Und dann wurde die Luft dünner und dünner, Mitte 70er fühlte sich der Grossteil der Blues-Boom-Artisten immer unwohler. Zwar hatte man gerade eben in irgendwelchen dunklen Nischen das grassierende Glamfieber überlebt, aber schon standen so unbegreifliche Dinge wie Punk und Disco gefolgt von Heavy Metal auf der Matte. Tja, die goldene Epoche des europäischen Blues ging schnell den Bach runter, die Überlebenschance tendierte Ende der Siebziger gegen 0%.
Einige der alten Garde gingen Kompromisse ein, erkannten die Zeichen der Zeit, passten sich an und spielten nun entschärfte Gitarren, Clapton beispielsweise, sprich je softer er daherkam umso grösser wurden die Erfolge. Rory Gallagher gab es im Gegenzug härter und rockiger. Und manche hatten geradezu gigantischen Erfolg mit ihren neuen Soundkleidern und wurden zu Millionären, erklommen gar die exklusive Platin-Liga, siehe/höre Fleetwood Mac. Andere warfen die Flinte ins Korn, gaben auf, Keef Hartley kann man da sicher auch dazu zählen. Eine weitere Fraktion blieb den überlieferten Bluesschemata treu, ging lieber zusammen mit John Mayall auf Tauchstation und gewann erst in den Nineties wieder Oberwasser. Im Herbst ihrer Karrieren fanden witzigerweise fast alle wieder zum Blues zurück.
Savoy Brown, eines der Flaggschiffe des britischen Blues war ebenfalls arg ins Trudeln geraten. Nachdem Paul Raymond zu den Rockern von UFO abwanderte, war Mastermind Kim Simmonds’ Unternehmung zum Trio geschrumpft. Die letzte Platte für DERAM war schlussendlich wohl nur noch eine Vertragserfüllung gegenüber der Record Company, Kim Simmonds Entschluss definitiv in die USA zu desertieren stand da garantiert schon fest.
Jedenfalls wurden die antiken, rostigen Kanonen nochmals geladen und heraus kam Savage Return, eine stampfende Blues/Hardrock-Scheibe (jajaja… klar… mit Blueseinfluss… ich gebs ja zu) die für mich alles andere als ein Rohrkrepierer war und bis heute ein feines funkelndes Juwel geblieben ist. Was die alten Fans von Savoy Brown wohl am allermeisten schockierte war der Leadgesang den Kim seinem Bassisten überliess: Für meine Ohren war die Stimme des hauptamtlichen Tieftöners Ian Ellis (er stieg 1976 bei Savoy Brown ein, spielte zuvor bei der schottischen Progband Clouds) sowas wie eine Offenbarung, ich war damals schliesslich schon ausreichend geeicht mit Bassisten die eine hohe Stimme besassen (Geddy Lee, Burke Shelley). Natürlich gab es noch Bezüge zur Vergangenheit, “Play It Right” klang wie eine Fusion aus einem Stones-Track und Dr. Hook. Dass man sich für die Produktion in die Waliser Rockfield-Studios zurückgezogen hatte, tat dem ganzen Unterfangen ausserordentlich gut: Savoy Brown klangen nie dreckiger und knochiger, hatten nie zuvor solch so einen fetten Drum/Bass-Groove drauf wie ihn hier Drummer Tom Farnell und Ian Ellis so locker aus dem Handgelenk schüttelten. Ich bin mir sicher Kim Simmonds hat sich wohl gefühlt mit dieser exzellenten Dreierpackung (er wählte später immer wieder mal die Trio-Grösse, ich erinnere mich da nur zu gerne an einen umwerfenden Savoy–Brown-Club-Gig mit dem singenden Bassisten Nathaniel Peters), dermassen entspannt hatte man ihn auf den vorangegangenen selten zu hören bekommen. Auf den versammelten neun Simmonds/Ellis-Kompositionen musste er allerdings als alleiniger 6-Saiten-Bediener alles geben, hatte tief in die Riffkiste zu greifen und punktete mit seinem typischen, unverwechselbaren Solo-Sound.
Für mich persönlich ist Savage Return das perfekte Schlussbouquet der DERAM-Aera, vielleicht ist das sogar die letzte traditionelle hardrockgeschwängerte British-Blues-Platte der ausgehenden Seventies. Ein Meisterwerk, ein Prunkstück welches nie in Jahre gekommen ist, Dekaden danach noch immer fester Bestandteil meines berüchtigten Inselkoffers.
LONG LIVE ROCK!
mellow
Savoy Brown – Savage Return (1978)
1. First Night
2. Don’t Do It Baby, Do It
3. Spirit High
4. Play It Right
5. Walk Before You Run
6. My Own Man
7. I’m Alright Now
8. Rock It Roll Man
9. Double Lover
Nachtrag:
Savage Return wurde von Robert John “Mutt” Lange produziert. Ja, der, genau der welcher später für AC/DC’s Highway To Hell mitverantwotlich gemacht werden kann, kein Wunder also gefällt mir die hier angepriesene Scheibe dermassen gut: Den auf Savage Return eingeschlagenen rohen und groben Soundpfad ging der Herr Produzent konsequent weiter, bis zum höllischen Ziel.
Ein weiterer Bezug zu den damals aufstrebenden Australiern: Offenbar machten AC/DC 1978 in den Staaten da und dort den „Supporting Act“ für Savoy Brown. Gemäss „Ohrenzeugen“ muss es ein Desaster für Savoy Brown gewesen sein, sie wurden von ihren Anheizern regelrecht gegen die Wand gefahren.