Buffalo – Buster Brown – Rose Tattoo – Ayers Rock 2

Jeweils ein Bein im Blues, Punk, Metal & Rock’n’Roll

Für mich war Ende der 70er die Musik aus Down-Under noch ein großer weißer Fleck. Ein wenig so leer wie das Outback dieses schönen Kontinents. Sogar AC/DC verordnete ich zuerst nach UK, obwohl trotz deutlicher Wurzeln in Schottland, die Gründung dieser Band eben in Sydney, Australien liegt. Wie in Europa oder Nordamerika gibt es in Australien und Ozeanien seit dem Urknall der 60er eine vitale Rockszene. Klein aber fein umfasst die alle Genres, steht manchmal zeitversetzt im Zenit, stellen sogar manchmal die führenden Taktgeber oder wie bei Dead Can Dance oder Daevid Allen haben sie ein Alleinstellungsmerkmal. Es gibt in der langen Musik-Historie des fünften Kontinents noch einige Schätze zu heben, die hier in Europa nicht so auf dem Zettel der Rock-Musik-Fans stehen. Beispielsweise der Blues Rocker Rob Tognoni aus Tasmanien, die psychedelischen Rocker The Church, die New Waver Flash & The Pan und die Pop-Rocker der Litte River Band, über Icehouse berichte ich ja bereits. Diesmal ist es nun wieder eine recht unbekannte wilde Crossover-Truppe. Mit dieser Formation, die mich 1981 bei einem Konzert in der Westfallenhalle II in Dortmund komplett überrascht hat, fiel aber dann mein Augenmerk danach doch etwas deutlicher und dauerhafter auf die australische Rock-Szene. Und das ist bis heute so geblieben. Vermutlich ging es damals vielen Rock-Fans, die sich auf ein ZZ Top Konzert gefreut hatten, ebenso.

Rose Tattoo: Promo_1

Rose Tattoo: Promo_3

Rose Tattoo: Promo_6

Nicht lange Schnacken, kahlen Kopf in Nacken – Im Chequers Club in Sydney, dort wo auch gerüchteweise die besagten AC/DC ihre Karriere begonnen haben, treffen sich um den Jahreswechsel 1976/77 der Saitenartist Peter „Pete“ Wells (1970-72: Head, 1972-76: Buffalo), Sänger Gary Stephen „Angry“ Anderson (Shaved Heads, 1973-76: Buster Brown Band), Gitarrist Mick Cocks, Basser Ian William Rilen (1972-74: Band Of Light) und Schlagzeuger Dallas „Digger“ Royal. Alle haben sich schon in anderen Bands die Hörner etwas abgestoßen und suchen nach neuen Herausforderungen. Da die musikalische Chemie stimmt und auch sonst der Geschmack mit Tattoos, Klamotten, Lebensführung passt, ist schnell eine Einigung erzielt und die weitere musikalische Ausrichtung von Rose Tattoo vereinbart. Diese ist nicht sonderlich weit von AC/DC entfernt und mit denen verbindet sie auch bis heute eine enge Freundschaft. Die hilft auch, als für den von Ian Rilen federführend komponierten Titel »Bad Boy For Love«, ein Label gesucht und mit Albert Productions gefunden wird. Bereits im Oktober 1977 wird der Titel, zusammen mit »Snow Queen« als B-Seite, veröffentlicht. Der verhilft der Truppe schnell zu medialer Aufmerksamkeit in Australien und darüber hinaus. Noch vor Beginn zu den Arbeiten zum selbstbetitelten Debüt (Produzenten Vanda & Young, in Europa als »Rock’n’Roll Outlaw«) verlässt Ian Rilen schon diese wilde Truppe wieder, er wird von Angry Anderson’s Kumpel aus Zeiten der Buster Brown Band namens Geordie Leach ersetzt. Damit ist die Kerntruppe zusammen, auch wenn kurzzeitig auch mal Lobby Lloyd den Viersaiter bedient. In dieser Zeit entsteht in den USA ein weiteres Album, was aber erst mal nicht das Licht der Welt erblickt. Ungewöhnlich und prägend für Rose Tattoo ist von Beginn der Einsatz einer Slide-Gitarre.

