Windmühlen-Kämpfe ?? Norbert schaut nicht zurück, Blick wie immer nach vorn
Unfassbar welche Kraft und Kreativität unser Blues-Titan aus dem Süden Bayerns hat. Nach drei großartigen Mini-Alben und dem daraus resultierenden Album »Elementary Power« Anfang des Jahres, ist es nun schon wieder soweit. »I Am Not Don Quixote« ist diesmal erneut das passende Motto und in der Tat haben Norberts Namen von Titeln und Alben immer aktuellen Zeit-Bezug. Wer den Anti-Don-Quixote alias Norbert Egger (siehe Kachelbild von Holger Frank Dunke) und seine Projekte noch nicht kennt, hier eine kurze Vorstellung. Der Musiker, Komponist, Buchautor ist seit 1979 Kreativ-Drahtzieher bei Hamburgs City Blues Connection. Nach viel Live-Arbeit, 4 Alben, eins sogar mit Louisiana Red, war 1988 erst mal Pause. Danach sporadische Arbeiten und Auftritte, Oktober 2016 Premiere als kraftvolle 20-köpfige Rhythm & Blues Big Band, die dann 2017 »Anna Liza« einspielten und das Live ins Zentrum der Darbietung stellten. Norberts variable Gruppierung Natural Blues, ebenso lange im Dienst, war auch schon mit den beiden EPs »Shame On You, Mr. Trump« (Thema: Donald Duck Größenwahn) und »I Can´t Breathe« (Thema: Rassismus) sehr nahe am Puls der Zeit. Daran knüpft nun das aktuelle Nicht-gegen-Windmühlen-kämpfen-Werk nahtlos an.
Für das am 23. August 2021 erschienene »I Am Not Don Quixote« hat das süddeutsche Multitalent Norbert Egger erneut seine namhafte Blues-Mannschaft namens Natural Blues in sein eigenes alpines Studio zu den aktuellen Aufnahmen eingeladen. Dass sich die Aufnahmequalität wieder einmal in einem extrem guten Level befindet, muss bei Norbert nicht mehr überraschen, das erwarten seine Blues-Fans inzwischen als ganz normalen Standard. Und auch in Sachen Bearbeitung des Instrumentariums sind seine Hörer inzwischen sehr verwöhnt. Dennoch ist Norbert meines Erachtens diesmal noch einen Schritt weitergegangen, hat einen weiteren positiven Sprung in der Qualität der Produktion gemacht. Er hat bei seinen neuen Kompositionen reduziert und die Eckpunkte noch weiter gestreckt, die vokale Bandbreite stark erweitert. Schon mit dem sehr traditionellen »We’ll Handle That« ist ihm textlich wie musikalisch eine fantastische Einleitung ist das Album »I Am Not Don Quixote« gelungen. Mich erinnert diese außergewöhnliche Qualität in jeder Hinsicht an die ECM-Produktionen der 70/80iger oder an High-Speed-LP’s Bereich Blues und Jazz.
Und gleich mit dem ersten Tönen des zweiten Instrumental-Titel »Slidin’ To Call For Action« schon der nächste Hammer. Ich bin wie elektrisiert, schwinge kurz in Resonanz mit den Stahlsaiten, die leise kratzig ausklingen. Ich sehe Norbert und Alex in einer Westernkulisse in der Einöde, lange Schatten und beide haben staubige Hüte auf, beugen sich über ihre stark benutzten Instrumente und sie stülpen sich, wie damals Ry Cooder, die Seele nach außen. Den Akustik-Kracher gibt es am Ende des Albums noch einmal als längere Version. Atemberaubende Grooves, Gänsehaut garantiert. Aber keine Atempause, gleich mit dem Boogie-Woogie und Liebeserklärung »She’s Great«, um bei dem Bild zu bleiben in der staubigen Bar hinter den Beiden, kracht es ordentlich. Yeah: Norberts Kumpels gehen voll mit. Und auch »Nanna« überzeugt mich auf ganzer Linie. Allein schon für diese vier neuen Titel lohnt sich dieses Werk, für Blues-Fans sowieso unverzichtbar, denn der Grummler des modernen klassischen Blues feuert textlich wieder aus allen Rohren. Auch die weiteren Titel, starke alternative Versionen von den drei vorher veröffentlichten Mini-Alben, flankieren und ergänzen dieses gekonnte Werk. Was viele vermeintlich starke Blues-Musiker im Heimatland dieser Musik nicht wirklich schaffen, ein älterer aber vitaler weißer Mann aus Bayern zeigt ihnen mit ihren eigenen ursprünglichen Waffen des Blues was er von den Machenschaften im Land der unbegrenzten Möglichkeiten hält. Gut gebrüllt Norbert, weiter machen !!
