Michael Rother Post-Neu!

Michael Rother Post-Neu!

 

Man hätte um 1975-1977 meinen können, die beiden Protagonisten des NEU! Projekts würden versuchen sich gegenseitig die Plätze streitig zu machen. Kaum war Neu! den Bach runter gegangen, kam Klaus Dinger mit La Düsseldorf und dann stand auch schon Michael Rothers “Flammende Herzen” in den Regalen der Verkaufsstellen. Ich war damals extrem gespannt darauf, was der Herr Rother hier auf den Markt bringen würde. Ziemlich die Luft rausgelassen hatte es mir allerdings wegen dem Titel “Flammene Herzen”. Schlager? Ich befürchtete das Schlimmste aber tief im Innern wusste ich, nein, das macht der Michael nicht.

 

LP gekauft und hingesetzt, Album angehört und … ich setze mich jetzt auf den äussersten Ast raus, dort wo es mein Gewicht gar nicht mehr trägt: Die Tatsache nochmal einer Art Neu! 2.0 zu begegnen war doch eine ziemliche Ueberraschung. Eine Art! Hier zeigte sich für mich der wahre Grund, wieso ich schon immer auf Michael Rother gewettet hatte. Das Beste aus der Vorgängerkapelle adaptiert und weiterentwickelt (Klaus Dinger, geddit!). Oft wird Michael Rother auch als Ambientmusiker bezeichnet, was vor allem in den letzten Jahren tatsächlich so ist und ich muss zugeben, mit Ambient kann man mich mehrfach um den Block jagen.

 

“Flammende Herzen” bedarf einer Neudefinition des Begriffs Ambient, für mich wars das nicht, aber ich gebe gerne zu, man könnte(!) auf die hirnrissige Idee kommen. Ambient schon deswegen nicht, weil hier das Schlagzeug (Jaki Liebezeit) ganz schön klopft (und eingepasst ist wie weiland Klaus Dinger in Neu!). Aber gewisse Passagen haben auch auf diesem Album ihre entsprechenden Gegenparts im Vorprojekt, ich will das gar nicht kleinreden.  Es handelt sich bei dem Album um ein rein instrumentales Angebot bei dem die angesprochene Motorik auf einer anderen Ebene funktioniert. Am ehesten zurückgehend auf das Debut von Neu! aber mit einem anderen Ansatz. Das repetitive ist nicht mehr Sinn und Zweck der Uebung sondern wird ganz selbstverständlich als Träger und nicht als Effekt verwendet.

 

Bei “Flammende Herzen” ist es auch nicht wirklich wichtig, welchen Track man sich gerade anhört. Jedenfalls kenne ich nur eine handvoll Alben die aus solch einem Guss sind. Das volle Programm (und das ist schwer zu empfehlen) gibt es natürlich nur von vorne bis hinten und nur so kommt das Konzept wirklich zum tragen. Während ich den Text hier schreibe, korrigiere und berichtige und um Formulierungen ergänze, höre ich mir “Flammende Herzen” nebenbei an. Und ich weiss nicht, ob ich das mit der Etikette Ambient ändern soll. Ich bin fast versucht zurückzurudern. Wobei meine Ambientphobie eben genau nicht auf das abzielt.

 

Bis heute ist “Flammende Herzen” meine Lieblingsplatte von Michael Rother geblieben. Ein Album auf der Grenze zwischen der Vergangenheit und der Zukunft. Die Vergangenheit zeigte sich auch an den einzelnen Titeln wie z.B. “Feuerland”, “Karussell” oder “Zeni”. Und ganz langsam verabschiedete sich Michael Rother von Neu! und einem Musikstil den er und Klaus Dinger entscheidend mitgeprägt hatten, ja, ich würde gar so weit gehen und Neu! als die Erfinder dieser speziellen Art Motorik zu nennen. Michael Rother legte zwar im Lauf der Zeit eine beträchtliche Zahl an Veröffentlichungen auf, aber bezogen auf die Zeitspanne waren es nur wenige Tontäger:

 

Sterntaler (1978)

Katzenmusik (1979)

Fernwärme (1982)

Lust (1983)

Süssherz und Tiefenschärfe (1985) *

Traumreisen (1987) *

Esperanza (1996)

Remember (The Great Adventure) (2004) *

Dreaming (2020) *

 

  • * Diese Tonträger habe ich nicht in meiner Sammlung und kann dazu nichts sagen.

 

Dazu kamen noch einige Kollaborationen, aber irgendwie wars das mit Michael Rother solo. Immer wieder kam aber bei Michael Rother seine Vergangenheit durch, manchmal allerdings sehr verdeckt. Alleine schon die Instrumente waren Welten von den Aufnahmen der Anfangszeit entfernt. An Michael Rother schätze ich tatsächlich, dass er künstlerisch nicht stehen geblieben ist, aber sehr wohl das Echo noch fass- und hörbar ist. Wobei z.B. “Esperanza” (die LP) wohl nur noch eine äusserst schwache Verbindung herstellt. Spuren von Erinnerung(en) und die Frage, was geschah damit. Ich kann sehr gut mit “Esperanza”.

 

Michael Rother war auch publizistisch ziemlich weg vom Fenster. Nur ganz selten war er Thema in der Presse und ein Interview mit ihm zu lesen kam schon mit der ketzerischen Frage zusammen, was haben die bei der Redaktion geraucht? Natürlich hatten mich solche Lebenszeichen enorm gefreut, aber irgendwie kam auch der Verdacht auf, man brauchte wieder mal jemanden abseits von Millionsellern. Aber sein erscheinen in den Printmedien bezog sich meistens auf die Querelen rechtlicher Natur zu dieser Zeit, aber dazu mehr im sechsten und letzten Teil. Und ich verspreche hoch und heilig, ich lege mir jetzt auch noch die letzten, mir fehlenden Tonträger von Michael Rother zu. Was für eine lausige Sammlung ist das denn?

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