Rauchzeichen: Daß ihr euer schönes Geld, auf der Bank nicht essen könnt !!
Man fragt sich manchmal warum bestimmte Arten von deutscher Musik gerade in bestimmten Städten eine große Tradition hatte/hat. Beim Mundart-Rock wie beispielsweise aus Region Hamburg (Torfrock), Köln (BAP, Brings, Bläck Fööss), München (Spider Murphy Gang, Haindling) ist eine direkte Zuordnung wegen des Dialekt recht einfach. Weiterhin sind Regionen wie Hannover (Hard-Rock), Düsseldorf (Elektronik), Hagen (NDW) Frankfurt (Rap, Dance), Stuttgart (Hip-Hop) bekannte traditionelle musikalische Hochburgen. Aber für was steht Dortmund. Na ja, eben für Polit-Rock: Manderley, Rock-Theater Nachtschicht (Fritz Eckenga), Cochise (Pit Budde), Puma X, Die Conditors (Peter Freiberg), Zoppo Trump und eben Ape, Beck & Brinkmann. Auch darüber würde sich auch mal ein kompletter Beitrag lohnen, Material gibt es genug.
Ein sehr bemerkenswerter Dortmunder und Botschafter dieser Hanse-Stadt mitten in Europa hat uns am Montag den 09. November 2020 im Alter von nur 67 Lenzen verlassen. Wieder eine kritische und uns Dortmunder so vertraute Stimme weniger, die jetzt für immer schweigt. Viele werden ihn vermissen. Der Mensch, Liedermacher, Kabarettist, Veranstalter Fred Ape starb plötzlich an Herzversagen allein in seiner Wohnung. Er hat die Geschichte der Dortmunder Musik-Szene über 40 Jahre mitgeprägt und damit war er auch ein Aushängeschild für die politische Rock-Musik in Deutschland und darüber hinaus. Ihn nur als Lieder-Macher zu bezeichnen wird ihm nicht im vollen Umfang gerecht. Er war auch ein Programm-Macher, er war ständiger Gast bei Großveranstaltungen für Frieden und Umwelt, hat mehr als 40 Jahre als Musiker auf den Bühne Deutschlands gestanden und dabei mehr als 4.000 Konzerte vor Publikum gegeben. Beispielsweise war er lange Zeit sogar Programmchef des Musik-Club und Kleinkunstbühne Carabet Queue in Dortmunds südlichen Stadtteil Hörde, ein Sprungbrett für viele heute sehr bekannte Künstler*innen. Er prägte das Stadtfest DortBunt, das wie kein anderes seit 2016 mit seinen vielen Aktionen für die Vielfalt dieser grünen Stadt zwischen Ruhrgebiet und Münsterland steht und das auch damit deutlich in den Mittelpunkt stellte, Fred war auch dessen Namensgeber. Entwickler von Kultur, zuletzt war er 2020 auch im Veranstaltungsteam des Quartiersprojekts im Ortsteil Brünninghausen tätig. Er hat wie kein anderer Dortmunder Künstler seine kreative Kraft in insgesamt 30 Veröffentlichungen verschiedener Projekte gesteckt. Mit dem Lied Rauchzeichen (Text und Geschichte unten) hatte er 1978 ein Meisterstück komponiert, „seinen größten Hit“ wie er selbst sagt. Das aktuelle Album »Bedingungslos« hat er erst vor wenigen Wochen veröffentlicht. Viele Dortmund, nicht nur die ihn gut kannten, sind bestürzt. Hätte er gewollt das wir trauern, vielleicht kurz, dann aber die Ärmel wieder hochgekrempelt und weiter geht es in die Richtung die er in seinem neuen Werk besingt. Denn Fred Ape hat auch damit wieder viele Spuren hinterlassen, denen wir jetzt weiter folgen können. Lauf…
Ich schrieb vor gut einem halben Jahr im Rockzirkus-Blog im Zusammenhang mit den Polit-Rockern Cochise, dass ich einen Beitrag über die Dortmunder Musik-Szene schreiben werde. Damals schrieb ich einiges über Pit Budde und seine Companeros. Auch Fred ist mir/uns ein paar Mal über den Weg gelaufen, zuletzt bei einer Feier unter Freunden. Nina Rickers schreibt bei den Dortmunder Nordstadtblogger: „Als ich 16 Jahre alt war, traten Ape, Beck und Brinkmann in unserem Dorf in Ostfriesland auf. Sie folgten damit einer Einladung unseres winzigen Dorfjugendzentrums. Ich war glühender Fan und hatte alle Platten. Sicher hat mich das sehr geprägt und, wie ich finde, auf den „richtigen Weg“ gebracht. Gute Reise, lieber Fred, und vielen Dank. Lauf…..“ Besser kann ich es auch nicht aus der Sicht eines echten Fans beschreiben.