Enorm dieser Sound, man hat das Gefühl man hört das Atmen von Hubert Hofherr durch seine Mundgestützte Blech-Maschinerie, oder das auftreffen der Finger auf den schweren schwarzen und weißen Tasten des Pianos der Gast-Tastenmänner Andy Winkler und Michael Alf. Wo soll ich weitermachen, Gitarren, Bass (Alex Meik), Perkussion, Gesang, Texte, fast alles von Norbert Egger und in Gänze wie schon beschrieben auf TOP-Niveau. Und alles auch noch ungewöhnlich zusammengesetzt. Dabei aber nie den Blues nur einen Moment aus den Augen gelassen. Sehr mutig, wie beispielsweise damals John Mayall in seiner Turning-Point-Phase. Es ist Blues mit verschiedenen Facetten und deutlichen traditionellen Wurzeln, aber im frischen Gewand und zeitgemäß präsentiert. Wer an einige abgestandene, muffige Bluesinterpretationen denkt, hier wird er echt angenehm überrascht. Instrumentierung, Produktion und Design sind wie immer bei AAA Culture über jeden Zweifel erhaben. Und Norbert Egger hat sich inzwischen eine große Fangemeinde zugelegt, sogar im Mutterland des Blues. Warum auch nicht, denn seine brandaktuellen Themen und sind pure Leidenschaft, weder an Hautfarbe, Kulturkreis, Sozialisation oder Staatsgebiet gebunden. Und er ist ein Arbeitstier, er ist trotz einer zweijährigen Zwangspause auf Bühnen, hungrig geblieben und steht mit seinen Kumpanen in den Startblöcken. Und der Startschuss steht kurz bevor. Für Januar 2022 sind Auftritte geplant, dann wird hoffentlich der Schuss ohrenbetäubend abgefeuert.
Und ich muss auch wieder mal auf das Design, Grafik, CD-Büchlein zu sprechen kommen. Üppige 16 Seiten in Bild und Text die es in sich haben, alle Texte, sehr viele Informationen über jeden Musiker, alles international in der gemeinsamen weltumspannenden Blues-Sprache Englisch. Zuletzt kommt aber Blues-Man Norbert selbst zu Wort: „Man hat als Künstler immer das Gefühl das neueste Album ist das Beste. Aber hier habe ich mir den Luxus geleistet, mehr Bandbreite im Gesang (von feinfühlig bis brachial) zu leisten, die Zurücknahme der Instrumentierung hilft mehr Klarheit zu schaffen, daher begleite ich mit den Füssen meist nur mit Hi-Hat und Bass-Drum, statt eines ganzen Schlagzeugs dabei zu haben.“ Wie gesagt, ein für seine Musik brennender Norbert Egger, der sehr stolz sein kann auf diese neuen Kompositionen.
Leider ist der lang geplante Auftritt von Norbert Egger & Natural Blues am 23. August 2021 kurzfristig verschoben worden und somit die Release-Party des neuen Albums »I Am Not Don Quixote« auch nicht würdig gefeiert worden. Die Gründe könnt ihr euch sicher denken. Ich hatte aber das große Vergnügen Anfang des Jahres einen längeren Dialog mit dem Anti-Don-Quixote alias Norbert Egger zu führen. Hier ein paar Auszüge davon.