Rose Tattoo (1978)

Assault & Battery (1981)

Southern Stars (1984)

Albert Productions – Ein historisches australisches Plattenlabel, das 1964 von Ted Albert gegründet wurde, der zusammen mit Harry Vanda und George Redburn Young (Tieftöner The Easybeats und AC/DC) entweder als Produzent oder als ausführender Produzent für fast alle Künstler von Albert Productions tätig war. Das australische Produzenten- und Songschreiber-Duo Vanda & Young, das vor allem durch seine Produktionsarbeit für AC/DC bekannt wurde, war auch die treibende Kraft hinter The Easybeats und Flash & The Pan. Diese beiden Geschichten dazu werden aber ein anderes Mal erzählt. Seit den frühen 1900er ist das Unternehmen J. Albert & Son Pty. Ltd., kurz die Alberts, als Besitz in den Händen der Familie Albert. Seit den frühen 30er ist Ted Albert der Geschäftsführer und Steuermann des Unternehmens und auch Drahtzieher des unabhängigen Musikproduktionszweig Albert Productions. Schon bald nach der Gründung erscheinen das schwarze Gold von Alex Hood (LP: »The First Hundred Years«) sowie mehrere Dutzend Veröffentlichungen der dort unter Vertrag stehenden Billy Thorpe And The Aztecs und besonders der The Easybeats. Später kamen Künstler wie Dave Mills und Bands wie die Ted Mulry Gang, AC/DC (ab 1974, die wohl berühmteste Band im Stall), The Angels und Rose Tattoo hinzu. Am 22. Juli 1974 erscheint bei Albert Productions die erste AC/DC-Single »Can I Sit Next To You, Girl«, die erste Rose Tattoo Single »Bad Boy For Love« erscheint im Oktober 1977. Produzent-Team in beiden Fällen ist Harry Vanda und George Redburn Young. Somit ist auch klar warum die Verbindung Albert Productions, AC/DC und Rose Tattoo so hautnah war.

Rose Tattoo: Promo_8

Touren & Studio Non-Stopp I – Und was ist die erfolgversprechende Fahrkarte für junge unbekannte Rock-Bands bis heute, ganz genau, auftreten, spielen bis die Finger blutig sind, bis es nicht mehr geht. Und die wilden Australier machten das Non-Stopp mit nur kurzen Pausen über drei volle Jahre. Die zwei weiteren offiziellen Alben »Assault And Battery« (1981) und »Scarred For Life« (1982) erscheinen auch bei Albert Productions. Das touren hat sich gelohnt, denn mit so einem Front-Rüppel wie Angry Anderson, der nicht nur durch seine Erscheinung und Stimmgewalt, sondern auch mit wilder Bühnen-Akrobatik und unbändiger Dominanz Akzente setzt, wird der Ruf der Band weltweit bekannt gemacht. Das führt zur Bühnen-Zusammenarbeit mit Rainbow, Aerosmith und eben ZZ Top. Und diese Bands mussten sich schon mächtig anstrengen um bei dieser australischen Rock-Punk-Walze nicht unter die Räder zu kommen. Und wer wie ich 1981, diesem ärgerlich wirkenden wilden Sänger sehr nahegekommen ist, der mit weit gespreizten Beinen und geballter Faust direkt vor mir steht, der erinnert sich an einem grobschlächtigen, schwitzenden, kahlgeschorenen Schädel, mit einem riesigen permanent offenstehenden Maul, aus dem massenhaft Speichel wie bei einer KFZ-Spritzanlage breitgestreut herausspritzte. In den heutigen Corona-Zeiten völlig undenkbar, auch weil Angry Anderson sich an den Bühnenrand niederkniete und die Fans von Nase an Nase beschallte, oder besser gesagt einschleimte. Und was da aus seinem Rachen herausbrach, klang zwar wüst aber auch noch gut. Die Band im Hintergrund lieferte dazu puren Rock’n’Roll. So etwas habe ich selten wieder erlebt. Für mich waren sie ebenso beeindruckend wie das texanische Trio ZZ Top danach als Hauptakteur.

