NDM: Asshoff & Bradi – Ich Will

Rhythm’n Blues trifft Rock, trifft auch Pop – Ja warum nicht ??

Es ist wie mit einer schweren Infektion, man steckt sich an und man wird den Virus meist nie wieder los. Das trifft nicht nur auf die Gesundheit zu, sondern oftmals auch auf das Musizieren. Zwei die irgendwann schon sehr früh im Leben infiziert wurden, sind Grazia Bradi (Gesang, Texte) und Uwe Asshoff (Saiten-Instrumente, Produktion). Deren Wege kreuzten sich signifikant zum ersten Mal Mitte 2018 bei der Wiedergeburt einer 80er-Legende des Ruhrpott-Rock. Bevor Herne 3 nach weit über 30 Jahren nun mit »Auf Ein Neues« wieder ein 13-teiliges Lebenszeichen aus dem Zentrum des Ruhrgebiets in die germanische Musikwelt geschickt hat, ist Uwe schon wieder weg von der Truppe. Grazia bleibt erst einmal weiter Bord, kehrt aber der Combo später nach Veröffentlichung des Reunion-Albums dann auch noch den Rücken. Die Kontakte zwischen den beiden Aussteigern reißen aber nicht ab, im Gegenteil, es entsteht aus den ersten gemeinsamen Ideen schnell mehr greifbares. Man findet mit TinaColada Klangwelt von Claudia Stern in Unna dann auch einen passenden Hafen, der auch mit ADALOC music die entsprechende komplette Logistik und Wolfgang Pentinghaus den passgenauen Produzenten für eine zeitgemäße professionelle Veröffentlichung bereitstellen kann.

Asshoff & Bradi: Ich will (Front)

Asshoff & Bradi: Ich will (Rück)

Asshoff & Bradi: Promo

Grazia & Uwe – Klavierunterricht und Chor-Gesang in Sardinien sind das Rüstzeug für Grazia Bradi um später dort in Alghero (sehr schön an der Nordwest-Küste) in einer Cover-Band und als Bar-Pianistin früh in der dortigen Szene zu spielen. Sie kommt dann nach Deutschland, hat hier 1992 ihre ersten musikalischen Veröffentlichungen mit dem Euro-House-Projekt Mystify (»I Can‘t Wait« und »Come To The Party«). Zusammen mit Lebenspartner Olaf Scherf musiziert sie nun weiter und kommt durch ihn auch in Kontakt mit Herne 3 beim Relaunch 2018. Dort übernahm sie gewohnt Keyboards und unterstützenden Gesang. Uwe Asshoff ist ebenso früh am Musizieren, Schüler & Studentenbands (Ira In Census), für die Rock-Truppe Yucatan steuert er 1982 Bass und Gitarre für das einzige selbstbetitelte Vinyl bei (heute bei Sammlern eine gesuchte Rarität). Danach arbeitet er in verschiedenen Projekten und Formaten von Eckhard Lander mit. Bis die reformierten Krautrocker von Epidaurus einen Gitarristen suchen, er mit ihnen 1994 »Endangered« aufnimmt und bei Penner Records (heute Garden Of Delights von Walter Nowicki) veröffentlicht. Seit 1987 ist er auch Saiten-Mitarbeiter bei den etlichen Neuanläufen der Ruhrpott-Rocker Herne 3, unterstützte nicht nur bei den beiden Zusammenstellungen »Meilenweit« (1998) und »Gute Besserung! 20 Jahre Herne 3« (2002). Nachdem Herne 3 dann mit einem Comeback-Konzert im Mai 2019 in der ausverkauften Flottmannhalle in Herne zum erneuten Sturm auf die Hitlisten bläst, ist er dann später bei der erwähnten Veröffentlichung »Auf Ein Neues« bereits ausgestiegen und arbeitet fortan schon fleißig an eigenem Material. Hilfe und Beistand erklären viele Weggefährten, einzig Grazia bleibt ihm treu und beide lassen sich auch durch Virus, Pandemie und Kriege nicht abhalten ihre gemeinsamen Visionen zu verwirklichen und der Musikwelt das hier als »Ich Will« stolz als Einstieg zu präsentieren.

Eigentlich wollte das Duo ein paar Lieder mehr auf ihren Erstling packen, aber wie viele andere Musiker-Kollegen haben Grazia und Uwe in dieser Pandemie feststellen müssen, Planung und Umsetzung können da schon mal etwas auseinanderdriften. Alles war doch etwas zäher als ursprünglich gedacht, aber wer doppelt infiziert ist, um diese Metapher weiter zu benutzen, der bleibt dennoch dran und liefert ab. Das ist Ende 2022 nun geschehen. Drei feine Titel und einen Campingplatz-Mix von »Eisheiss« sind es erst einmal beim Erstling geworden. Das weitere zusätzliche Material ist schon vorproduziert und liegt schon in griffweite bereit. Wie das Label ADALOC music selbst schreibt: „Rock trifft Rhythm’n Blues trifft Pop.“ Und irgendwie scheint sich mein bluesiger Weg von 2022 nun kontinuierlich fortzusetzen. Als ich zufällig das schön gestaltete Promobild mit diesen zwei mir bekannten Gesichtern sah, ein Maxi-Format der Frontseite des Card-Sleeve, dachte ich so bei mir, das ist doch genau dein Beuteschema, da musst du doch mal reinschnüffeln. Das mache ich nun…

