Blaxploitation ist die Bezeichnung eines Filmgenres das in den USA im Zuge der Bürgerrechtsbewegung gegen Ende der 60er-Jahre entstand, meistens waren das Low-Budget-Produktionen bei denen es thematisch um Kriminalität im Allgemeinen, um Drogen, Sex und um Ghettos ging, die Streifen zeigten die dunkleren Seiten des Lebens in der Grossstadt aus afroamerikanischer Perspektive, Regisseure und Hauptdarsteller waren selbstverständlich Schwarze. Die klassische, von Hollywood vorgegebene Rollenverteilung wurde meistens umgedreht, die Schwarzen waren die Guten, die Weissen markierten die Bösen. Der eigentliche Schwachpunkt waren die Drehbücher, sprich die Handlungen der Streifen waren normalerweise genau so schwach wie diejenigen der „weissen“ Hollywoodproduktionen. Nichtsdestotrotz wurde das Genre, angeführt vom Klassiker Shaft zum Kult und noch Jahrzehnte später tauchen cineastische Blaxploitation-Zitate auf, siehe die Streifen von Quentin Tarantino.
Die Musik, respektive die Soundtracks waren natürlich enorm wichtig, Soul und der damals aufkommende Funk waren prädestiniert zur Untermalung, sowohl von stimmungsvollen wie auch von dynamischen Bildszenen. Isaac Hayes mit Shaft (1971) und Curtis Mayfield mit Superfly (1972) hatten mit ihren Soundtracks die musikalischen Blaupausen angefertigt, ihre Konzepte wurden während der relativ kurzen Hochblüte des Genres dutzendfach abgekupfert. Nicht nur flirrende Wahwah-Gitarrensounds, pumpende Bässe und quirrlige Percussion sondern auch opulente Orchester und Bigbands und ihre unvermeidlichen Flöten, Pauken, Strings und Trompeten gehörten zwingend zur Klangausstattung.
Ein ausgezeichneter musikalischer Ausflug ist der Soundtrack des hierzulande wenig bekannten Machwerks Cleopatra Jones von 1973. Über die Handlung des Filmes braucht man keine Worte zu verlieren, es ist ein ziemlich dünnbrettiges Agentenfilmchen aus dem B-Movie-Bereich (vielleicht sogar noch eine Stufe tiefer), die einzig scharfe Bildkomponente ist die atemberaubend aussehende Hauptdarstellerin Tamara Dobson in der Rolle der Cleopatra Jones. Im damaligen Movie-Werbetrailer wurde von einer „Soul-Sister-Answer to James Bond“ gesprochen. Soul Sister ja, aber das mit der Konkurrenz zu dem käsebleichen Briten scheint mir recht weit her geholt zu sein…
Anyway, es geht um Musik, und die war hervorragend!
Soulsänger Joe Simon, sein weibliches Pendant Millie Jackson und Komponist, Posaunist und Arrangeur J.J. Johnson sorgten neben der Darstellerin von Cleopatra Jones für die einzigen Pluspunkte des Filmes. Und die haben es in sich, allen voran die drei gesungenen Titel, Simons‘ hochdynamisches „Theme from Cleopatra Jones“ und Millie Jackson die mit dem umwerfenden „Love Doctor“ einen tollen Soulstampfer vom Zaun und mit „It Hurts So Good“ dem Zuhörer das Herz bricht. Wie angedeutet kann sich bei Cleopatra Jones aber auch die rein instrumentale Seite hören lassen: J.J. Johnson hatte mit Tracks wie „Cleo And Reuben“, „Wrap Up“ oder „Go Chase Cleo“ einen wirklich elektrisierenden Soundtrack geschrieben, Musik die auch ohne bewegte Bilder nicht verloren wirkt. Die beiden Gesangsnummern von Millie wurden im in den legendären Fame Studios in Muscle Shoals, Alabama aufgenommen, der Rest des Soundtracks entstand in den kalifornischen Burbank Studios. Die eingesungenen Titel wurden auch persönlich von den beiden Sängern ausgewertet, Joe Simon hatte eine Single im Angebot, bei Millie landeten die Songs auf ihrer zweiten LP.
Wer also nicht immer nur Shaft hören möchte, der sollte Cleopatra mal ein Ohr leihen.
Akustisch mein‘ ich, weil im Streifen hätte sie es garantiert abgerissen oder weggeschossen, wetten? Ach nein, diese Gefahr besteht heute definitiv nicht mehr, Tamara Dobson starb 2006 im Alter von 59 Jahren an den Folgen multipler Sklerose.
LONG LIVE SOUL AND FUNKY SOUNDTRACK MUSIC!
mellow
Cleopatra Jones – Original Soundtrack
(1973, LP, Warner Bros.)
1. Theme From Cleopatra Jones
2. The Wrecking Yard
3. Love Doctor
4. Airport Flight
5. Emdee
6. Desert Sunrise / Main Title Instrumental
7. It Hurts So Good
8. Goin‘ To The Chase
9. Go Chase Cleo
10. Cleo And Reuben
11. Wrap Up
12. Theme From Cleopatra Jones
Das CD-Reissue von 2001 ist mittlerweile vergriffen, man findet den Silberling manchmal noch 2nd-Hand. Eine weitere 2-CD-Edition mit den kompletten Soundtracks von Cleopatra Jones und der Fortsetzung (1975, Soundtrack von Dominic Frontiere) erschien 2010 beim Label FSM.
Jaaaa, da sachsde watt: B-Movies, C-Movies, jedenfalls richtig dürftig. Mann, war ich verblüfft, als ich in den 90ern endlich mal den “Kultstreifen” SHAFT zu sehen bekam! Zum kringeln mies! Und Dann aber DIE Musik! Das fand ich schon kurios. Da wurde alles Geld in den Soundtrack gesteckt und dann hattense für Drehbuch-Autoren und gute Schauspieler nichts mehr übrig.
In den Mit70ern besserte sich dann aber die Lage. Erinnere mich an einen Film, in dem Gloria Gaynor eine Mutter von vielen Kindern spielt, die immer das Bügeleisen und den kleinen Fernseher verstecken muss, wenn die Sozialkontrolle zur Wohnungsbesichtigung kommt. Dann wird die älteste Tochter schwanger und macht ne gewagte Abtreibung, weil sie nicht so enden will, wie die Mutter: Alleinerziehend.
Der Film hatte ne ziemlich deutliche Aussage, dass sich viele Schwarze ihre Probleme selber machen – und gar keine Weißen als “Belaster” brauchen.
Der war deutlich drüber über solchen Shaft-Machwerken.