Wolfgang Seidel – Krautrock Eruption (Buch) – (Übersetzung Alexander Paulick)
Ich sollte es besser wissen, viel besser, habe ich doch gefühlt erst kürzlich ein Buch mit dem Thema Krautrock gelesen, welches von einem Deutschen, der seit Jahren in den USA lebt, in Pidgin English geschrieben wurde. Und ich mir die Frage stellte, wie jemand, der als Fremdsprachiger in einer amerikanischen Stadt lebt, es auch nach Jahren nicht fertig bringt den Duktus seiner Muttersprache zu verlieren und in einer kurligen Mischung zwischen eins zu eins Übersetzung und festhalten an der deutschen Grammatik sich selber zur Lachnummer macht. Ganz zu schweigen vom Leser der sich wertvoller Lebenszeit beraubt fühlt. Dann wohl eher in der Muttersprache schreiben und das von professionellen Übersetzern in die gewünschte Sprache bringen zu lassen. Hat dann noch den Extrabonuspunkt, dass man seinen Donnerstagabendtermin beim Deutschen Verein Lower Manhattan nicht sausen lassen muss,
Mir graust es vor solcher Ignoranz und Missachtung der Sprache, sei es aus Unwissenheit, weil der Autor es nicht besser kann und sich überschätzt und dann gleichzeitig noch zu geizig ist eine Korrekturlesung vornehmen zu lassen. Ich weiss wovon ich rede, die Angewohnheit zu nahe am Original zu übersetzen resultiert in „lost in translation“ und das ist nicht schön. Man kann sich das abtrainieren. Meine Position ist sowieso, ich lese Bücher welche im Original in Englisch geschrieben wurden auch nur in dieser Sprache und umgekehrt auch, Bücher die in Deutsch verfasst wurden, da nehme ich definitiv nur die deutsche Version. Natürlich gibt es Ausnahmen wie hier, wo die Erhältlichkeit mir einen Strich durch die Rechnung macht. Ich habe viel zu viele Bücher gelesen, die durch Übersetzungen bis zur Parodie verhunzt wurden. Ich kenne nur wenige Ausnahmen bei denen z.B. der Transfer Englisch-Deutsch gelungen ist. So z.B. die meisten Bücher des irischen Schriftstellers Ken Bruen, wobei hier vor allem die kongeniale Übersetzung des Herrn Suhrkamp (kürzlich verstorben) hervorzuheben ist. Aber auch die Brant-Serie mit den Londoner Polizisten ist bemerkenswert.
Bei diesen Uebersetzungen ist anzumerken, sie leben in einer eigenen Welt und sind, wie ich annehme, ziemlich frei übersetzt worden. Aber dies von jemandem der nicht nur die paar Euro am Ende der Fahnenstange sieht, sondern von jemandem der eine Ahnung hat vom geschriebenen Wort und die darunterliegende Aussage auf den Punkt bringen kann. Um dies zu sehen muss man nicht mal das Original gelesen haben, das Grammatikgewurschtel ist zu auffällig, Redewendungen werden wortwörtlich übersetzt und machen keinen Sinn. Keinen. Und niemandem ist das aufgefallen. Korrekturlesen war wahrscheinlich Gestern. Aber wenn man sich die wirtschaftliche Situation der Betroffenen ansieht, dann ist das nicht weiter verwunderlich. Heute werden ganze Bücher maschinell durch den Wolf gelassen und wenn überhaupt, dann nur oberflächlich auf Grammatik geprüft. Kontext und Intention? Ja, bei Shakespeare, aber bei der Wegwerfware ist es ja egal. Hauptsache die Kasse klimpert beim Verlag und der Eigenverleger hat schlicht nicht die finanziellen Mittel um die entsprechenden Leitplanken einzuplanen. Dabei ist es auch so, dass die Verlage immer knausigerer werden mit den Entschädigung. Entweder werden 40 Seiten pro Tag gefordert (und dafür ein Hungerlohn bezahlt) oder das Ganze wird direkt an Google Translate übergeben.
Und da hock ich nun, ich armer Tor und habe das Buch „Krautrock Eruption“ vor mir, welches im Original von Wolfgang Seidl in deutscher Sprache im Jahr 2016 auf den Markt gebracht wurde. Ich hab das leider damals verpasst und mit der 2025er Neuauflage in Englisch (wer ist überhaupt auf diese Idee gekommen?) wird wohl der Markt in USA aufgerollt werden. Wolfgang Seidl ist übrigens Gründungsmitglied der Band Ton Steine Scherben, hat aber bereits nach dem ersten Album die Finken geklopft. Meine Affinität zu der Band oder die Tatsache, dass ich Ende der 60er die aufkommende Szene für mich eingenommen hatte (zumindest bis 1975) spielt hier keine Rolle. Ich kann das guten Gewissens sagen. Alexander Paulik ist, wenn ich den Richtigen im Internet gefunden habe, ebenfalls Deutscher und lebt seit einigen Jahren in den USA. Und sprachlich hat er sich definitiv noch nicht von seiner Muttersprache verabschiedet. Das ist so grammatikalisch falsch und unsachlich, da zieht sich einem alles zusammen. Wie kann man auf so einem Niveau in den USA überleben? Ich verzichte ausdrücklich auf Zitate, es ist so traurig genug.