…und spiele das erste Stück »Ich Will« an. Ein Groove der einem sofort in die Hüften geht, Blues-Gitarre vom Feinsten, ein von Grazia komponierter Text, wie ihn nur so eine kraftstrotzende Lady komponieren und geradeaus vortragen kann. Der komplette Song ist mit reichlich passend sitzenden Keyboard-Saxofon-Tupfern bestückt und hat einen bärenstarken Mittelteil mit Hammer-Sax-Soli von Nappo. Es ist schon echt erstaunlich, dass man in so einer Megastadt wie dem Ruhrgebiet immer wieder und nun bereits seit über 40 Jahre über Fritz Brause stolpert. Hier diesmal in Gestalt des Saxofonisten Klaus „K-Nappo“ Bernatzki, der diesem gemischten Duo mittels seiner einfühlsamen musikalischen Begleitung kollegial zur Seite stand. Das fängt ja schon mal recht voluminös, druckvoll und fast schon schwindelerregend an. Es geht aber mit dem klassischen Rocker »Lass Mich Los« auf diesem hohen Niveau weiter. Wie schafft man so eine dichte ausgewogene Instrumentierung hinzubekommen, unglaublich. Alles wirkt wie aus einem Guss. Und erneut ein ebenso sehr schöner und zeitgemäßer Text, in einem modernen wunderbaren glasklaren Vortrag. Und schon geht’s weiter mit »Eisheiss«, natürlich nun fast zu erwarten, handwerklich 1A über alle Instrumente. Erneut dominieren die jeweils ein Dutzend Gitarren und Keyboards die Kompositionen, aber auch das volle Gebläse von Klaus macht wieder ordentlich Durchsatz im Windkanal. Der Gesang ist unfassbar voll und variantenreich, durch mehrere geschickt übereinander, gelegte Gesangsspuren entstehen immer neue Chorale, aber immer klar zu verorten die wunderbare Stimme von Grazia. Kaum zu glauben, dass diese vokalen Klangerzeugnisse alle aus diesem zarten Gold-Kehlchen stammen. Unerwartet zum Abschluss bei »Eisheiss« im Campingplatz Mix spielt Uwe noch einmal seine Stärken an der Akustischen aus, sensationell dazu im Duo mit einer durchaus ebenbürtigen Quetsche, dadurch kommt tatsächlich Lagerfeuerstimmung auf. Akzentuierte Perkussion genau dosiert und klanglich an den richtigen Stellen. Alles wirkt tatsächlich perfekt harmonisch, auch die vokalen Akzente von Grazia, es entfaltet sich zum Abschluss sehr intime Stimmung, mit Acapella »Eisheiss« im Fade-Out. Dieser Campingplatz Mix, trotz gleichem Text, ein völlig anderes Lied. Hier zeigt sich für mich auch wieder einmal, wie wichtig neutrale und fachkundige Ohren, für eine Produktion sein können. Claudia Stern und Wolfgang Pentinghaus alias TinaColada Klangwelt haben mit ihren unterschiedlichen Erfahrungen und meisterlichen Zugaben den leider nur vier Kompositionen den letzten, aber durchaus sehr wichtigen, Schliff verpasst. Die beiden Pärchen sollten unbedingt so weitermachen, ich freue mich auf den kommenden Nachschlag.

Grazia Bradi (Herne 3)

Uwe Asshoff (Herne 3)

Tina & Wolfgang (TinaColada)

Als Resümee, hier spielt ein sehr starkes Duo auf Augenhöhe mächtig auf. Ich wünsche mir mehr von solcher Musik. Wer sich auf diese erstklassig vorgetragenen vier kraftvollen Lieder einlässt, wird mir spätestens nach dem dritten Durchlauf ohne Einschränkungen beipflichten, Musik die in diese Zeit gehört. Uwe; schön, dass du nicht nachgelassen und es gepackt hast, und wie. Hier ist nichts mehr von einem hängenden Kopf zu bemerken, warum auch. Grazia; ich habe dich im März 2019 hinter einer Wand von Männern genau beobachtet und mir gewünscht das du mal das Heft, sprich das Front-Mikro in deine Hände nimmst, und dann den alten Männern mal den Marsch bläst. Es ist tatsächlich wahr geworden. Und dass dieser flinke Saiten-Virtuose Uwe Asshoff an deiner Seite, dich Grazia Bradi so mit Leidenschaft in Szene setzt und unterstützt, Chapeau ihr Beiden.

„Ich sprüh‘s auf jede Wand, solche Frauen/Duos braucht das Land.“

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