Audiophile Philosophen philosophieren philosophisch
DCC, MFSL, Craft, Impex, Classic Records, Analogue Productions, ERC und gefühlt eine Million anderer Labels machen ihr Geschäft mit den „audiophilen“ Musikhörern unter uns, oder genauer gesagt, den Anlagehörern. Die Musik ist nur noch Staffage und es geht mehr darum im Bekanntenkreis seine neuesten Gimmicks vorzuführen (heute auch in den Foren und ich will nicht wissen wieviele Forennutzer die Anlagen wirklich besitzen, die sie vorgeben in ihrem Hörraum zu haben). Anlagen, weil immer wieder die gleichen Artisten von der „Elite“ durchs Dorf getrieben werden, seien es die Dire Straits, Patricia Barber, Beatles, Pink Floyd und sonst noch alles was in den letzten 60 Jahren zu Tode geritten wurde. Aber mit Jahren, wenn nicht Jahrzehnten Erfahrung in HiFi-Foren weiss ich wovon ich rede.
Selber habe ich zwar immer auf Qualität (musikalisch und technisch) geachtet, aber ich habe leider nur zwei Ohren und auch nicht das absolute Gehör. Und es würde mir nie im Leben einfallen für Untersetzer unter die Einzelteile der Anlage (oder Brückenteile für Kabel) mehrere tausend Euro auszugeben. Kennt ihr nicht? Kabel dürfen im Highend-Bereich nicht auf dem Boden liegen, da sie sonst Schwingungen aufnehmen könnten (in welchen Bruchbuden wohnen eigentlich die Audiophilen?) und das soll u.a.. mit Holz-Klötzchen (für Arme) und geheimen Materialzusammensetzungen (für die Mittelklasse) korrigiert werden. Ich wundere mich auch manchmal, was für Schrottanlagen diese Audiophilen haben müssen, wenn sie mit Hilfsmitteln aus dem Bastelkasten meinen, eine wirkliche Klangverbesserung hinzukriegen. Wenns ganz gut kommt mit in Längsrichtung gebürsteten Silberdrähten, die bei Vollmond von einer Jungfrau auf die Leine gehängt wurden und dann 14 Tage bei minus 35 Grad im Freien verbleiben müssen.
Wenn jemand jetzt denkt ich übertreibe, nicht wirklich. Die Zulieferindustrie, die Cent-Artikel zu vier-oder fünfstelligen Beträgen verkauft, die gibts. Und es gibt die Doofkappen, deren einzige Antwort ist „aber ich hörs doch“, gefolgt von „wenn man es nicht versucht, dann kann man auch nicht mitreden“. Ich nenne jetzt hier kein Audioforum, aber wenn ihr eines findet, dann bleibt ein Jahr dabei (oder so), euer Psychiater wird sich freuen, wenn er euer Trauma im Anschluss an diesen Versuch wieder geraderücken kann. Kurz gesagt, wenn man nicht mal Einblick genommen hat, dann kann man sich die Niederungen nicht vorstellen.
Aber auch die Einstufungen der Pressqualität ist ein Gehaue und Gesteche mit gewissem Ausgang. Audiophile haben immer recht, sie hörens ja. Dass Vinylschallplatten (und auch Materialien aus anderem Rohstoff) inhärente Fehler haben, das wird nicht zur Kenntnis genommen und dann gibt es da Typen die eine LP fünf Mal umtauschen (ebenfalls kein Witz) nur um darauf den drölfigsten Thread zum Thema „früher war alles besser“ zu starten. Aber eines ist klar, diese Blase bewegt sich in einem abgeschlossenen Kreis und eine Kontamination zu Lasten des normaleren Teils der Restbevölkerung ist fast (nicht gänzlich) ausgeschlossen.
