Kalifornier in Frankreich, Paris war sein dreifaches tragisches Lebenszentrum
Paris 1: Studium & Sorbonne – Am 31. August 1945 wird Robert Lawrence Welch Junior in Hollywood, Kalifornien geboren, wird wie nicht überraschend in einer Familie im Dunstkreis des Show-Biz groß. Er lernt früh Klarinette, wechselt dann später zur Gitarre. Während der Zeit des Studiums ist er auch schon einmal kurz in Paris [1], schließt sein Studium weder an der Sorbonne noch an der Uni California mit einem gültigen und nutzbaren Abschluss ab. Seine Profession hat sich aber dennoch in der Studienzeit herauskristallisiert, nämlich er will Künstler werden. Mit der funkigen US-Vokal-Soul-Truppe The Seven Souls (1964-1969) aus Los Angeles tritt er erstmals als Gitarrist und Songschreiber nachweisbar in Erscheinung, sie veröffentlichten aber wie damals sehr verbreitet nur eine Handvoll Singles. Mit Sänger und Saxofonist Henry Moore arbeitete Bob hier schon als Komponisten-Team eng zusammen, schreibt sogar auch für andere Künstler Lieder. Unter anderem auch »Out Of The Night« für das selbstbetitelte Debüt (1967) der Band Hour Glass von Gregg & Duane Allman. Produziert und unterstützt wurde die Soul-Combo The Seven Souls damals vom recht bekannten Pianisten & Sänger Larry Williams, der auch unter anderem mit Lloyd Price, Little Richard (sein Nachfolger sollte Larry werden) und Johnny Guitar Watson zusammenarbeitete. Larry trat 44-jährig dann am 07. Januar 1980 vermutlich durch eigene Hand (Revolver) aus dem Leben. Er ist nicht zu verwechseln mit Larry E. Williams, der Komponist von »Let Your Love Flow«, in der deutschen Version wurde »Ein Bett Im Kornfeld« ein Hit für Pop-Barde Jürgen Drews.
Paris 2: Head West – Welch geht aber wieder mal nach Paris [2] und gründet dort 1969 seine erste eigene Band Head West (1969-1971). Schon 1971 war wieder Schluss, nach nur zwei Singles und einer selbstbetitelten Debüt-LP. An dem Power-Trio waren Henry Moore (Schlagzeug, Perkussion) und Robert Hunt (Keyboards, vorher The Merced Blue Notes) von The Seven Souls beteiligt. Bob spielt Bass und Gitarre, komponiert und gesungen wurde gemeinsam. Die gespielte Musik hatte zwar gutes Wurzelwerk noch aus der Zeit in LA, war aber rockiger, funkiger, moderner, dennoch leider recht erfolglos. Vielleicht waren sie mit ihrem modernen Soul etwas zu früh, ein wenig zu weit der Zeit voraus. Bob selber sagt über diese Zeit: „Zum Essen gab es nur Reis und Bohnen, geschlafen wurde auf dem Boden.“ Er hat das Glück das er durch Empfehlung einer ehemaligen Studienkollegin bei der bereits weltweit bekannten Blues-Rock-Band Fleetwood Mac in England vorspielen darf. Wobei durchaus auch schon bekannt war, was Bob Welch an seinen Saiten-Instrumenten so leisten und liefern konnte. Er sollte dort nach Ausstieg von Peter Green (auch so eine tragische Geschichte) nun den weiteren Abtrünnigen Jeremy Spencer ersetzen, das macht er dann auch, und wie.
