Flaming Ember

Detroit war in den Sixties/Seventies nicht nur musikalisch ein extrem heisses Pflaster, auch auf sozialer Seite brannte es lichterloh, bei den Bürgerunruhen von 1967 verloren 47 Menschen ihr Leben. Dass in diesem Spannungsfeld der Motown-Konzern seinen Gute-Laune-Soul produzierte ist eigentlich unglaublich, man denkt im Zusammenhang mit Unruhen viel eher an die harten Vertreter der Stadt wie MC5 oder Vincent Furnier, besser bekannt unter dem Namen Alice Cooper. Die Motorstadt war damals nicht nur das Zentrum der US-Automobilfabrikation, es war auch eines der pulsierenden Herzen der amerikanischen Musikindustrie, ich staune immer wieder auf welche (nahezu unbekannten) Perlen man hier stösst, die Detroit Emeralds etwa oder Catfish Hodge.

Flaming Ember gehörten seit 1964 zur Szene in Detroit (offenbar waren sie die Hausband eines gleichnamigen Restaurants, das „s“ cancelten sie später), die Blue-Eyed-Soul-Truppe veröffentlichte 1967/68 beim kleinen Detroiter Label Ric-Tic eine Reihe erfolgloser Singles. Als Berry Gordy – seines Zeichens der Übervater von Motown – für die kleine Plattenfirma 1 Million Dollar auf den Tisch legte und seinem Stammkonzern einverleibte, machten Flaming Ember den Wechsel nicht mit, sie schlossen sich stattdessen Hot Wax an, der Firmenneugründung der abtrünnigen Motown-Songwriter und Produzenten Holland-Dozier-Holland die sich mit Gordy verkracht hatten. Bei Hot Wax war die Konkurrenz kleiner, da hatten Flaming Ember von Anfang an Star-Status, nicht zuletzt weil sie die einzige weisse Band im Stall des Labels war, eine weitere Parallele zu Motown, dort hiess das weisse Ei im Nest Rare Earth.

Das aus dem ersten Album ausgekoppelte „Westbound # 9“ wurde 1970 zum grössten Erfolg für  Flaming Ember, die Single erreichte in den US-Popcharts Platz 24 und war wie viele ihrer Titel von R. Dunbar / E. Wayne verfasst worden. Zur Erklärung: Ron Dunbar einer Produzenten bei Hot Wax, E. Wayne ein Pseudonym der Gebrüder Brian und Eddie Holland und ihrem Partner Lamont Dozier. Das schmissige „Westbound # 9“ (eine Ost-West-Bahnlinie) wird oft auch zum amerikanischen Heartland Rock gezählt, ähnlich wie „Route 66“, der Titel rückt Hoffnung und den Glauben an die Zukunft ins Zentrum, meistens mittels Reise ins gelobte Land für das in den Vereinigten Staaten normalerweise Kalifornien stand.

Zu Flaming Ember gehörten Gitarrist Joe Sladich, Keyboarder Bill Ellis, Bassist Jim Bugnel und Sänger/Drummer Jerry Plunk. Der Wiedererkennungswert von Flaming Ember war ganz klar die wunderbare Stimme von Jerry Plunk die einen Hang zur Oberflächenstruktur von feinem Schleifpapier hatte und den beiden Alben Westbound # 9 (1970) und Sunshine (1971) den Prägestempel aufdrückte. Durchgehend grosses Ohren-Kino, basierend auf klasse Songs wie „Mind, Body And Soul“, „Shades Of Green“ vom ersten, der mitreissenden Soul-Rock-Perle „Stop The World And Let Me Off“ oder dem Riffrocker „1200 Miles From Heaven“ vom zweiten Album das komplett unterging. Bei der zweiten LP (mit Cover-Stanzung beim S von Sunshine) spürt man deutlich den Einfluss des Produzenten General Johnson der „I’m Not My Brothers Keeper“ auch mit seiner eigenen Truppe Chairmen Of The Board auf Tape bannte. Ob im Studio wirklich auch die Musiker von Flaming Ember zum Einsatz kamen lässt sich im Nachhinein nicht mehr genau eruieren da viele der Produktionen von Hot Wax gleichzeitig im selben Studio entstanden (zwei Titel finden sich beispielsweise auf beiden LP’s von Flaming Ember, gewollt oder ungewollt, Neueinspielungen oder anderer Mixdown?), vielleicht war auch die hauseigene Studioband The Politicians involviert, einzig bei der Voice von Jerry Plunk besteht kein Zweifel, dass er es ist der singt.

Bewegte Bilder (Filmaufnahmen) von Flaming Ember existieren leider bloss in verschwommener „Aquarell-Qualität“, bei der einen Playback-TV-Präsentation sass anstelle von Plunk ein anderer Drummer (er tauchte auch auf einigen Single-Hüllen auf, einen Namen konnte ich ihm bislang nicht zuweisen) hinter der Schiessbude.

Flaming Ember blieben trotz grossartiger Songs hinter den kommerziellen Erwartungen zurück. Nach der LP Sunshine verabschiedete sich die Band unter dem Namen Mind, Body And Soul in die Detroiter Clubszene und veröffentlichte offenbar keine weiteren Tonträger mehr.

Die mir vorliegende, norwegische CD mit den beiden Alben Westbound # 9 und Sunshine stammt von 2020, es existiert  auch eine ältere, schwieriger aufzutreibende Edition von Sequel, Flaming Ember – The Hot Wax Sessions (1999) die mit zusätzlichen Single-B-Seiten wie dem furiosen „Robot In A Robot’s World“ aufwarten konnte. Man kann sich Flaming Ember übrigens auch in Form von Vinyl beschaffen, die beiden Alben werden immer wieder mal neu gepresst. Als Gebrauchtvinyl geht selbstverständlich auch, bei mir ist es die Single „I’m Not My Brothers Keeper“ (deutsche Ausgabe von 1969, Bellaphon-Vertrieb, mit dem Non-LP-Titel „Deserted Village“ auf Seite 2) die regelmässig in der Jukebox angewählt wird.

LONG LIVE ROCK’N’SOUL MUSIC!
mellow

 

Westbound # 9 (LP, 1970, Hot Wax)
A1) Spinning Wheel
A2) Westbound # 9
A3) Mind, Body And Soul
A4) Shades Of Green
A5) Going In Circles
A6) Why Don’t You Stay
B1) Flashbacks And Reruns
B2) This Girl Is A Woman Now
B3) Stop The World And Let Me Off
B4) Heart On (Loving You)
B5) Where’s All The Joy
B6) The Empty Crowded Room

 


Sunshine (LP, 1971, Hot Wax)
A1) Living High, Money Low
A2) 1200 Miles From Heaven
A3) Heart On Lovin’ You
A4) Stop The World And Let Me Off
A5) Sunshine
B1) Gotta Get Away
B2) I’m Not My Brother’s Keeper
B3) Ding Need Dong
B4) One Step Beyond
B5) Ember Blues

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