Abgesehen vom sprachlichen Flop bin ich mir aber unsicher, ob der Wolfgang Seidl jetzt so eine schlechte Vorlage abgeliefert hat oder was. Ich tendiere in Richtung Teamarbeit. Die Eroberung des englischsprachigen Markts mit dem Thema Krautrock ist für mich ohnehin ein lächerliches Unterfangen, gerade heute in den „not so social media outlets“. Amerikaner wie Briten scheinen die Definition des Krautrock für sich gepachtet zu haben und, meiner Meinung nach, haben einfach keinen blassen Schimmer. Drittinformationen sind nicht wirklich eine vertrauenswürdige Quelle. Als würde ich den Amis erklären wollen was Rock’n’Roll in den 50er-Jahren bedeutete. Aber Wolfgang Seidl ist mit mir da nicht einig und scheint sich der Fraktion der Briten und Amis angeschlossen zu haben. Und, lieber Wolfgang, denkst du wirklich, deine Heulgeschichten von der sozialen und wirtschaftlichen Situation im Nachkriegsdeutschland sind von Belang? Und das Seite nach Seite nach Seite. Mich hat das 1969 und später im Zusammenhang mit Musik aus Deutschland nicht interessiert und ist auch nicht relevant. Ausserdem ist der Text, wenn man zwischen den Zeilen liest, so etwas von vordergründig akademisch gehalten. Durchgefallen, setzen!
Tatsächlich wird im Text so ziemlich alles dureinandergeschossen was nicht bei drei auf den Bäumen ist. Die 180 Seiten hätte man locker um 90 Seiten kürzen können und das ohne Verlust. Obwohl ich dem Wolfi manchmal (selten zwar, aber immerhin) zustimme sind viele seiner Meinungen und „Argumente“ aus der Luft gegriffen. Wie man z.B. die Monks in eine theoretische Linie mit Kraftwerk stellen kann oder andere hanebüchenen Schlussfolgerungen, entzieht sich meiner Kenntnis. Auch das ewige Getrommel (übrigens seit ca. 1969) dass die Szene damals nicht Deutsch sein wollte sondern International und dass die Musik aus einer Protesthaltung zum Opi, der ja in der Wehrmacht gedient hatte … und so weiter und so fort. Die Sprüche hast du dir wohl bei den damaligen Druckerzeugnissen in Deutschland und dem kontemporären Radio aus den 60ern und 70ern mitgenommen, die an der Szene in Deutschland meistens kein gutes Haar liessen, à la „die sind international nicht konkurrenzfähig“, die wollten das vielleicht auch gar nicht und waren gerade deswegen so typisch Deutsch. Da hat seit nun über fünfzig Jahren der Prophet im eigenen Land keinen Stand. Oder spricht da der Minderwertigkeitskomplex einer gewissen Schicht (Städterivalitäten sind ungefähr auf einem ähnlichen Niveau).
Was bleibt? Eine verschwendete Gelegenheit und eine gewisse Irritation, habe ich doch viele Besprechungen im Druck und Online zu dieser Ausgabe des Buches gelesen und jede, wirklich ohne Ausnahme, war positiv. Keine/r (auch nicht die U.K. Presse) hat sich z.B. über die schludrige Sprache echauffiert, obwohl die wahrscheinlich nie so einen Text durchgehen lassen würden. Und da stellt sich mir schon die Frage, wurde das überhaupt gelesen oder hätte man auch eine Besprechung abgeben können auf Grund des Klappentexts und den Bildern? Ja, hätte man können. Ich bin übrigens nicht der Meinung, dass man, wenn man nichts Gutes zu sagen hat, am Besten gar nichts sagt. Da sind mir in den Jahrzehnten auch etliche Musikmagazine auf den Senkel gegangen, die angeblich nur immer gute und wertvolle Tonträger besprochen hatten und ganz vergessen hatten zu erwähnen, dass sie in einer solchen Nische rumwerkelten, dass sie mit Promomaterial wohl gar nicht beliefert wurden. Und trotzdem habe ich mir in diesem Fall gründlich überlegt, ob das sein muss, Ja, muss es.
Und ich bin weg, in den Social Media Foren um über die „kosmische“ zu … was auch immer. Oh, bevor ich es vergesse, es gibt einen Tonträger (extra zu kaufen) als Begleiter zu diesem Buch. Aber mein Regal mit den Musikern aus deutschen Landen misst ein paar Meter. Ich verzichte.