Ganz steil wird das, wenn man die Websites dieser Voodooproduzenten durchliest. Da gibt es seitenlange erfundene „wissenschaftliche“ Behauptungen (die nicht mal Basiswissen zeigen und nur klar machen, dass da der grosse Reibach gemacht werden soll). Natürlich verkaufen sich zwei Meter „informierte“ Highendkabel zum Preis von 75’000 Euro nicht jeden Tag, aber es gibt hier genügend Leute, die sich das leisten können und dann meinen, ihre Ansicht wäre richtig. Interessanterweise ging (und geht) ja vieles von dem Schrott nach Russland und in den Fernen Osten. Wirklich wilde Anlagen kommen ja z.B. aus Japan und da muss man dann schon mindesten 7-stellig hinlegen. Und ein solcher Plattenspieler mit allem drum und dran kommt dann locker mal auf nahezu eine Tonne Gewicht. Richtig gelesen, eine Tonne! Das heisst, die Hütte muss drumrum gebaut werden und legt ein paar hundert Kilo Sand zur Seite, die Stützen müssen ja auch noch mit irgendwas gefüllt werden.
Und dann kommt auch noch das Alter der „Audiophilen“ ins Spiel. Man darf ruhig davon ausgehen, dass die jüngsten Teilnehmer eines Hi-Fi-Forums nicht viel jünger als 40 Jahre sind (und die totale Minderheit darstellen). Das Gros der Benutzer (und die, die das Geld zu haben scheinen) bewegt sich wohl jenseits der 60er mit nach oben nicht ganz offenem Ende. Für jeden wartet irgendwann die Grube. Aber diesen Leuten ist einfach nicht aufgefallen, dass ihr Gehör abnimmt. Und zwar bei jedem. Die Zeiten, wo man Frequenzen von über 20’000 Hertz hören konnte (analog gilt das auch bei tiefen Frequenzen) sind schon lange vorbei. Und diese Leute wollen dir erzählen was Sache ist? Mit Dire Straits auf dem Plattenteller? Und dir noch Tips geben wie man den Tonarm einstellt? Und dass der 35’000 Euro Tonarm nur geeignet für harten Rock ist (so z.B. Simon & Garfunkel) und wenns doch etwas toller zugehen soll (Achtung Herzschrittmacher synchronisieren mit einem Kabel über 17’652 Euro), z.B. mit „Take Five“ in der Brubeck Version, aber Vorsicht, das haut ganz schön rein und es kann sein, dass euer Hochtöner hopps geht.
Man könnte fast meinen, ich hätte etwas gehen Audiophilie und Audiophile. Dem ist nicht ganz so, stehen doch sehr viele, der im Eingang erwähnten Labels in meiner Sammlung (und ein paar andere mehr). Mit einer Ausnahme sind mir die aber alle am Berühmten vorbeigegangen, will sagen, die LPs (und CDs) wurden nicht gekauft weil sie vorgeblich audiophil waren und sind, sondern weil sie greifbar waren und für eine gewisse Qualität standen. Mein Kurzzeitgedächtnis hat mir nie erlaubt mich hinzusetzen und zwei verschiedene Pressungen der selben Aufnahme zu vergleichen. Ich konnte das nie so lange abspeichern wie nötig. Es gab natürlich Ausnahmen, aber da hätte man Tommy sein können. „Mad Man Blues“ von Dr. Feelgood in der Erstausgabe auf Lolita war so ein Ding! Grauenhaft! Dr. Feelgood als Metaller! Und das war für mich untragbar. Als Komplettsammler hatte ich natürlich jede möglich Variante gekauft, aber den Rest nicht mehr angehört. Ich weiss nicht mehr was mich damals geritten hat, aber ich habe eine andere Pressung als die von Lolita aus dem Regal gezogen und siehe da, die Sonne ging auf! Ein echtes Dr. Feelgood Album welches den Platz bei der Kelly Family nicht verdient hatte.
Ein Problem, dass viele dieser „audiophilen“ Labels hatten und haben, was nicht millionenfach verkauft und ohne Ende nachgepresst wurde, kommt nicht in den heiligen Tempel (natürlich gibt es hier auch ganz wenige Ausnahmen). Aber wer sich völlig auf diese Labels verlässt, der hat repertoiremässig eine ganz traurige Sammlung. Dabei fällt mir ein, „Jazz At The Pawnshop“ hatte ich mir vor Jahrzehnten Mal als LP zugelegt, die war der grosse Renner in allen HiFi-Zeitschriften die ich damals gelesen hatte. Da kamen dann schon vier bis sechs Magazine pro Monat zusammen und das wiederholte sich ständig, da musste ums Verwürgen mindesten alle paar Monate eine neue Referenz gekürt werden und die Rezensionspalten sahen aus, als hätte euer Grossvater seine Sammlung geplündert und der Radetzkymarsch wäre gerade auf Platz eins in die Hitparaden eingestiegen. Und die besagte „Jazz At The Pawnshop“ ist etwas vom Uninteressantesten und Belanglosensten, dass man sich vorstellen kann. Immer, und ich meine immer, wurde als Beweis der audiophilen Qualität dieser LP das Geklirre der Gläser im Publikum und das Gemurmel der Anwesenden als Highend verklärt. Wie kann man nur so tief sinken? Und die Jünger des guten und reinen Klanges folgen den Vorsagern wie weiland der Rattenfänger von Hameln mit seinem Gefolge.
