The Guess Who

Die kanadische Band aus Winnipeg hat wohl jeder schon mal gehört, trotzdem ist es nicht einfach bei The Guess Who den Überblick zu behalten da sich ihre Karriere in unterschiedliche Sektoren unterteilt. Fact ist, dass vermutlich jeder den Hit “American Woman” von 1970 kennt, meistens war es das dann auch schon mit der „Kenntnis“ von Guess Who. Ich persönlich schwöre übrigens auf die B-Seite der Single Hitsingle, Randy Bachman’s geniales Rockriff „No Sugar Tonight / New Mother Nature“.

Die Wurzeln von The Guess Who reichen bis in die späten 1950er zurück, ihre Vorgänger waren von Buddy Holly und später von den Shadows beeinflusste Bands wie The Silvertones (ab 1958, mit Gitarrist/Sänger Chad Allan und Bassist Jim Kale), Allan And The Silvertones (um 1962 herum zusätzlich mit Randy Bachman und Drummer Garry Peterson), Chad Allan & The Reflections, Chad Allan & The Expressions, letztere landeten mit ihrer Coverversion „Shakin‘ All Over“ (im Original von den Briten Johnny Kidd & The Pirates) auf Platz 1 der kanadischen Charts, schlussendlich kanalisierten sich die Aktivitäten 1965 in einem neuen Namen: The Guess Who. Der bisherige Motor Chad Allan verabschiedete sich 1966, das Lineup das 1970 mit „American Woman“ auftrumpfte bestand aus Jim Kale, Randy Bachman, Garry Peterson und Burton Cummings.


Eine der wenigen länger gültigen konstanten Orientierungspunkte im Lineup der Kanadier waren der Sänger, Keyboarder und Songwriter Burton Cummings, Bassist Jim Kale und Trommler Garry Peterson, das zweite Alphatier Randy Bachman hingegen verkrachte sich bereits 1970 mit Burton Cummings und startete zusammen mit Chad Allan (dem eigentlichen Gründer von Guess Who) den BTO-Vorläufer Brave Belt. Die Phase um „American Woman“ herum war aus kommerzieller Warte betrachtet der erfolgreichste Abschnitt der Karriere von Guess Who, die LP’s Canned Wheat (1969), Share The Land (1970) und American Woman (1970) dokumentieren diesen Höhenflug ziemlich eindrücklich.

The Guess Who mauserten sich gegen Ende der Sixties zu einer richtigen Rockband. Richtige Rockband? Naja, da geht die Diskussion vermutlich auch schon los, Guess Who erinnern mich persönlich immer ein wenig an ein Chamäleon und wechselte wie dieses Tierchen dauernd die Farbe. Anfangs britisch gefärbt, im Zuge des Erfolges von Dylan und Co. folkbestäubt, zwischendurch mit jazzigen Einschüben, kurz darauf leicht psychedelisch um dann gegen 1970 herum deutlich härter und rockiger zu werden, im Fahrwasser des Erfolges der Doobie Brothers klang die Truppe danach zeitgeistig laidback und aufgelockert.

Dass nach Bachman’s Abgang trotz häufiger Besetzungswechsel und endloser Tourneen laufend LP’s fabriziert wurden grenzt schon beinahe an ein Wunder. Nichtsdestotrotz fanden immer wieder kleine feine Songs den Weg aufs damals angesagte Vinyl, durchgehenden Hörgenuss verschafften in den Seventies allerdings nicht alle ihrer Alben: Einerseits stösst immer wieder mal auf Füllmaterial, andererseits findet man auf jeder ihrer Langrillen aber auch Highlights, zum Beispiel die mächtige “Sour Suite”, eine wunderschöne von Piano getragene Cummings-Komposition von ’71 (auf der LP So Long Bannatyne). Oder “Back To The City” vom 72er Album Rockin‘, eine kurze, zauberhafte Verbeugung vor Fats Domino und dem Rock’n’Roll der Fifties. In die gleiche Kerbe schlug “Don’t You Want Me” von der LP Road Food (1974) auf der man mit “Clap For The Wolfman” auch eine Kollaboration mit dem legendären Radio-DJ Wolfman Jack findet. Auf Artificial Paradise von 1973 befasste man sich in “Follow Your Daughter Home” mit karibischen Einflüssen.

Obwohl die Band nonstop durch die Welt tourte ging der Erfolg langsam aber sicher zurück, spätestens 1974 lösten Bachman Turner Overdrive dann Guess Who als kanadischer Rockexportschlager No. 1 ab. Mit Alben wie  Flavours (1974) und “Power To The Music” (1975) versuchten die ehemaligen Trendsetter den Anschluss an die Konkurrenz zu finden, es waren Alben denen trotz der Mitwirkung des ausgezeichneten Gitarristen Domenic Troiano kein nachhaltiger Erfolg beschieden war. Ich mag die musikalische Stimmung die Cummings, Peterson, Troiano und Bassist Bill Wallace auf Flavours festhielten trotzdem, man findet auf der Scheibe zwar keine eigentlichen Überflieger-Songs, dafür auf durchs Band handwerklich gut gemachten Rock in allen möglichen Schattierungen.


Die Guess Who am Ende der 70er hatten dann nicht mehr viel mit der ehemaligen Erfolgsband zu tun, Cummings und Peterson verliessen das sinkende Schiff bereits Ende 1975 nach der LP Power In The Music, die Guess Who die 1978 Guess Who’s Back veröffentlichten waren eine Neugründung von Bassist Jim Kale und Gitarrist Kurt Winter, beide waren nach Rockin‘ (1972) aus dem Lineup von Guess Who verschwunden. Für eine Reunion zu Beginn der 80er war dann neben Kale, Cummings und Peterson auch Randy Bachman wieder mit von der Partie.

Mein GuessWho-Einsteigertipp ist das Album Live At The Paramount von 1972 in der Besetzung Cummings, Kale, Peterson sowie den Gitarristen Don McDougall und Kurt Winter,
bei diesen Aufnahmen zeigte sich die Truppe voller Spielfreude und begeisterte die Konzertbesucher in Seattle mit teils herrlich langen Versionen ihrer Hits. Wer sich diesen Gig einmal in der remasterten Fassung auf CD zu Gemüte geführt hat, der muss damit rechnen, dass er sich danach auf einem nicht mehr enden wollenden Entdeckungstrip durch die Guess Who‘sche Discography wiederfindet.

Einen allgemein beschreitbaren Weg zur Musik von Guess Who gibt es nicht, man kann sich ihnen über eine einfache Compilation annähern oder falls man sich ihnen intensiver widmen will auf die Jagd nach ihren 70er-Alben machen, hier sind die Twofer-CD’s die BMG Canada um 2003/2004 herum veröffentlichte sicher eine gute Wahl. Aufgrund der vielen Tonträger könnten vertiefte Studien allerdings relativ kostspielig werden, vermutlich ist das aber vertretbar wenn man den Nutzen miteinbezieht den man aus dem stundenlangen Musikkonsum gewinnt.

Hurray… LONG LIVE ROCK!
mellow

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