Das Wirken von Fred Ape war von Beginn bestimmt von einem künstlerischen und politischen Engagement gegen die Ungerechtigkeiten unserer Gesellschaft. Er war als Künstler ein Kämpfer für ein besseres Jetzt. Neben dem kritischen Blick, der in seinen poetischen Texten zum Ausdruck kommt, ist dort auch immer Platz für Hoffnung auf ein besseres Zusammenleben. Fred gründete Ende der 70iger mit Klaus Beck, Peter Brinkmann und dem Ton-Techniker Klaus-Werner Wollnowski in Dortmund das Folk-Rock-Trio Ape, Beck & Brinkmann, kurz ABB. Die Gruppe wurde schnell zu einem der Aushängeschilder der zu dieser Zeit sehr aktiven alternativen deutschen Folk-Rock-Szene. Später wurden ABB durch Musik-Alleskönner Rudi Mika (1976: Manderley, 2004-2009: Ape & Mika) und Tastenmann Klaus Heidrich erweitert. Der Schwerpunkt von ABB lag besonders bei deutschen, kritischen Texten, hauptsächlich aus der kreativen Feder von Gitarrist und Sänger Fred Ape.
Das oben bereits erwähnte Lied Rauchzeichen wurde 1979 mit über 100.000 Einheiten auf Vinyl zu einem echten Folk-Rock-Hit. Veröffentlicht wurde es unter Mithilfe vieler bereits genannter Freunde der Dortmunder Szene auf dem ABB-Debüt »Im Laufe Der Woche« (1979). Praktisch mit allen auf dem Cover erwähnten Beteiligten, hatten wir damals mehr oder weniger persönlichen Kontakt. Selbst mit dem Fotografen Günter Stillert. Der Text des Liedes findet sich sogar als eine der bekanntesten Umwelt-Hymnen in Schulbüchern und anderen Druckwerken wieder. Der Text basiert auf eine Weissagung der Cree-Indianer bekannt gemachten Prophezeiung. Die Menschheit wird erst dann feststellen, dass man Geld nicht essen kann, wenn die Natur vollständig zerstört ist. Wie nah sind wir nun im Todesmonat von Fred Ape dieser Prophezeiung schon gekommen, sehr nah meines Erachtens, zu nah !! Rauchzeichen wurde im gleichen Jahr auch von der befreundeten Band Cochise, Pit Budde und Rudi Mika hatten bei Manderley schon zusammen musiziert, auf ihrem Debüt ebenfalls »Rauchzeichen« genannten Werk veröffentlicht, mit einem vom Puma Pit komponierten prächtigen Intro. Die Geschichte zu den Meisterwerken des politischen Folk-Rock von Cochise hat mellow hier im Rockzirkus bereits würdig aufbereitet. Ich konnte nur noch einige interne Dortmunder Anekdoten als Kommentar hinzufügen. Nicht im Traum habe ich im Juli 2020 daran gedacht nur ein halbes Jahr später über das Lebenswerk und das Vermächtnis von Fred Ape zu schreiben. Aber es ist mir eine große Ehre das ich als Dortmunder diesen Beitrag im Rockzirkus einstellen kann.