Fleetwood Mac – Die Meisterwerke, zuletzt mit »English Rose« und Saiten-Virtuose Greeny aka Peter Green, waren ja schon lange Geschichte bei den Blues-Rockern, nun auch Jeremy Spencer. Wieder mit stabiler Mannschaft und etwas neuer Ausrichtung folgt nun die Phase mit Bob Welch (1971-1974), von dem wir alle, wenn er nicht so früh abgetaucht wäre (auch wieder so ein Thema für Tragische Rocker), noch einiges gehört hätten. Mit Robert Lawrence Welch Junior kam eine progressivere, facettenreichere Nuancierung zum softeren Blues hinzu. Meines Erachtens die musikalisch stärkste, gehaltvollste Zeit der Mac’s, aber auch leider die am wenigsten beachteste !! Hier erarbeitet der Gitarren-Partner von Danny Kirwan und Bob Weston sich das weitere Rüstzeug für seine spätere Karriere. In den sechszehn Monaten mit dem Saiten-Duo Kirwan-Welch entstehen »Future Games« (1971) und »Bare Trees« (1972), mit den großartigen Kompositionen »Future Games« und »Sentimental Lady« (wird Ende 1977 ein Hit auf Bob’s erstem Solo-Album French Kiss). Mit dem Welch-Weston-Duo entstehen dann 1973 »Penguin« und »Mystery To Me« (Hit: »Hypnotized«). Mit dem Album »Heroes Are Hard To Find« (1974) ist dann auch diese mehr als vierjährige Phase abgeschlossen und Fleetwood Mac wendet sich mit dem Pärchen Lindsey Adams Buckingham (Gitarren) und Stephanie Stevie Nicks (Gesang) einem ganz anderen Publikum zu. Das ist aber ein anderes interessantes Thema (vermutlich nicht für den Rockzirkus). Alle aufgeführten Alben plus »Then Play On« (1969), »Kiln House« (1970) und »Live From The Record Plant 1974« (1974, Rarität) gibt es zurzeit als 8CD-Box (auch 5LP+1Single, als 1973-74) mit immerhin 20 Bonus-Titeln.
Paris 3: Paris & Solo – Der ständige Lebensmittelpunkt von Robert Welch wird dann ab 1975 wieder die französische Hauptstadt Paris [3], wo der Gitarrist und Sänger sofort erneut ein Power-Trio formiert. Diese frühe Transatlantische Zusammenarbeit ist schnell realisiert als Rock-Power-Band Paris, veröffentlich werden auch nur zwei Alben, aber was für Granaten des Hard-Rock. Die weiteren hochkarätigen Mitglieder des Trios waren der britische Bassist Glenn Cornick, vormals bei Jethro Tull, Wild Turkey, Karthago in Diensten und Schlagzeuger Thom Mooney, früher mit Todd Rundgren bei Nazz an der Arbeit. In der Zeit bei Fleetwood Mac muss sich eine Menge Material angesammelt haben (aber auch Frust), denn die Gruppe veröffentlichte bei Capitol Records ihre zwei 1976-Meisterwerke, im Januar das Album »Paris« und schon im August dann »Big Towne 2061«. Schon nach dem Debüt wurde Mooney durch Hunt Sales (später mit Bruder Tony Fox Sales und David Bowie kurz bei Tin Machine) ersetzt, der ebenfalls mit Rundgren zusammengespielt hatte. Brit-Basser Cornick stieg dann vor den Arbeiten zum dritten Streich ebenfalls aus, um in die US-Szene zu wechseln. Kurzfristig übernimmt Tony Fox Sales an den Trommelfellen. Das geplante und in Arbeit befindliche dritte Album kam dann leider nicht mehr zustande. Bob Welch verwendete das Material aber für sein bereits im Folgejahr 1977 veröffentlichte erste Solo-Album »French Kiss«. Nachdem der durchschlagende Erfolg ausblieb, löste sich dieses talentierte Rock-Trio 1977 wieder auf, erhalten blieben aber zwei ungewöhnliche Alben und wie Bob Welch sagt ein Haufen Schulden. In Kreisen der Rock-Fachleute gelten die beiden Paris-Alben in den Bereich Kult, wie The Greatest Show On Earth.
