Sergio Mendes tauchte damals, Anfang Seventies, als ich mich ernsthaft mit Musik zu beschäftigen begann, immer wieder mal auf in den Plattenstapeln die es aufzuarbeiten gab. Allerdings hatte ich anno domini für sowas kein Gehör, Rock war das Mass aller Dinge, Mendes-Platten interessierten mich nicht. Irgendwann war dann allerdings die Zeit reif: Der Brasilianer Sergio Mendes (der sich Mitte der 60er-Jahre in den USA niedergelassen hatte) fand seinen Weg auf meinen Plattenteller, Easy Listening war für mich ein paar Jahre später aus unerfindlichen Gründen plötzlich spannend geworden. Vielleicht waren Booker T. & The MG’s oder die Crusaders dran schuld oder irgendwelche Bond-Streifen aus der Antike, keine Ahnung weshalb ich nach überstandenem Punkfieber über diese Koryphäe der leichten Muse stolperte.
Mendes-Longplayer zeichneten sich meist durch ziemlich kurze Spieldauer aus, da war er wohl ähnlich veranlagt wie die Beach Boys in den Sixties, die 30-Minuten-Grenze wurde selten überschritten. Könnte ja sein, dass man den Zuhörer nicht überfordern wollte…
Fool On The Hill brachte es 1968 immerhin schon auf 34 Minuten, und davon ist keine Sekunde überflüssig. Das Album ist ein einziger gelungener Good-Vibes-Transporter, tanzt mit Bossa-Nova-Feeling zwischen Ambiente-Jazz und der berüchtigten Fahrstuhlmusik. Ganz ehrlich, wenn mich dieses unglaublich prickelnde Cover von „Scarborough Fair“ aus dem Hintergrund berieseln täte, dann würde ich meine Höhenangst überwinden und mit so ‘nem Lift die höchsten Wolkenkratzer erklimmen, bis ganz oben, bis es nicht mehr weiter geht. Traumhaft wie da die Stimmen von Lani Hall (die Gattin von Herb Alpert, Loungecore-Papst und Gründer von A&M Records) und Karen Philipp über einem elegant trabenden Percussionsgerüst der spiegelnden Fassade eines imaginären Hochhauses entlang segeln, sich mit den eingewobenen Strings paaren und sich von Mendes‘ perlenden Pianoakkorden forttreiben lassen. Klar, der Text hat rein gar nichts mit solchen von Menschenhand erschaffenen Stahl- und Betongiganten zu tun, aber das Easy-Listening-Feeling ist eben manchmal stärker und geht in diesem speziellen Fall mit dem Rezensenten durch. Neben besagter Interpretation dieses Titels von Simon & Garfunkel finden sich hier auch andere herrlich gesoftete Vocal-Jazz-Nummern wie der wohlige Fab-Four-Titeltrack. In Portugiesisch wird – wie immer bei Sergio Mendes – ebenfalls gesungen, z. B. Bei „Upa, Neguinho“. Anfänglich war für mich dieser Gesang in etwa so exotisch wie Polnisch oder Tschechisch, aber nachdem ich ein paar Jahre lang eine portugiesische Mitarbeiterin hatte, gewöhnte ich mich auch an diese seltsame Sprache.
Fool On The Hill ist eine wirklich magische Easy-Listening-Schatzkiste, Mendes‘ Einflüsse lassen sich denn auch noch nach über 40 Jahren im modernen TripHop nachweisen, diese bezaubernde Fahrstuhl/Lounge/Teppichfloor-Ästhetik die bei vielen Projekten immer wieder mal um die Ecke schielt…
LONG LIVE EASY LISTENING!
mellow
Sergio Mendes & Brasil ’66 – Fool On The Hill (1968, LP, A&M)
1. Fool on the Hill
2. Festa
3. Casa Forte
4. Canto Triste
5. Upa, Neguinho
6. Lapinha
7. Scarborough Fair
8. When Summer Turns to Snow
9. Laia Ladaia (Reza)