Sechs US-Hard-Rock-Cowboys aus dem Staat des einsamen Sterns Texas
Grand Iron Mountain Funk – Die USA Anfang der 1970iger, der Hardrock steckte wie überall auf der Welt noch in den Kinderschuhen, löste sich gerade von seinen Wurzeln aus Blues-, Classic-, und Psychelic-Rock. Und hier wieder einmal eine talentierte Truppe aus der aufblühenden Zeit als der Hard-Rock sich in die Hitparaden kämpfte, diesmal aus Fort Worth, Texas. Das selbstbetitelte Debüt Bloodrock datiert aus dem März 1970 sorgte schon für Aufmerksamkeit. Der Sound ist (wie der bekannte Journalist Chris Welch es seinerzeit sehr kurios und allumfassend nannte) angewurzelt irgendwo zwischen Black Sabbath, Blue Cheer, Iron Butterfly und Grand Funk Railroad, deren damaliger Manager Terry Knight mit gleicher Masche und wie am Fließband auch das Debüt und die beiden Nachfolger dieser Texas-Rangers produzierte. Gleichzeitig übernahm er auch noch bis 1972 das Management, sodass es auch wenig verwunderte das die vielschichtigen »Bloodrock« mehrfach als Unterstützung für Grand Funk auftraten. Sicher nicht zum Nachteil der erfolgreichen Funk-Rocker aus Flint in Michigan. Leider schaffte aber diese Texas-Rock-Band nie den großen weltweiten Durchbruch.
Long Way To Glory – Die Wurzeln dieser Truppe liegen bei den The Naturals, die 1963 nur eine Single veröffentlichten und bei denen damals schon das Rhythmus-Gespann James Tracy Rutledge (Schlagzeug, Gesang) und Eddie Grundy (Bass, Gesang) zusammen mit den Gitarristen Doyle „Nick“ Taylor (verstorben 2010 nach Autounfall) und Dean Parks am Musizieren waren. Kurz danach ändern sie ihren Namen und bringen insgesamt drei Singles als Crowd + 1 heraus, die beiden zum Abschluss bereits für Capitol und produziert von T-Bone Burnett. Haupt-Komponist und Gitarrist Dean Parks ist 1967 nach der ersten Single ausgeschieden, komponiert aber weiterhin Songs für die Band. Dafür ist nun Lee Pickens an der 6-Saitigen und Keyboarder Stevie Hill mit dabei. Dann 1969 erneut Wechsel des Namens und Stil sowie neuen Produzent Terry und fertig ist das Rüstzeug für eine vermeintlich erfolgreiche Karriere. Und das wird gleich mit einem Bündel von soliden hartrockigen Krachern, die den Zeitgeist der 70iger atmen, auf diesem Debüt gezeigt. Sie sind aber nicht nur wild und laut, sondern haben hier schon ihr durch die Vorgeschichte und die regionale stilistische Prägung ein eigenständiges vielschichtiges Klangbild. Neben zwei rifforientierten elektrischen Gitarren, gibt es gleichzeitig noch die für einige damalige US-Bands Rock-typische elektrische Orgel (sprich Keyboards) zu hören. Sie treibt die meisten Songs zusätzlich an und manchmal dominiert sie auch. »Gotta Find A Way«, »Double Cross«, »Wicked Truth«, »Fantastic Piece Of Architecture« und »Melvin Laid An Egg« brauchen den Vergleich mit Titeln bekannterer Kollegen, auch nicht der Label-Kollegen aus Michigan, nicht zu scheuen. Anfang der 70iger gab es eigentlich Heavy Metal noch nicht, aber Bloodrock waren sicher schon ganz nah dran.
Das Sahnestück – Das schlagkräftige Urgestein und melodische, kraftvolle Frontstimme Jim Rutledge wird vom Sitz hinter dem Schlagzeug nach vorne ins Rampenlicht beordert, Zugang Rick Cobb III übernimmt seinen frei werdenden Posten. Nun also ein Septett und mit dieser stabilen Mannschaft werden die nächsten vier Alben für Capitol eingespielt: das Meisterstück »Bloodrock 2« (1970, ST-491) mit dem einzigen Single-Hit »D.O.A.«, »Bloodrock 3« (April 1971, ST-765) sogar mit »A Certain Kind« einem wunderbaren Soft Machine Cover, »Bloodrock USA« (1971, ST 645), und »Bloodrock Live« (1972, SVBB-11038). Musikalisch bauten Bloodrock das Konzept von Bloodrock 2 weiter aus, betiteln ihre dritte Scheibe schlicht Bloodrock 3 und zeigten was sie auf den vorangegangenen Tourneen von eben erwähnten Grand Funk Railroad und Black Sabbath gelernt hatten. Erneut ein in sich geschlossenes Werk, das an den sehr guten Vorgänger anknüpfen kann. Anspieltipps hier: »Jessica«, »You Gotta Roll«, »America America«. Terry Knight ist nach dem dritten Werk nicht mehr der Produzent, kümmert sich jetzt hauptsächlich um die immer erfolgreicheren Grand Funk, aber dort ist auch nach »E Pluribus Funk« (11-1971) Schluss. Der bekannteste Blutrock-Song »D.O.A.« erzählt einen vom 17-jährigen Lee Pickens selbst beobachteten tragischen Absturz eines Klein-Flugzeugs.
