Am diesjährigen Record Store Day schaute ich kurz beim Händler meines Vertrauens vorbei, Draussen vor dem Laden hatte er ein Partyzelt aufgebaut um zusätzlich „Lagerware“ anbieten zu können. Gebrauchtes Vinyl und CD’s – zugegeben, eher zweite Wahl, also je nach Sammler-Standpunkt – wurden zum Kilopreis verkauft, kein Wunder also wurde mein Stapel mit 45ern hoch und höher.
Bei diesem Fischzug ging mir auch eine 45er von einem gewissen Emanuel ins Netz. Zeitlich schwierig einzugrenzen da wie oft bei Singles keine Jahresangabe auf dem Tonträger vermerkt war, aber das Backcover mit der Werbung für andere Platten (Black Sabbath, Blue Mink, Juicy Lucy) verwiesen auf die frühen 70er. Die nachträgliche Recherche ergab dann, dass es sich bei Emanuel um den Leadsänger der aus Liberia nach Europa emigrierten Band Soulful Dynamics handelte die mit “Mademoiselle Ninette” einen Hit gelandet hatte. Die beiden von Achim Reichel und Frank Dostal (beide The Rattles) verfassten Titel „Romeo“ und „Mama Don’t Go“ auf der B-Seite dieser Philips-Single erfüllten dann auch meine Erwartungen, mitsingbarer Rock, Euro-Soul mit leichtem Afrobeatanteil im Stile von Soulful Dynamics und The Equals.
Insgesamt veröffentlichte Emanuel (manchmal auch mit zwei „m“ geschrieben) drei Singles, die letzte „I Know A Girl In Sansibar“ datiert von 1975 und ist schwer verdauliche Mitklatsch-Kirmesmusik und daher verzichtbar. Seine einzige Langrille veröffentlichte Emanuel bei EPIC und ist wohl etwas seriöser da sie eine Coverversion von „Back Stabbers“ (O’Jays) enthält. Auf der anderen, mir unbekannten Single „Oh Balutujeh / „Let Summer Come Again“ die bei BASF und vermutlich vor „Romeo“ erschien findet sich übrigens auch der nachfolgende Promotiontext. Ich bin mir nicht sicher, ob vielleicht nicht genau diese Künstlerbeschreibung die weitere Solokarriere von Emanuel eher hinderlich war. Aber egal, ich erlaube mir diese herrliche Plattenfirmenwerbung hier einzustellen da sie ein wunderbarer Zeitzeuge für die Musiklandschaft des Jahres 1971 ist:
Seine Eltern wissen von ihrem Sohn, dass er sich kaum von anderen Jungen unterscheidet. Stürmisch, neugierig, verspielt, ehrgeizig, freundlich, eigensinnig, clever. Sein Lehrer daheim in Monrovia an der afrikanischen Pfefferküste hatte bald gemerkt, dass Emanuel Obedekah lieber Fussball spielte als kluge Bücher zu lesen. 1968 kam er als 19jähriger nach Europa um Musik zu machen und Volkswirtschaft zu studieren.
Seine Freunde die mit ihm als ‘comrades in arms‘ unter dem Namen Soulful Dynamics 1969 1969 via Amsterdam nach Deutschland kamen, waren begeistert von ihrem Leadsänger. Mit „Mademoiselle Ninette“, „Annabella“ und „Birdie“ sang er sie in die internationalen Hitparaden und zu Weltruhm. Das Studium blieb auf der Strecke. Deutsche Popfans zählten bald zu seinen stolzen Freunden und treuen Verehrern. Ihnen verdankt er seine erste Goldene Schallplatte. Die weite Welt kennt seinen „Romeo“; eine Single die in 24 Ländern veröffentlicht wurde und Rekordumsätze brachte. Sein Kaufmann in Hamburgs Blankenese weiss von seinen Schwierigkeiten mit der europäischen Küche. Denn tropisches Gemüse wie er es mag, ist nicht lieferbar. Anfangs konnte er keine Kartoffel riechen – heute schwört er auf Hamburger Aalsuppe. Seine Freundin erlebt ihn als begeisterten Autofahrer und ahnt seine Sehnsucht, wenn er am nahen Elbufer liberianischen Frachtern nachschaut…
Er selbst ist machtlos gegen seine Tischtennisleidenschaft. Er komponiert, spielt Gitarre, Klavier und Schlagzeug und schätzt vier Männer: James Brown, Tom Jones und die Herren Bach und Beethoven. Alle die ihn bisher nicht kannten, können es jetzt nachholen. Mit „Oh Balutujeh“ und „Let Summer Come Again“.
Der obige Text ist wohl der Versuch mehr in den Sänger hinein interpretieren zu wollen als da eigentlich vorhanden war, denn ohne Image geht in der Branche bekanntlich nichts. Sicher, eine ausgezeichnete Stimme, aber die Songs für Soulful Dynamics schrieb fast ausschliesslich deren Bandleader Frederick “Andy” Anderson, Emanuel trat dort eigentlich nicht als Songwriter in Erscheinung und auch solo überliess er das Komponieren anderen. Es würde mich ja nicht wundern wenn die Solokarriere von einem Manager angeschoben wurde, oder vielleicht war es bei Soulful Dynamics zu Unstimmigkeiten gekommen was Emanuel dazu bewog es ohne die Stammband zu versuchen.
(Emanuel, LP, Epic, 1976)
Über den weiteren Verbleib von Emanuel nach 1976 konnte ich nichts in Erfahrung bringen, die Spuren verlaufen sich im Sand der Musikgeschichte…
LONG LIVE BLACK MUSIC!
mellow