Touren & Studio Non-Stopp II – Zurück in Australien verlässt Gitarrist Mick Cocks die Band und macht Platz für Robin Riley. Die drei ersten Alben und ihre Live-Qualität sind eigentlich das fundamentale Vermächtnis dieser unterschätzten Band. Aber nicht nur wegen den exzessiven Auftritten geht es bei den Australiern hoch her, auch das Personal-Karussell dreht sich mächtig, es ist ein kommen und gehen. Schon das vierte Werk »Southern Stars« (1984) entsteht mit einer fast komplett neuen Mannschaft und wird (vielleicht auch deshalb) aber von Albert Productions nur in Ozeanien veröffentlicht. Da sich außer Schlagzeuger Scott Johnston danach schon bald wieder die komplette Mannschaft davonmacht, sucht sich Angry Man Anderson mit Tim Gaze (Gitarre) und Andy Cichon (Bass, Tastengeräte) neue Jungs, um an der neuen Scheibe »Beats From A Single Drum« (1986) zu arbeiten. Dieses Werk erscheint zuerst als Band-Album, später wird es aber als Solo-Album von Angry veröffentlicht. Grund ist die ausgekoppelte Single »Suddenly«, die in der damals populären australischen Daily-Soap »Neighbours« (1985-2022, zu Beginn mit Kylie Minogue) verwendet wird. Die steigt schnell auf Platz Uno der lokalen Charts und läuft tatsächlich nur unter Andersons Namen. Der kleine schreiende Glatzkopf steigt dann selbst ebenfalls ins Filmgeschäft ein und spielt neben Mel Gibson (Max Rockatansky) und Tina Turner (Aunty Entity) in »Mad Max III – Jenseits Der Donnerkuppel« die Rolle als Ironbar Bassey. Mit Rose Tattoo ist kurz darauf erst mal Schluss und Angry widmet sich seiner vielfältigen Solokarriere. Musikalisch ist aber nur noch das zweite Solo »Blood From Stone« (1990) ein signifikantes Lebenszeichen. Das ist allerdings vom Krebs-Tod des ehemaligen Schlagzeuger Dallas „Digger“ Royal (1991) überschattet.

Beats From A Single Drum (86)

25 To Life (2000)

Angry Anderson: Suddenly

Touren & Studio Non-Stopp III – Als Guns N‘ Roses 1992 eine Tour in Australien ankündigt, verpflichten sie tatsächlich Rose Tattoo als Anheizer. Und einheizen können sie gut. Anderson, Wells, Cocks, Leach raufen sich also mit dem neuen Schlagzeuger Paul DeMarco nochmal zusammen und rocken die Hallen. Danach gehen die Musiker aber wieder ihre eigenen Wege, sind weiter ständig in irgendwelchen Bands oder Projekten aktiv. Leider knüpfen sie nur bedingt an alte Erfolge an. 1999 kommt es erneut zu einer Reunion, die sie auch quer durch Europa führt. Ihren 2000er Auftritt beim Wacken Open Air schneiden sie mit und veröffentlichten ihn schließlich unter dem Titel »25 To Life« (Steamhammer). Positive Reaktionen seitens Fans & Presse bewegen Rose Tattoo weiter zu machen. Weiter im Jahr stehen sie bei Festivals mit Bands wie Saxon oder Danzig auf der Bühne.

Stopp und Aus – Das Tattoo-Urgestein und Mitgründer Peter „Pete“ Wells arbeitete mit Blues Hangover, Pete Wells Band und bis zu seinem Krebs-Tod am 27. März 2006 mit Lucy DeSoto And The Handsome Devils. Gitarrist Michael Thomas „Mick“ Cocks war in den 80ern auch Mitarbeiter bei den ultraharten Rockern Heaven aus Sydney, später 2004 Mitgründer von Doomfoxx, er stirbt ebenso zu früh am 22. Dezember 2009 an Leber-Krebs. Nachdem der ehemaligen Schlagzeuger Dallas „Digger“ Royal bereits 1991 plötzlich an Krebs verstorben war, starb Ian William Rilen am 30. Oktober 2006 auch an dieser tückischen Krankheit. Somit sind von den fünf prägenden Figuren dieser australischen Band ab Weihnachten 2009 nur noch der Schreihals und Konstante „Angry“ Anderson am Werk. Das aber lautstark bis heute. Unfassbar aber wahr, dass Anderson bis heute immer noch fit auf der Bühne steht und immer noch vor Energie überschäumt. Ich hätte 1981 diesem jungen, zappelnden Vokal-Akrobaten sicher nicht dieses Verfallsdatum zugetraut. Angry, der besonders genau wegen seines Auftretens gern als kleiner, pöbelnder Rock-Sänger gesehen wird, hat aber noch eine andere Seite. Dank seines großen Einsatzes in der Jugendarbeit, für benachteiligte Kinder, aber auch Kämpfer gegen Kinder-Prostitution (besonders in Südost-Asien) und als kultureller Botschafter Australiens, ist dieser Mann stolzer Träger der Auszeichnung Order Of Australia.

Pain (2002)

Outlaws (2020)

Scarred For Live 1980-1982

Die nächste Generation – Mit Paul DeMarco und neuem Basser Stephen King wird das kraftvolle Album »Pain« (2002) auf den Weg gebracht, typischer erdiger australischer Rock’n’Roll. Fünf Jahre weiter geht es mit Nachrücker Dai Pritchard ins Studio und dort wird das achtes Album »Blood Brothers« (2007) aufgenommen. Der Album-Titel, wie auch einige Lieder wie »Standover Man«, »Nothing To Lose«, »Slipping Away«, »Once In A Lifetime«, sind zweifelslos auch als Verbeugung vor den beiden 2006 verstorbenen Pete Wells und Ian Rilen zu verstehen. Auch Mick Cocks arbeitete noch an diesem Album mit. In Europa erscheint 2008 eine Tour Edition mit einer Bonus-DVD. Über zwei Stunden Rose Tattoo in Bestform, 2006 auf der Bühne und beim Interview in Wacken. Hier kann man sich von der Einmaligkeit dieser Truppe in Ton & Bild überzeugen. Die Bezeichnung, die kleinen AC/DC, ist unpassend für diese wilde Rockband, denn Rose Tattoo waren über die gesamte Karriere und egal in welcher Besetzung in jeder Hinsicht völlig anders, immer authentisch und unangepasst, immer, roh, wild, laut, ungestüm, wie rohes Fleisch bei einem vegetarischen Festmahl wie ich bei einem Beitrag mal gelesen habe. Ich habe das rohe Fleisch sogar kurz nach dem Verlassen des Metzgers selbst einmal erlebt, und stimmt tatsächlich. Schade das diese ultrarohe Truppe, die mit fast allen großen harten Jungs weltweit gespielt hat, bis heute so weit unter dem Radar des Massenkonsums geblieben ist. Unter den Musiker-Kollegen hat diese Band viele Fans und hat die immer wieder Inspiriert und zu Anregungen geführt.

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Anmerkungen – Es haben eine Legion von Musikern seit 1976 bei dieser australischen Combo musiziert, teilweise auch mehrmals nach jahrelangem pausieren. Anfänglich in der Gründungsphase waren auch noch Sänger Tony Lake, Leigh Johnston (Gitarre) und Michael Vandersluys (Schlagzeug) dabei. Diese Drei waren aber an den Aufnahmen des Debüts dann nicht beteiligt. Ich habe mich bei meinem Beitrag wegen der Lesbarkeit und der Übersicht an die federführenden Konstanten gehalten. Einige Mitglieder sind immer wieder wie in einer U-Bahn ein- und ausgestiegen. Dennoch ist die Musik Live & Studio geprägt von der Besetzung der zweiten Phase (Mitte 1977 bis 1982). Das ist bis heute so geblieben. Kürzlich ist die Live-Box »Scarred For Live 1980-1982« erschienen, fünf explosive Konzerte aus der stärksten Phase: Mount Druitt, Sydney (01-01-1980), Bondi Lifesaver, Sydney (31-08-1980), Reading Rock Festival, UK (29-08-1981), Hordern Pavilion, Sydney (30-04-1982), Wax Museum, Washington US (12-12-1982). Unverzichtbar ist aber das bereits erwähnte Studio-Album »Blood Brothers«, als Deluxe-Edition mit der Wacken-DVD.

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Bleibt gesund, Frieden & Klingende Grüsse, Der SchoTTe

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