht Lichtstark genug für 01:00 Uhr morgens !! Darüber hinaus standen wir mit etwa einhundert Fans im Dauerregen etwa 2 Stunden vor der Bühne bevor es losging. Die Bühnentechnik hatte echte Probleme, gab aber alles, das der Gandalf des Hippie Rock, die Flüsterin Gilli, Space-Gitarrist Steve System 7 und die weiteren Mitspieler (alles Stars der Szene) groß aufspielen konnten. Für mich eine Sternstunde die ich nie vergessen werde. Steve Hillage mit Gong Reloaded habe ich 2019 noch einmal ohne Daevid & Gilli bei Night of The Prog erleben dürfen. Das Programm: Gong und Steve Hillage Solo !! Dazu später mal mehr !!

Gong Reloaded & Steve Hillage 2019 (SchoTTe)

Gong Reloaded & Steve Hillage 2019 (SchoTTe)

Banana Moon – Nachdem während einer Soft-Machine-Tournee in Frankreich Gitarrist Daevid Allen im September 1967 die Wiedereinreise nach Großbritannien wegen abgelaufenen Aufenthaltsgenehmigung und Visum verweigert worden war, startete er zum Lebensunterhalt mit Auftritten verschiedenen Künstler und Artisten als Künstler-Kollektiv Gong im Pariser Club La Vieille Grille. Früh 1968 trifft Allen den Experimental-Film-Regisseur Jérôme Laperrousaz und erzählt ihm, dass er Musiker für eine neue Band sucht. Mit der Rhythmus-Gruppe der Band Expression namentlich Patrick Fontaine (Bass) und Marc Blanc (Schlagzeug), der Gitarrist ist kurz vorher ausgestiegen, ist schnell das Fundament gefunden und kurze Zeit später der erste Auftritt von Expression Featuring Daevid Allen und den beiden Soft-Machine-Titeln »Why Are We Sleeping? « und »We Did It Again« sowie spontanen Improvisationen erfolgreich gespielt. Der Band-Name wechselt zu Banana Moon, Daevid Allen und Gilli Smyth müssen während der Studenten-Unruhen Paris im Mai 1968 verlassen, haben aber einige Trio-Auftritte und treten dann sogar auch beim Avignon Festival als Vorgruppe vom deutschen Vibraphonist Gunter Hampel auf. Nach ein paar unspektakulären Demo-Aufnahmen für das Label Barclay löst sich das Trio 1969 auf. Allen reaktiviert das Gong-Projekt, Fontaine und Blanc gründen Ame Son. Die wenigen Aufnahmen erscheinen 1992 bei Legend Music als »Je Ne Fum´ Pas Des Bananes«.

Daevid Allen: Divided Alien Playbax 80 (1980)

Gong: The Birthday Party (1995, 25 Jahre Gong Live)

GLO (Goddesses Love Oranges): Even As We (1995)

Gilli Smyth – geboren am 01. Juni 1933 in London, ist sie eine englische Musikerin (Sprechgesang) und Autorin. Mit Daevid Allen gründete sie die Band Canterbury-Bad Gong, später hatte sie ihre eigenen Bands mit Mother Gong und Mother Matrices. Sie veröffentlichte mehrere Bücher und produzierte mehrere Alben ihrer Bands. Während ihrer Zeit bei Gong verwendete sie bisweilen das Pseudonym Shakti Yoni. Nach ihrer Collegezeit in London, einem ersten Buch 1966 und einer kurzen Ehe mit einem Kind ging Smyth nach Paris, wo sie an der Sorbonne Vorlesungen gab. Sie lernte Daevid Allen kennen, der 1967 mit der Band Soft Machine in Frankreich auf Tour war. Als Allen wegen Visumproblemen die Rückreise nach England verweigert wurde, gründeten die beiden in Frankreich die Band Gong. Smyth schrieb Texte für diese Band, die sie bei Auftritten in einer Space Whisper (siehe Magma) genannten Sprechweise vortrug. 1969 erschien das erste Album der Gruppe. 1974 verließ Smyth, jetzt Mutter zweier Kinder von Daevid Allen, die Band und begann an einer Solo-Karriere zu arbeiten. 1978 kam ihr erstes Solo-Album »Mother« heraus, produziert von Daevid Allen. Die Band, mit der sie anschließend auf Tour ging, bekam den Namen Mother Gong. Die Gruppe, zeitweise in Australien beheimatet, war bis 1991 aktiv. Anfang der 90iger trat Gilli Smyth häufig auch Solo auf. Sie arbeitete auch wieder mit der Band Gong, die seit 1991 erneut unter diesem Namen auftrat. 1995 bildete sie mit Steffie Sharpstrings (Gitarrist, Komponist, Produzent Stephan Lewry) das Duo GLO (Goddesses Love Oranges), es entstand das einzige Album »Even As We« (GAS Records). 1996 machte sie Aufnahmen mit der Band Goddess T. 1999 entstand die Band Mother Matrices. Neben all ihren musikalischen Aktivitäten hat Gilli Smyth mehrere Bücher veröffentlicht, teils mit ihren Songtexten, Gedichten und Gedanken, teils mit Rückblicken auf ihre musikalische Arbeit. Nur etwa ein Jahr nach Daevid verließ am 22. August 2016 in New South Wales, Australien Gillian Mary Smyth diesen Planeten, sie hat ebenfalls das Treffen mit den Besuchern von Planet Gong verpasst. Ebenso sehr Schade !!

Es wird zum Thema Gong und viele Seiten-Projekte sowie deren prägende Musiker 2022 noch einige Beiträge hier im RZ geben. Freut euch drauf !!

Weiterlesen: Stomu Yamashta’s GoOregon – Bleibt gesund & Klingende Grüsse, Der SchoTTe

(Visited 243 times, 1 visits today)

Kommentar hinterlassen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert