Chad & Jeremy – Of Cabbages And Kings (1967)

Viele musikalische Meisterwerke wurden zum Zeitpunkt ihres Erscheinens nicht als solche erkannt, weshalb auch immer, im Fall von Of Cabbages And Kings (1967) von Chad & Jeremy ist aber ziemlich sicher die Tatsache daran schuld, dass drei Monate zuvor das monumentale Sgt. Pepper von den Beatles veröffentlicht worden war, ein Album das eine Zeit lang alles andere überstrahlen sollte. Okay, Cabbages And Kings wurde damals nur in den Staaten und in Kanada veröffentlicht, das mag ein weiterer Grund gewesen sein für den geringen Bekanntheitsgrad.

Die beiden Folkmusiker Chad Stuart und Jeremy Clyde hatten ein paar Jahre zuvor zur British Invasion gehört, sie sprangen im fernen Kalifornien im Gegensatz zu den meisten ihrer Kollegen von der Welle und liessen sich an der Westküste nieder, tauschten das feuchtkalte englische Wetter gegen ewig garantierten Sonnenschein aus und wurden demzufolge zu Vertretern des Sunshine Pop. Was sie für Columbia in der neuen Heimat produzierten brauchte sich nicht zu verstecken, die LP Distant Shores war angesagter softer Pop (1966) und die Single „Summer Song“ schaffte es immerhin in die Top 40.

Die LP Of Cabbages And Kings verliess dann bekanntes Terrain, die beiden Singer/Songwriter zündeten stattdessen ein irres progressives Feuerwerk aus Rock, Folkrock, Ragarock, Sitars, Tablas, Bachtrompeten (Baroque Rock) und ziemlich irren Soundcollagen. „Rest In Peace“ zu Beginn startet als Hörspiel und verwandelt sich in fantastisch dynamischen Rock im Stil der Who, der einem Grabsteinbildhauer gewidmete Song ist ganz einfach umwerfend. Das Album entwickelt sich regelrecht zum Trip und ist – obwohl die Songs ziemlich verschachtelt sind – zu jedem Zeitpunkt eingängig und mitreissend. Produzent Gary Usher hatte zuvor die LP Fifth Dimension von den Byrds betreut und war ziemlich überrascht wie experimentierfreudig die beiden Engländer hier zu Werke gingen, er liess sie aber einfach gewähren, das Resultat schlussendlich spricht für sich. Jeremy Clyde schrieb am liebsten überschaubare Songs, Chad Stuart hingegen war mehr der Arrangeur, zusammen ergänzten sie sich perfekt. Auf Of Cabbages And Kings sind es vor allem die Soundcollagen die überwältigend sind, grossartig wie Chad Stuart hier Songs, Sounds und Orchester ineinander verstrickte: Big Ben versus Teenie-Fangekreische versus Maschinengewehrfeuer versus Klospülung. Als Chad Stuart letzteres Geräusch auf der Toilette des Tonstudios aufzeichnete wurde er übrigens von einem Direktionsmitglied von Columbia überrascht. Immerhin wusste der dann, wohin das Geld für die  Produktion verschwand.

Um was es thematisch eigentlich genau geht ist mir auch nach wiederholtem Hören nicht wirklich klar, also ob es sich wirklich um ein Konzeptalbum handelt, es sind eher einzelne Geschichten die ineinander übergehen. Neben dem erwähnten „Rest In Peace“ war vor allem „Family Way“ gewagt, es behandelte sozusagen die eigentlich überall gesetzlich verbotene „Ehe ohne Trauschein“, in den 60ern bis weit in die 70er ein immer wieder heftig diskutiertes Thema. Wer mit Small Faces‘ Ogdens Nut Gone Flake, Tommy (The Who), Arthur (The Kinks), SF Sorrow (Pretty Things), der schillernden Popmusik von Donovan, der sinfonischen Sichtweise der Moody Blues und britischer Abgehobenheit etwas anfangen kann, der sollte Of Cabbages And Kings unbedingt eine Chance geben. Aus klanglicher Sicht sind die Aufnahmen übrigens grandios, selbst 50 Jahre später wirken sie als ob sie erst gestern entstanden wären.

Die Platte ist mindestens so schräg wie der 66er Gastauftritt den Chad & Jeremy bei in einer Folge der TV-Serie Batman gaben (Chad für einmal nicht mit seiner geliebten Doppelhals-Gibson sondern mit einem Höfner-Bass), dort wurden den beiden Barden die Stimmen gestohlen. Glücklicherweise hatten sie die wieder zurückerhalten, sonst hätte es Of Cabbages And Kings nie gegeben.

Of Cabbages And Kings hatte trotz guter Kritiken keinen besonderen Erfolg, ein Schicksal das auch die nachfolgenden LP’s, der Soundtrack 3 In The Attic (1968) und The Ark (1968) erleiden sollten. Jeremy Clyde brach danach seine Zelte in der neuen Welt ab und nahm in England seine Karriere als Theater-Schauspieler wieder auf. Chad Stuart blieb in den Staaten und arbeitete in erster Linie als Arrangeur und Produzent hinter den Kulissen. 1982 wagten Chad & Jeremy ein Comeback und gingen alle paar Jahre wieder auf Tour. Mittlerweile hat sich Chad Stuart altersbedingt aus dem Geschäft zurückgezogen, Jeremy Clyde ist aber noch immer mit seiner eigenen Band „on the road“, manchmal sogar zusammen mit einem weiteren alten Freund aus den 60ern, mit Peter Asher der einstigen Hälfte des Duos Peter & Gordon.

LONG LIVE BRITISH MUSIC!
mellow

 

Chad Stuart & Jeremy Clyde – Of Cabbages And Kings
(1967, Columbia)
A1) Rest In Peace
A2) The Gentle Cold Of Dawn
A3) Busman’s Holiday
A4) Can I See You
A5) Family Way
A6) I’ll Get Around To It When And If I Can

The Progress Suite, Movements 1 Thru 5
B1) Prologue
B2) Decline
B3) Editorial
B4) Fall
B5) Epilogue

Bonustracks CD (2002, Sundazed):
12. Manners Maketh Man
13. Cautionary Tale
14. The Gentle Cold Of Dawn (Instrumental)
15. Rest In Peace (Single Version)
16. Painted Dayglow Smile (Single)
17. Sister Marie

(Visited 199 times, 1 visits today)

Kommentar hinterlassen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert