Rats – eine typische kurze Episode aus dem rockhistorischen Kapitel „Pleiten, Pech und Pannen“ – eine Unternehmung die kurz nach dem Stapellauf Schiffbruch erlitt, mit fliegenden Fahnen, Mannschaft und Ratten unterging, ohne jemals auf grosser Fahrt gewesen zu sein. Eigentlich hatte die Band gar nie den Hafen verlassen, der Kahn versank schon an der Anlegestelle.
Der Londoner Sänger David „Kubie“ Kubinec war schon lange unterwegs, er hatte Ende Sixties als Mitglied der britischen Truppe World Of Oz mit seinem Song „Muffin‘ Man“ einen Hit gelandet und hatte um 1970 herum mit dem Keyboarder Patrick Moraz (später Yes) zusammengearbeitet (2 Kubie-Texte wurden 1971 auf dem Debut von Mainhorse verwendet), kurz darauf geriet seine Karriere aber so ziemlich ins Stocken. 1973 zog er als Singer/Songwriter herum und traf auf den Manager Adrian Millar, und wie es der Zufall wollte, war der grad auf der Suche nach Künstler-Nachschub für seine Agentur. Schwer beeindruckt von Kubies Stimme, entschied er kurzerhand der Shouter brauche eine Band im Rücken. Er engagierte hierzu die aus Kent stammenden Heavyrocker CWT (eine LP, 1973, erschienen nur in Deutschland bei Kuck Kuck, sie wurden dort von Eckhart Rahn betreut, einem Kumpel von Adrian Millar) und steckte umgehend Sänger und Begleitmusiker ins Tonstudio: Nicht schlecht was da in kürzester Zeit entstanden war, das war absolut zeitgemässer, eingängiger, zügiger und hörenswerter Hardrock. Und die hatte es in sich, der Sänger klang auf diesen Aufnahmen wie ein verschollener Zwillingsbruder von Marc Bolan! Ohne Übertreibung, Kubie wirkt mit den Rats oftmals wesentlich dynamischer als der Glamrock-Maestro der anno ’74 in einer Schaffenskrise steckte.
Der glamrockige Titel „Turtle Dove“ wurde als Single ausgewählt, er sollte im Schlepptau das geplante Album für das PYE-Sublabel Goodear in die Charts ziehen. Unglücklicherweise hauten noch in dieser Planungsphase einige der „Ratten“ ab, für das geplante Bandbild im Innenteil des LP-Gatefold-Covers wurden zwei Typen als Ersatzmusiker verpflichtet die aber in Wirklichkeit niemals eine einzige Note mit den Rats spielten, sie wurden bloss als optische Lückenbüsser gebraucht. Als 1974 die LP unter dem Titel First Long Player Record erschien, existierte die Band bereits nicht mehr, kein Wunder also, dass die ausgezeichnete Scheibe sang- und klanglos unterging, da gab es niemanden mehr der die Songs hätte promoten können. Ausser David Kubinec natürlich, er wurde stattdessen auf den Kontinent an Kuck Kuck weitergereicht und im selben Jahr erschien dort (ebenfalls ohne grössere Resonanz) ein erstes Soloalbum von Kubie: Day Of The Madman.
2009 erschien mit Second Long Player Record eine CD die eine fixfertige zweite Rats-LP von 1974 präsentierte. Originalbänder existierten keine mehr, aber Kubie hatte in seinem Fundus eine Kassette mit dem fertigen Mixdown entdeckt. Und es ist erstaunlich wie gut die Chose klingt, nicht nur klangtechnisch, stellenweise nahmen hier die Rats das Jahre später in den USA grassierende Glamrock-Revival vorweg, sie hätten mit ihren exquisiten Songs aber auch so ausgezeichnet in die musikalische Landschaft von 1974 gepasst.
Fazit: Was für eine prickelnde Entdeckung, es hat sich mal wieder gelohnt das archäologische Feinwerkzeug auszupacken und den Staub der Geschichte mit dem Pinsel zu entfernen.
LONG LIVE GLAMROCK!
mellow
Rats – First Long Player Record
(LP, 1974 Goodear / CD, 2006, RPM Records)
01. Child He Die
02. Queen
03. Glad That You’re Not Me
04. Very Small Child
05. L.A. Highway
06. Nose Job
07. Rolling railroad Wagon
08. Oxford Donna
09. Mainhorse Cowboy
10. Turtle Dove
Dave Kubinec – Vocals
Roddy McKenzie – Guitar
Peter Kirke – Bass
Jeff Allen – Drums
Rats – Second Long Player Record
(Unreleased «Lost Album», 1974 / CD, 2009, Voiceprint)
01. Shine On
02. Mr. Straight
03. Shootin’ Again
04. The Elf Sires
05. Bite The Bullet
06. All Ways In The Night
07. Go Get Straight
08. The Highway Man
09. Day Of The Madman
10. Good Girls Taste Nice
David Kubinec – Vocals, Guitar, Keyboards
Graeme Quinton-Jones – Lead Guitar, Keyboards
Peter Kirke – Bass
Colin White – Drums
Web: Aktuelles zu David Kubinec und den Verlauf seiner Aktivitäten
bis heute gibt’s auf seiner Facebook-Site.
David “Kubie” Kubinec verstarb am 15. April 2022 im Alter von 70 Jahren in Cambridge an den Folgen einer Lungenentzündung.
R.I.P.