Am 19. Dezember 1987 gaben ABB vor sagenhaften 1.800 Fans im PZ Dortmund-Hombruch (Pädagogisches Zentrum) ihr umjubeltes Abschiedskonzert. Die Vorzeige-Folk-Rock-Gruppe der Friedens/Umwelt-Bewegung hatte fertig. In einer Zeit von nur 8 Jahren sind 4 Studio-Alben, ein Live-Doppeldecker und eine Single VÖ worden, alles auf für diese Zeit typischen schwarzen Vinyl, alles heute gesuchte Raritäten. Die Retrospektive des Trios kam dann 1993 bei Pläne mit »Erinnerungen An Die Zukunft« auf einer kleinen digitalen Silberscheibe (CD-Neuauflage: 2003). Von 1997 bis 1999 kam es dann wieder zu circa 30 Auftritten. Die weitere Karriere von ABB wurde im Oktober 1999 durch den plötzlichen Tod von Peter Brinkmann durch akutes Herzversagen gestoppt. Fred Ape stand auch später noch als Solo-Künstler auf der Bühne, unter anderem 2009 und 2011 beim Festival Songs An Einem Sommerabend. Ende 2019 starb Klaus-Werner Wollnowski mit 66 Jahren und nun am 09. November 2020 auch Fred Ape. Nun bleibt nur noch Klaus Beck der das Vermächtnis nun verwalten wird.
Anschließend gab es das Projekt Ape & Feuerstein. Gemeinsam mit Guntmar Feuerstein gingen sie als wildes Musik-Kabarett in die deutsche Kleinkunstgeschichte ein. Fünf Jahre trat das Duo bis 2002 auf, danach arbeitete Fred Ape bis zu seinem überraschenden Tod meist Solo weiter. Er veröffentlichte weiter Alben, zuletzt im Oktober 2020 nun das Album »Bedingungslos«, bei dem sich einige Songs auch mit der aktuellen Corona-Pandemie und dem Flüchtlingsdrama beschäftigen. Weit über 40 Jahre Bühnenpräsenz als Liedermacher und Kabarettist, 4.000 größere und kleinere Konzerte, Kleinkunstabende mit wenigen Zuhörer*innen, aber auch Konzerte vor 300.000 Menschen im Bonner Hofgarten. Am Kloster Banz zwischen Bad Staffelstein und Lichtenfels am Main in Oberfranken trat er im Rahmen der Veranstaltungsreihe Songs An Einem Sommerabend zusammen mit Reinhard Mey, Konstantin Wecker und der Woodstock-Legende Arlo Guthrie auf. Beeinflusst war Fred Ape aber eher von den deutschen Liedermachern Hannes Wader und Wolf Biermann. Immer wieder gab es politische Songs für einen politisierten Teil der Gesellschaft, bis zum letzten Atemzug !! Dem ist nichts mehr hinzuzufügen. Fred war wie ich auch Bergwanderer und Fußballer, also Lauf Fred, Lauf…..
Weiterlesen: Cochise – Legenden Im Rockzirkus – Klingende Grüsse, Der SchoTTe
„Meine Lieder handeln von der Widrigkeit und der Poesie des Daseins; in Folk-Rock-Melodien umgesetzten Texte. Am spannendsten finde ich die Momente kleiner satirischer und alltagsphilosophischer Reflexionen, die uns alle angehen.“ [Fred Ape]
Rauchzeichen©Fred Ape 1978
Wenn ihr den letzten Baum zerstört,
Dem letzten Fluß die Klarheit nehmt,
Den letzten Wilden habt bekehrt,
Der letzte Vogel nicht mehr singt,
Die letzte Straße angekommen,
Der letzte Wald zum Parkplatz wird,
Der letzte Krieg endlich gewonnen,
Der letzte Strand mit Öl verschmiert…
Werdet ihr erst dann einseh’n,
Daß ihr euer schönes Geld
Auf der Bank nicht essen könnt
Welch Menge ihr auch nennt…
Wenn ihr den letzten Fisch gefangen,
Die letzte Erde aufgeteilt
Die letzte Bombe hochgegangen,
Die letzten Ernten sind verseucht,
Die letzte Mutter Kinder liebt,
Der letzte Mensch durch Folter stirbt,
Der letzte Gott den Segen gibt,
Der letzte Hitler für sich wirbt…
Werdet ihr erst dann einseh’n…
Das letzte Meer voll Abfall ist,
Die letzte Erde ausgehöhlt,
Der letzte Tanker langsam bricht,
Das letzte Paradies zerstört,
Die letzte Menschlichkeit besiegt
Das letzte Hochhaus hoch genug
Die letzte Lüge Beifall bringt
Die letzte Blume fault im Wind
Werdet ihr erst dann einseh’n,…
Christa und ich haben Ende der 70iger den Kampf für Frieden, Umwelt und Humanität zusammen mit dir begonnen und bis heute nicht aufgegeben. Wir werden ihn weiterführen, versprochen !! DANKE Fred !!