Bei irgendeiner Roger Waters LP bellen im Hintergrund Hunde und was machen die „Experten“, „diskutieren“ monatelang ab wann und auf welchen Pressungen man das hört und welche Rasse die Beller hatten. Und du liest in einem Forum mit und denkst du bist in der Irrenanstalt. Lebenslänglich. Es gibt eigentlich nur eines um bei Verstand zu bleiben, abseilen von solchen Foren und links liegen lassen. Ob jemand seine Kohle in Voodoo-Equipment investiert, dass kann ja schlussendlich jemand Anderem egal sein (aber dann verbitte ich mir jegliche Diskussion über das Thema HiFi mit so jemandem, man muss ja nicht als punching Ball herhalten). Nicht mein Geld, nicht meine Langweile und dass die eigene Anlage kontinuierlich einem „Update“ unterzogen werden muss, aber die Musikauswahl bei 30 LPs (von Dire Straits) stecken geblieben ist und sich nirgends hinbewegt hat, das ist halt so. Ehrlicherweise muss man (ich) einfach konstatieren, HiFi und Musik sind diametral entgegengesetzt und werden keine Freunde mehr. Ich stehe bei Letzterem (mit Ansprüchen). Die männliche Form in diesem Beitrag ist übrigens bewusst gewählt, in all den Jahren die ich in diesen Foren verschwendet habe, reichen mir die Finger an einer Hand um die weiblichen Mitglieder abzuzählen. Und dann sind dies die gleichen Spielchen wie in der Gesellschaft und es ist halt schon peinlich wie sich das Gros der männlichen Benutzer eines Forums aufführen, wenn sich der Erich als Susi anmeldet. Aber das hat möglicherweise wieder mit den Dire Straits zu tun.
Nachsatz: Dieser Beitrag ist mir insofern etwas entgleist, als hier auf eines der oben genannten audiophilen Label noch hätte näher eingegangen werden sollen. Ich trenne das und komme mit einem separaten Beitrag noch um die Ecke. Bis dann, Punk, Hardrock, Noise, Industrial rules. Und demnächst mit einem etwas positiveren Beitrag.
P.S.: Eines noch: Der absolute Wahnsinn hat sich ja beim MFSL-„SKandal“ gezeigt, wobei hier der eigentliche Skandal war, dass die Alleswisser und -kenner nicht lesen konnten und keine Ahnung von Abläufen hatten, so z.B. die Auffassung, dass Labels ihre Original-Masterbänder an jede 08/15 Klitsche rausgeben und das Masterbänder für ein Album zu 100en vorliegen. Der Aufschrei nachdem klar wurde, dass MFSL bei den Labels auf DSD überspielt hat, der nach dem Interview mit MFSL Toningenieuren wie ein Tsunami über die Szene kam, hallt mir heute noch nach und ist wahrscheinlich für meinen leichten Tinnitus verantwortlich. Natürlich hätte MFSL offensiver mit der Frage der DSD-Kopien umgehen können, aber wenn man etwas nicht zur Kenntnis nehmen will, dann will man halt eben nicht. Vor allem auch, weil man sich ertappt fühlt (als Konsument, der die vollständig analoge Kette seit Jahren gepriesen hatte, „er hats ja gehört“). MFSL hat z.B. meiner Meinung nach immer einen sehr guten Job gemacht und macht weiterhin einen guten Job. Lasst euch kein X für ein U vormachen.
P.P.S.: Das MFSL Logo ganz am Anfang dieses Beitrags dient quasi nur als Platzhalter für die vielen audiophilen Labels die es gibt und hat keine weitere Bedeutung im Zusammenhang mit diesem Beitrag.