Paris 4: Frankreich & US-Heimat – Nun versucht Bob es allein, unterstützt wird er Ende der 70iger von seinen ehemaligen Kollegen von Fleetwood Mac. Elf Titel von »French Kiss« waren allesamt für das dritte Paris-Album geplant, nur »Sentimental Lady« ist eine Neu-Aufnahme seines erfolgreichen Fleetwood Mac Song vom Album »Bare Trees« (1972). Die gesamte 1977-Mannschaft der Mac’s spielte den Song zusammen mit Bob Welch noch einmal neu ein. Das Album war mit den zwei weiteren Hits »Ebony Eyes« und »Hot Love, Cold World« das meistbeachtete Werk des US-Gitarristen überhaupt. Es folgten bis 1983 in Serie drei Alben für Capitol Records und zwei für RCA Victor, leider alle unverdient recht unbeachtet. Dann erst einmal Rückkehr in seine Heimat und dort eine kreative 15-jährige Pause zur zweiten Heirat (12-1985: Wendy Armistead), Leben und Drogenentzug. Erwähnenswert ist an dieser Stelle auch noch das kurzeitige US-Live-Projekt Avenue ‘M’, einziger Studio-Titel war »Don’t Stop«. Die Band spielte ausschließlich Material von Welch aus der Zeit von 1971 bis 1983 und promotete damit 1991 »The Best Of Bob Welch«. Mit »Bob Welch Looks At Bop« erscheint 1999 dann das siebte Solo-Werk, diesmal mit komplett anderer musikalischer Ausrichtung. In jeder Hinsicht ein neuer, mutiger dennoch wieder mal erfolgloser Robert, interessante Musik im Spannungsfeld zwischen Experimental, Electronic, Jazz, Fusion und vielerlei Rock. Auch die beiden Retrospektiven »His Fleetwood Mac Years And Beyond: One & Two« (2003/2006) mit aufgefrischten und neu aufgenommenen Hits von Fleetwood Mac und Welch zündeten auch nicht. Tragisch aber oft Realität in der Musikbranche.
Abspann – Nach seinem sehr mysteriösen und unerwarteten Ausscheiden bei Fleetwood Mac im Dezember 1974 wurden von beiden Seiten immer wieder Geschichten aus der Zeit veröffentlicht, Streitigkeiten um Ruhm, Ehre, Rechte, Geld/Tantiemen in der Öffentlichkeit ausgetragen und das dauerte bis zu seinem Tod an. Auch die Berichte um die Aufnahme von Fleetwood Mac in die Rock And Roll Hall Of Fame 1998 war sehr schmerzlich für Bob Welch, dessen wichtige fast 4-jährige Zugehörigkeit und Brückenbau zu Buckingham und Nicks (Beide auch unberücksichtigt) völlig ignoriert wurde. Leider richtete Bob seinen Frust vor allem Richtung ehemaliger Band und sich selbst. Zudem trieb der immerwährende Misserfolg den talentierten Künstler hinein in Alkohol, Drogen, Detox und Krankheiten. Am 07. Juni 2012 schied Bob Welch im Alter von 66 Jahren freiwillig per Schusswaffe in seinem Haus in Antioch, Tennessee aus dem Leben. Damit folgt er 32 Jahre später genau dem Weg von Produzent Larry Williams seiner Debüt-Combo The Seven Souls. Die gesamte Lebensgeschichte, auch wieder mal sehr tragisch.
Wer sich weiter für ähnliche Themen interessiert, folgt den Weiterleitungen unten:
Weiterlesen RZ: US-Rock-Cowboys – Brit-Barden – Fast Vergessene Seelen
Wer sich weiter für die Tragischen Rocker interessiert, folgt der Weiterleitung unten:
Weiterlesen RZ: Tragische Rocker – Bleibt gesund, Rhythmische Grüsse, Der SchoTTe
So, jetzt kommt nach so langer Zeit doch noch mein Senf zu den Werken von BOB WELCH (speziell seine PARIS und darauf folgenden Solo-Sachen). Ja, die Platten sind wirklich nicht schlecht und man hört ganz klar wer hier am Werk ist und das es eine (fast logische) Fortsetzung seiner Arbeit bei FLEETWOOD MAC ist. Trotzdem gefallen mir im Schnitt seine Songs dort besser.
Mein Favorit ist das flotte CAROLENE, das sich mit Sicherheit auch auf einer FLEETWOOD MAC Platte gut gemacht hätte. WELCH war schon ein guter Komponist. Schade dass man hier leichte Disko-Effekte rein gepackt hat.
Auf jeden Fall Danke für den Tipp.
Gruß – Ronald;-)