Ein Album habt mit der Blues-Legende Mississippi Red gemacht, wie kam es dazu ?? Red wollte oder sollte – ich weiß nicht, ob das die Idee des Platten-Produzent oder seines Managers war, ein besonderes Album produzieren, welches sich vom Durchschnitt der vielen Alben abhob. Und da ich dem Produzenten schon früher signalisiert hatte, dass ich auch gerne „in die zweite Reihe“ gehen würde und einen der – damals lebten ja noch einige – großen afroamerikanischen Bluesmusikern featuren, kam dieser dazu auf uns zu.
Seit ihr mit Mississippi Red auch aufgetreten oder war es geplant ?? Mit Louisiana Red waren wir lange, lange im Studio. Mit dem Album sollte dann gemeinsam getourt werden. Red war ja so begeistert, dass er über City Blues Connection sagte: „They are better than any band I had before, even in Chicago”. Während der Studiozeit habe ich gehungert. Und dann wurden kurzfristig auf einmal alle Konzerte doch solo gegeben, keine Ahnung wer da raffgierig war, der Manager oder die Veranstalter.
Wie beurteilst du die deutschsprachige Blues-Szene im Moment ?? Da ich ja neben meiner eigenen Musik und Produzententätigkeit auch die Radiosendung »Bluestime« für inzwischen 10 Sender in Deutschland und Österreich produziere, schaue ich natürlich sehr intensiv auf die mitteleuropäische Bluesszene. Und da gibt es ganz viel ganz hervorragende Musiker*innen, Bands und ganz viele tolle Blues-Produktionen. Einerseits gibt es einige, welche sich im Spektrum von Blues und fast Pop-Rock bewegen. Gute Produktionen und tolle Musiker. Ganz begeistert bin ich von Musiker*innen, welche Blues spielen und echte Innovationen mit tollen eigenen Songs bringen, zum Teil akustisch, rockig, roh und wild, zum Teil soulig oder jazzig. Da ist ein irre tolles Potenzial! Viele kleine Radiosender bringen das. Leider verschlafen dies manche der öffentlich-rechtlichen Sender und die beteiligen sich dadurch zusammen mit unseren Politikern aktiv an der Zerstörung der deutschen Musikszene.
Was sind deine meistbenutzten und liebsten Instrumente ?? Ich selbst verstehe mich neben dem Gesang vor allem als Slide-Gitarrist. Daher ist es natürlich klar, dass dazu einerseits meine alte Dobro für den akustischen Teil gehört. Und dann habe ich zum Glück Anfang der 1980er eine rote Yamaha in die Hände bekommen, die gar nicht für den europäischen Markt gedacht war. Und die bringt mit meinen Stahlseil-Saiten den richtigen fetten Sound für meinen elektrischen Slide-Stil.
Die Musiker sind ja verstreut, wie macht ihr das mit Proben für Auftritte ?? Proben finden heute immer komprimiert statt. Das heißt vor Auftritten, Tour oder Recording Sessions geballt.
Stichwort Auftritte, geht da was 2021 oder wieder nur leere Bühnen ?? Ich bin nur bedingt optimistisch. Im Moment geht ja gar nichts, sogar unser Release-Konzert für das Album »Elementary Power« im Februar 2021 kann nicht stattfinden. Aktuell hoffe ich auf den Sommer und sei es nur, dass die Regierungspolitiker im Sommer wieder Entspannung vortäuschen, damit für sie die Bundestagswahlen „nicht in die Hose“ gehen. Daher habe ich auch einen Sponsor, der bereit ist, Veranstalter zu unterstützen, welche für unsere Bands Konzerte in Sommer/Herbst buchen.
Du spendest den Großteil der Nettoerlöse des Song Can’t Breathe, wie ist die Resonanz im Markt ?? Das Feedback ist sehr freundlich, Radiomoderatoren, Journalisten, Freunde und Fans reagieren sehr positiv. Enttäuscht bin ich über die Bereitschaft tatsächlich zu helfen…
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