Bunt und doch unbeachtet – »Bloodrock U.S.A.« wurde erstmals Ende 1971 veröffentlicht und war der vierte Streich in der Kette und stach sofort wegen des surrealen Cartoon-Artwork ins Auge, das trotz der schrillen Farbgebung eine ziemlich derbe Szene zeigt und mit Sicherheit der amerikanischen Waffenlobby nicht unbedingt ein Lächeln auf das Gesicht gezaubert hat. Das Album ist zwar nicht das erfolgreichste, aber eines der besten und reifsten Werke die Bloodrock veröffentlicht haben. Dies wurde in der klassischen Besetzung Jim Rutledge (Gesang), Lee Pickens (Führende Gitarre), Nick Taylor (Gitarre), Ed Grundy (Bass), Stevie Hill (Keyboards) und Rick Cobb (Schlagzeug) eingespielt. Hier perfektionierte Bloodrock ihren erdigen Gitarren/Orgeldominierten Südstaaten-Hard-Rock, den man auf den drei Vorgängerscheiben bereits zu Gehör gebracht hatte, diesmal mit dezenten jazzigen Klängen und sogar mit einem Flötensolo. Einen Titel herauszuheben ist unnötig, denn das Album ist ohne Ausfälle in sich geschlossen gut. Auf der anschließenden Tour wurden dann erstmals Live-Aufnahmen mitgeschnitten die im Folgejahr unter dem Titel »Bloodrock Live« als Doppel-LP veröffentlicht wurden.
Wunderbar und wirklich Rar – Die ersten beiden verlassen 1972 die Blut-Rocker. Lee Pickens veröffentlicht als LPG (Lee Pickens Group) 1973 sein einziges selbstbetiteltes Album mit einer komplett frischen Besetzung. Urgestein und prägende Stimme Jim Rutledge steig auch aus, veröffentlicht aber 1976 das Solo »Hooray For Good Times« und mit Gitarrist John Nitzinger später auch noch »Bloodrock 2013«. Mit »Passage« (1972) und »Whirlwind Tongues« (1974) erscheinen ohne die Beiden die zwei letzte Capitol-Alben von Bloodrock. Von dem bis zur Auflösung 1975 unveröffentlichten »Unspoken Words« einmal abgesehen. Das wurde dann auf dem Doppel-Decker »Triptych« (2000, One Way Records) zum ersten Mal mit veröffentlicht. Bei diesen drei Alben hat eindeutig durch die Umbesetzungen eine ordentliche Stilveränderung stattgefunden. Passage fiel mir in den 80igern in die Hände und ich war sofort begeistert. Unmittelbar danach habe ich mir Whirlwind Tongues gekauft. Diese Musik hat was Besonderes, ist abwechslungsreicher, progressiver und unterscheidet sich ziemlich von dem vorangegangenen Bloodrock-Material. Der gute Einsatz von Blass-Instrumenten wie Flöte, Saxophon und Harmonica ist Warren Lee Ham zu verdanken. Er ist nach Weggang von Rutledge auch die führende Stimme. Ein weiterer Versuch mit neuer Herangehensweise und poppigeren Ausrichtung, sie wollten mehr und neues Publikum dazu gewinnen. Wer etwas Besonderes aus dieser wilden und kreativen Zeit entdecken will, hier seien auch noch Black Oak Arkansas, Bubble Puppy (Demian), Captain Beyond, Crabby Appleton, die frühen Molly Hatchet oder Quicksilver Messenger Service zu erwähnen, der sollte ohne Hemmungen hier zugreifen. Insgesamt acht Alben bei Capitol Records, jeweils zwei davon innerhalb 1970 – 1971 – 1972, das hat nur noch Grand Funk ähnlich gemacht und noch übertroffen. Jeweils ein »Live– und Best-Of Album »Bloodrock ‚N‘ Roll« komplettieren die Zeit bei Capitol Records.
Für ein Benefit-Konzert im Ridgela Theatre Fort Worth, Texas kommen am 12. März 2005 die fünf Original-Mitglieder Jim Rutledge, Lee Pickens, Ed Grundy, Nick Taylor und Stevie Hill noch einmal zusammen. Für Rick Cobb ist Nick’s Sohn Chris Taylor in der Schießbude. Tastenmann Stevie Hill kämpfte gegen eine massive Leukämie und um die Kosten der medizinischen Behandlung bezahlen zu können, standen ihm seine Weggefährten kollegial bei. Stevie hat zu dem Zeitpunkt noch acht Jahre, verstirbt im September 2013. Der komplette Auftritt wurde aufgezeichnet und als »The Bloodrock Reunion Concert« beim Bootleg Label Capital Records veröffentlicht (beim Namen aufgepasst).
Warum hat es bei dieser guten Rock-Combo nicht so richtig gezündet ?? Selbst ein Schwergewicht wie Kerry Livgren von Kansas und viele andere Kollegen der Southern-Rock-Szene waren von dieser Band begeistert. Genügend Vorlauf (von 1963 bis 1970 mit The Naturals und Crowd + 1), musikalisches Rüstzeug und Fähigkeiten, personelle Stabilität und Leidenschaft, erfahrene Produzenten und Label, alles das hatten sie und dass auch in verschiedenen Spielarten. Aber manchmal sind es eben Kleinigkeiten die es ausmachen. Grand Funk kennen sehr viele Rock-Fans, Bloodrock kaum einer. John Cipollina und Charlie Daniels kennen ebenso viele Rock-Begeisterte, aber wer kennt Jim Rutledge, Lee Pickens, Ed Grundy, Nick Taylor und Stevie Hill ?? Leider sind fast alle Alben dieser großartigen Band heute in Europa schwer zu bekommen, Repertoire Records hatte 1995 einmal die ersten beiden auf CD herausgebracht (noch erhältlich), One Way Records drei Jahre später den gesamten Band-Katalog. Aber die Suche und Kauf eines der Capitol-Alben lohnt sich in jedem Fall.
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